zum Hauptinhalt
Franz Beckenbauer hat sich sein ehrenamtliche Engagement offenbar sehr gut bezahlen lassen.
© dpa

Skandal um WM 2006: Franz Beckenbauer und sein teures Ehrenamt

Franz Beckenbauer hat für seine Arbeit an der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wohl 5,5 Millionen Euro bekommen. Wofür genau, und was ist daran falsch?

Von

Franz Beckenbauer war zu Fußball-Weltmeisterschaft 2006 Organisator, Botschafter – und auch Werbeträger. Jetzt gibt es Vorwürfe zu seiner Bezahlung.

Was wird Franz Beckenbauer vorgeworfen?

Im kollektiven Gedächtnis der Deutschen ist die Weltmeisterschaft 2006 unter dem Begriff „Sommermärchen“ abgespeichert. Das bezieht sich zum einen auf die unerwartet heitere Stimmung, die während des Turniers im Land herrschte, zum anderen auf das erfolgreiche Abschneiden der Nationalmannschaft, die als krasser Außenseiter in die WM gestartet war und am Ende mit begeisterndem Fußball auf Platz drei landete. Inzwischen weiß man, dass vieles mehr , was damals erzählt wurde, auch ein Märchen war: Dass bei der Vergabe des Turniers alles sauber gelaufen ist, gilt inzwischen als widerlegt.

Und nun gibt es auch Zweifel daran, dass Franz Beckenbauer als Präsident des WM-Organisationskomitees (OK) tatsächlich nur seine Spesen ersetzt bekommen hat, wie bisher behauptet wurde. Nach Recherchen von „Spiegel online“ soll er 5,5 Millionen Euro erhalten haben, angeblich für Werbeleistungen für den Glücksspielanbieter Oddset.

Der bestreitet allerdings ein Vertragsverhältnis mit Beckenbauer. Oddset war einer von sechs sogenannten nationalen Förderern der WM. Das OK hatte Schwierigkeiten, zusätzlich zu den Fifa-Sponsoren auch ausreichend nationale Geldgeber zu finden. Oddset hatte laut Deutschem Fußball-Bund (DFB) darauf bestanden, dass Beckenbauer als Testimonial zur Verfügung stehe. Was bisher nicht bekannt war: Er ist dafür entsprechend entlohnt worden – offenbar von dem Geld, das Oddset an den DFB gezahlt hat.

Wie reagiert Beckenbauer?

Franz Beckenbauer verfügt über einen ausgeprägten Mitteilungsdrang – zu den neuen Vorwürfe aber schweigt er bisher. Das liegt wohl vor allem daran, dass er sich am Wochenende, drei Tage nach seinem 71. Geburtstag, einer lange geplanten Herzoperation unterzogen hat. Er soll sich zurzeit in einer Rehaklinik aufhalten. Dafür meldeten sich seine Anwälte zu Wort: Die Behauptung, Beckenbauer habe das Geld für die WM 2006 oder ein Ehrenamt erhalten, sei falsch. Er habe die Einnahmen auch „unverzüglich an seinem Wohnsitz in Österreich ordnungsgemäß versteuert“, heißt es in dem Statement der Kanzlei Nesselhauf. Es handele sich um eine Abzugssteuer, die der DFB erst 2010 nach einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt gezahlt hat. Diese werde fällig, wenn „Zahlungen an einen Steuerausländer geleistet werden“. Beckenbauer habe das Geld, knapp 1,2 Millionen Euro, unverzüglich an den DFB erstattet.

Juristische Folgen drohen ihm in dieser Angelegenheit wohl nicht – anders als in der WM-Affäre um den Verbleib von 6,7 Millionen Euro, in der die Schweizer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren eröffnet hat. Beckenbauers Glaubwürdigkeit aber dürfte noch weiter Schaden nehmen.

Was sagt der DFB?

Er distanziert sich immer weiter von Beckenbauer und dem WM-OK: „Da Beckenbauer die beachtliche Summe von 5,5 Millionen Euro aus dem Topf für die Organisation der WM 2006 erhalten hat, kann man vor diesem Hintergrund sicher nicht davon sprechen, dass seine Tätigkeit im Organisationskomitee ehrenamtlich war“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel am Rande des Uefa-Kongresses in Athen.

