Handball-WM in Katar: Flashmob statt Fankurve
Halbleere Halle und bezahlter Applaus: Der Gastgeber Katar, der ganz kleinlaut die „beste Handball-Weltmeisterschaft aller Zeiten“ versprochen hatte, gewinnt das Eröffnungsspiel gegen Brasilien. Man of the Match: Ein gebürtiger Bosnier.
Beyonce ist dann doch nicht mehr gekommen. Dabei hatte sich am ersten Turniertag hartnäckig das Gerücht gehalten, die US-amerikanische R’n’B-Sängerin würde die Eröffnungsfeier der Handball-Weltmeisterschaft mit ihrer Stimme und ihren Kurven bereichern. So fern lag die Vermutung schließlich auch nicht: Mittlerweile ist es ja völlig normal geworden, dass internationale Stars aus allen Bereichen nach Katar einfliegen, wenn in Doha mal wieder eine große Sportveranstaltung beginnt oder zu Ende geht. Bei den kürzlich beendeten Qatar Open, einem Tennis-Turnier der WTA-Tour, hat zum Beispiel David Beckham den mit 195.000 Dollar dotierten Pokal an die Sieger übergeben. Charterflug hin, einmal nett lächeln, Charterflug zurück. Was kostet die Welt?
Beyonces vermeintlicher Auftritt war also eine Ente, die in den gewaltigen Medienräumen der Lusail Multipurpose Hall im Norden Dohas ihren Anfang nahm und dort auch alsbald ihr Ende fand. Auf drei Etagen sind hier Räumlichkeiten für mehr als 500 Journalisten aus aller Welt geschaffen worden. Am späten Donnerstagabend, dem Tag des Eröffnungsspiels, blieb in diesem Bereich bis auf wenige Ausnahmen kaum ein Stuhl frei. In der Halle sah das später ganz anders aus. Während der eineinhalbstündigen Eröffnungszeremonie ließen sich die offensichtlichen Freiräume in der 15.300 Besucher fassenden Arena, der größten von drei explizit für die WM errichteten Arenen, noch mit allerhand hübschen Effekten kaschieren. Zum Beispiel mit einem großen Feuerwerk, das auch auf dem Videowürfel unter der Hallendecke zu sehen war.
Beim Eröffnungsspiel zwischen Katar und Brasilien war die Halle erschreckend leer
Als es schließlich um das eigentliche Kerngeschäft ging, nämlich um das Handball-Spiel zwischen Gastgeber Katar und Brasilien, war die Halle plötzlich erschreckend leer. Weil sich die feinen Herrschaften auf den teuren Plätzen größtenteils in die zahlreich vorhandenen Logen und Vip-Bereiche zurückzogen, war phasenweise nicht mal ein Viertel aller Plätze besetzt – die erste große Blamage für das Organisationskomitee des Turniers, das im Vorfeld des Turniers ganz kleinlaut die „beste Handball-Weltmeisterschaft aller Zeiten“ versprochen hatte. Die offizielle Zuschauerzahl am Tag der Eröffnung lag bei 7200 Besuchern. Wer diese wo gezählt haben will, bleibt allerdings fraglich.
Unbestritten ist seit Donnerstagabend, dass sich die Gastgeber eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammengeschustert haben. Im Handball existiert eine seit Jahren umstrittene Sonderregelung, die das ermöglicht hat: Wer drei Jahre lang kein Pflichtspiel für die Auswahl eines Landes bestreitet, darf die Nationalmannschaft wechseln. Die Liste prominenter Beispiele dafür ist lang und reicht vom ehemaligen Welthandballer Talant Duschebajew, der für Russland und Spanien auflief, bis hin zu Bogdan Wenta. Der gebürtige Pole spielte zunächst für sein Heimatland, später trug er das Trikot der deutschen Nationalmannschaft.
Der Bosnier Danijel Saric wurde Man of the Match - und stand im Tor von Katar
Die Wentas und Duschebajews des katarischen Teams heißen unter anderem Danijel Saric und Goran Stojanovic. Der Bosnier Saric, 37 Jahre alt und angestellt beim FC Barcelona, gilt als einer der besten Handball-Torhüter der Welt und hat sich – auch wenn er das nie so sagen würde – wohl auch wegen der fürstlichen Entlohnung für ein paar Länderspiele im katarischen Trikot entschieden. Der Montenegriner Stojanovic, ebenfalls 37, lässt seine Karriere nach zehn Jahren in der Bundesliga auch in Katar ausklingen. Man muss dazu wissen, dass die Torhüter-Position im Handball so wichtig für das gesamte Team sein kann wie sonst womöglich nur der Quarterback im American Football.
Genau so war es auch Donnerstag: Katar gewann dank einer überragenden Torhüterleistung von Daniel Saric mit 28:23 gegen Brasilien. Logischerweise wurde Saric wenig später auch zum „Man of the Match“ gewählt und mit einem Mini-Pokal geehrt, den er direkt in die katarische Fankurve trug. Die bestand aus etwa 300 auffällig gleich gekleideten Menschen, die nicht weniger auffällige Verhaltensmuster an den Tag legten. Ihre Choreografien wirkten dermaßen einstudiert, dass sie auch locker als Flashmob hätten durchgehen können. Der Verdacht, Katars Emir würde die Halle mit engagierten Besuchern füllen lassen, hat sich am ersten Turniertag nicht bestätigt. Dass der Machthaber die vermeintlichen Anhänger im Sinne guter Atmosphäre engagiert hat, ist dagegen nicht auszuschließen.