Champions League: Fernando Torres: Das Kind kehrt zurück
Fernando Torres ist noch in Mailand angestellt, aber will hier mit Heimatklub Atlético den Titel gewinnen.
Zum Ende der Saison noch mal zurück nach Mailand. Ins Stadio Giuseppe Meazza, weiter westlich im Stadtteil San Siro, wo die Metropole vom Grün rund um das weitläufige Hippodrom aufgesogen wird. Diego Simeone und Fernando Torres haben hier mal gespielt, der eine für Inter und der andere für Milan. Am Samstag gastieren sie in San Siro gemeinsam mit Atlético Madrid, im Stadtderby gegen Real, das wie schon 2014 in einem etwas größeren Rahmen stattfindet, nämlich im Finale der Champions League (20.45 Uhr, live im ZDF). „San Siro ist eines der schönsten Stadien der Welt“, sagt der Trainer Simeone und der Stürmer Torres hofft, „dass es ein magischer Ort für uns wird“.
Das ist eine seltsame Geschichte mit Diego Simeone und Fernando Torres. Als der Argentinier Simeone zwischen 2003 und 2005 bei Atlético den Herbst seiner Profi-Karriere erlebte, war er Mitte Dreißig und im Mannschaftsgefüge kaum mehr ein Indianer, befehligt vom gerade 19-jährigen Häuptling Fernando Torres. Heute sind sie beide Ikonen dieses Klubs, der gern damit kokettiert, etwas anders als die Anderen und erst recht als die noble Konkurrenz von Real zu sein.
Simeone hat Atlético als Trainer zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren ins das Champions-League-Finale geführt, Torres hat die Trophäe sogar schon gewonnen. Allerdings nicht mit Atlético, sondern mit dem FC Chelsea, und sein Anteil vor vier Jahren nach einer späten Einwechslung beim Sieg nach Elfmeterschießen über den FC Bayern war doch sehr bescheiden. Mit dem spanischen Nationalteam ist er zweimal Europameister geworden und einmal Weltmeister, alles schön und gut, „aber das wichtigste Spiel meiner Karriere ist am Samstag in Mailand“, sagt Torres. „Es gibt nichts Größeres, als diesen Pokal mit Atlético zu gewinnen.“
Im März hat er seinen 32. Geburtstag gefeiert und steht jetzt in einer Mannschaft mit Spielern wie Koke oder Saúl Ñíguez, „die waren Kinder, als ich hier angefangen habe“. Und doch nennen sie auch ihn bei Atlético immer noch „El Niño“, das Kind. Mit den knapp 40 Millionen Euro, die der FC Liverpool 2007 für ihn überwies, hat Torres dem chronisch klammen Klub seiner Kindheit damals wahrscheinlich die Existenz gerettet. In Liverpool spielte er sensationell und wäre 2011 besser nicht zum FC Chelsea gewechselt, wo ihm in drei Jahren wenig bis gar nichts gelang. Als Torres im Sommer 2014 aus London zum AC Milan ging, war das weniger ein Wechsel denn eine Abschiebung. Für Milan gelang ihm in elf Spielen gerade ein Tor.
Die Nummer zwei hinter Antoine Griezmann
Torres nennt seine Mailänder Monate heute „einen wichtigen Schritt in meiner Karriere“, was Fußballspieler heutzutage eben von ihren PR-Beratern souffliert bekommen. Der wahrhaft wichtige Schritt war der zurück zu Atlético. „Fernando wusste, dass er um seinen Platz kämpfen musste“, sagt Diego Simeone über den Mann, der ihm einst als jugendlicher Kapitän vorstand. „Ich wollte ihn nicht als Klub-Idol, sondern als wichtigen Teil der Mannschaft.“ Torres schoss gleich zwei Tore gegen Real, saß dann aber immer öfter auf der Bank. In dieser Saison ist er hinter Antoine Griezmann nur Stürmer Nummer zwei und muss darauf hoffen, dass Simeone mit zwei Angreifern spielen lässt. Vielleicht ist es diese ständige Ungewissheit, die seine Spannung hoch hält. Im Viertelfinale der Champions League schoss Torres zwar das 1:0 beim FC Barcelona, flog dann aber wegen zweier selten dämlicher Gelben Karten noch in der ersten Halbzeit vom Platz. Im ersten Halbfinalspiel gegen die Bayern traf er mit einem perfekten Außenriststoß den Pfosten, im zweiten bereitete er das entscheidende Auswärtstor von Griezmann vor.
Und am Samstag? Alle rund um Atlético gehen davon aus, dass Torres spielen wird. Es wird wohl vom Ausgang des Madrider Finales von Mailand abhängen, ob das auslaufende Leihgeschäft mit Milan verlängert wird oder ob Atlético die Transferrechte an Torres vielleicht sogar komplett erwirbt. Simeone soll sich intern sich für eine Weiterbeschäftigung ausgesprochen haben.