Der 54-Jährige attackierte auch die damals verantwortlichen DFB-Funktionäre dafür, dass sie Beckenbauers Arbeit als ehrenamtlich dargestellt haben. Ihm sei es völlig unverständlich, warum man diese These über einen so langen Zeitraum vertreten habe. „Für mich ist dieser ärgerliche Vorgang ein neuerlicher Beleg, dass das WM-OK auf Abschottung gesetzt hat, dass dort keine Transparenz geherrscht hat und die Öffentlichkeit in Teilen auch getäuscht worden ist“, sagte Grindel. „Das verurteile ich.“ Der neuen DFB-ührung sei bis Montag nicht bekannt gewesen, dass Beckenbauers Honorar aus Mitteln für die WM 2006 bezahlt wurde.

Grindels Wahl zum Präsidenten war auch eine Folge der WM-Affäre, in die sein Vorgänger Wolfgang Niersbach verstrickt war. Schon am Wahltag war auffallend oft vom „neuen DFB“ die Rede – als verbale Abgrenzung von der alten Führung. Grindel ist seit 2013 beim DFB tätig (zunächst als Schatzmeister), in diese Abläufe kann er also gar nicht verwickelt gewesen sein. Dennoch werfen die neuen Enthüllungen kein gutes Licht auf den Verband. Schließlich hat er erst im März einen umfangreichen Ermittlungsbericht der Kanzlei Freshfields zur WM 2006 präsentiert. Die Anwälte hätten die Zahlung an Beckenbauer überprüft, aber nicht beanstandet. Deshalb wurde sie nicht in den Bericht aufgenommen, heißt es vom DFB.

Was ist von Grindels Argumenten zu halten?

Der Unterschied zwischen dem DFB und dem WM-Organisationskomitee bestand formal aus einem kleinen A. Der DFB hat seinen Sitz in der Otto-Fleck-Schneise 6 in Frankfurt am Main, die Postadresse des OK lautete Otto-Fleck-Schneise 6a. Das Komitee residierte in einem Neubau direkt nebenan, war also räumlich in der Tat vom DFB getrennt. Rechtlich aber handelte es sich nicht um eine eigenständige Gesellschaft, sondern um eine Abteilung des Verbandes.

Auch bei den handelnden Personen gab es Überschneidungen: DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt war zugleich Vizepräsident des OK. Wolfgang Niersbach, der Geschäftsführende Vizepräsident des OK, hatte zuvor als Mediendirektor beim DFB gearbeitet, der spätere Verbandspräsident Theo Zwanziger wurde 2003, damals noch DFB-Schatzmeister, OK-Vizepräsident und war unter anderem für Finanzen zuständig.

In der Praxis legte das OK großen Wert auf Eigenständigkeit, nicht nur durch seine Postadresse. Fixpunkt war dessen Präsident Franz Beckenbauer, der die entscheidenden Stellen mit seinen Vertrauten besetzen konnte. Da war zum einen sein Freund Niersbach, der als Pressesprecher der Nationalmannschaft eng an der Seite des damaligen Teamchefs Beckenbauer gearbeitet hatte. Vor allem aber Fedor Radmann, ein begabter Player auf dem Feld der Sportpolitik und gewiefter Strippenzieher mit vielen Kontakten. Durch die persönlichen Verflechtungen unter den handelnden Personen konnten die Dinge auf dem kurzen Dienstweg geregelt werden, ohne dass die Verbandsbeamten aus der benachbarten DFB-Zentrale immer im Detail informiert waren.

Wenn Beckenbauer in Sachen WM durch die Welt reiste, waren nur Niersbach und/oder Radmann immer an seiner Seite – selbst nachdem Radmann seinen Posten als OK-Vizepräsident 2003 wegen möglicher Interessenkonflikte hatte aufgeben müssen. Als Berater des Präsidiums für Kunst, Kultur, Marketing und Tourismus blieb er allerdings in Beckenbauers Dunstkreis. Er begleitete ihn auch bei dessen Tour in alle 31 Teilnehmerländer der WM, bei der Beckenbauer und seine Entourage von Staats- und Regierungschefs empfangen wurden. Einmal besuchte die Delegation aus Deutschland acht Länder in elf Tagen, so dass man am Ende gar nicht mehr wusste, wo man gerade unterwegs war.

Wolfgang Niersbach hat im Tagesspiegel mal die Geschichte zum Besten gegeben, dass Beckenbauer nach dem Einstieg ins Flugzeug gefragt habe: „Na, trink ma a Glaserl?“ – „Franz, es ist morgens um elf, da kannst du doch nicht mit dem Wein anfangen.“ Seine Antwort: „In irgendeiner Zeitzone wird’s doch später sein.“

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Zur Startseite