Kolumne Berliner Fußball: FC Viktoria: Mit der Kraft der Geduld
Nach der Fusion zum Großverein und dem Aufstieg in die Regionalliga ist für den FC Viktoria 89 vieles neu. Doch so langsam scheint der Traditionsklub sicht zurechtzufinden, meint unser Kolumnist. Und Trainer Thomas Herbst geht mit gutem Beispiel voran.
2013 ist für den BFC Viktoria (jetzt FC Viktoria Berlin) ein spannendes Jahr gewesen. Nach der Fusion mit dem Lichterfelder FC verfügt der alte Traditionsverein über eine viel bessere Trainingsanlage, ein größeres Stadion, eine hervorragende Jugendabteilung und natürlich auch viel mehr Aufmerksamkeit in den Medien. Das bedeutet natürlich, dass auch die Leistung auf dem Platz auf ein höheres Niveau steigen muss. Als die Fusion bekannt gegeben wurde, spielte Viktoria noch in der Oberliga. Der Aufstieg war ein Muss und wurde im Mai mit fünf Punkten Abstand dann auch geschafft.
Die Mannschaft hat trotz des Medienzirkus nicht gezittert, auch Trainer Thomas Herbst nicht – und das, obwohl er nicht wusste, ob sein Vertrag für das Abenteuer Regionalliga verlängert werden würde. „Das gehört zum Trainersein dazu, ich war ganz entspannt“, sagt er, und diese Einstellung hatte offensichtlich eine beruhigende Wirkung auf seine Mannschaft.
Kalte Dusche im ersten Saisonspiel
Herbst bekam im Sommer seinen neuen Vertrag, dann musste er seine Truppe auf die Regionalliga vorbereiten. Im ersten Spiel wurde der Mannschaft gezeigt, wie gnadenlos in der vierthöchsten deutschen Spielklasse Fehler bestraft werden können. Ümit Ergirdi schoss gegen den Lokalrivalen Berliner AK ein tolles Führungstor, aber in der letzten Sekunde erzielte der aktuelle Tabellenerste den Ausgleichstreffer. Bitter, bitter, bitter.
Seitdem wollte das Pech einfach nicht abreißen. „Wir hatten danach Woche für Woche neue Verletzungen“, erzählt Herbst. Viktoria blieb bis zum neunten Spieltag sieglos, wurde aber auch nur zweimal geschlagen. Ist Herbst mit neun Punkten aus neun Spielen zufrieden? „Zufrieden nicht, aber auch nicht unzufrieden. Wir hatten es nicht leicht“ sagt der Coach. „Als Aufsteiger gibt es Nervosität und man fragt sich, wie stark man wirklich ist. Ein bisschen Ruhe wird uns in eine gute Bahn lenken.“ Da ist sie wieder: die Ruhe. Ein Wort, das man im Fußball nicht so oft hört.
Thomas Herbst redet sehr gerne über Fußball, über Training, über seine Spieler – aber über Fusionen, über ambitionierte Pläne für die Zukunft und über Logistik halt nicht so gerne. Man hat das Gefühl, dass solche Gedanken für ihn nur Ablenkung sind. Er weiß, dass Fußballmannschaften einfach Zeit brauchen, um einen Rhythmus zu finden. Der Rest kommt erst danach. Klar, man will immer, dass alles so schnell wie möglich klappt, aber durch unvorsichtiges Beschleunigen verliert man schnell die Kontrolle. Ruhe und Geduld sind besser. „Man hat gemerkt, dass die Spieler, die aus der Oberliga kamen, ihr Tempo und ihre Laufleistung anpassen mussten. Das ist mit Sicherheit gewöhnungsbedürftig“, sagt Herbst.
Auf Ümit Erdirgi ist Verlass
In der schweren Anpassungsphase braucht jede Mannschaft einen starken Kapitän. Den hat Viktoria. Der Mittelfeldspieler und Ex-Profi Ümit Ergirdi ist seit vier Jahren dabei, als Viktoria noch in der Berlin-Liga war. „Er ist nicht umsonst Kapitän. Er kann die Mannschaft mit seiner eigenen Leistung pushen, indem er als Vorbild vorangeht. Es ist sehr wichtig, Spieler zu haben, die die andere Spieler anstecken und motivieren“, sagt Herbst über Ergirdi.
Die Statistiken beweisen, dass Ergirdi extrem wichtig für Viktoria ist. Er hat vier von Viktorias acht Toren geschossen. Seine Torgefährlichkeit ist umso wichtiger, da Sebastian Stachnik noch verletzt ist. Der Stürmer, der bereits acht Mal in der Zweiten Bundesliga für den 1. FC Kaiserslautern zum Einsatz kam, hat bislang nur zweimal gespielt, die talentierten, aber unerfahrenen Damantang Camara (20) und Caner Özcin (18) mussten seine Rolle übernehmen.
Am Sonntag kommt der 1. FC Magdeburg zu Besuch und Herbst freut sich sehr auf die Begegnung. „Es war ein Anreiz des Aufstiegs gewesen, endlich mal gegen größere Clubs wie Magdeburg, Jena oder Zwickau zu spielen. Das ist eine große Freude.“ Obwohl Viktoria nur Elfter ist, haben nur der BAK und Neustrelitz weniger Tore kassiert – aber Magdeburg bringt mit Christian Beck den aktuellen Top-Torschützer der Regionalliga Nordost mit. „Ich erwarte, dass meine Abwehrspieler zeigen, dass sie schwer zu knacken sind. Wir wollen Magdeburg schlagen und ich glaube, dass wir eine Chance haben“, sagt Herbst.
So wie Stachnik sollte auch der verletzte Verteidiger Murat Doymus bald wieder zu Verfügung stehen. Und nach dem ersten Sieg in der Liga sowie dem souveränen 7:0-Sieg gegen den Kreisligisten SV Berliner Brauereien im Berliner Pokalwettbewerb sieht es so aus, als ob die Jungs von Thomas Herbst sich so langsam dem neuen Niveau anpassen würden. Es brauchte wohl einfach ein bisschen Geduld.
Berlins Topspiel der Woche: FC Viktoria Berlin - 1. FC Magdeburg (Regionalliga Nordost, 10. Spieltag); Sonntag, 20.10.13, 13.30 Uhr, Stadion Lichterfelde.
Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins „No Dice“. Für den Tagesspiegel schreibt Glennon immer freitags über den Berliner Fußball.
Bilder und Spielberichte von„No Dice” auf Facebook: https://www.facebook.com/NoDiceMagazine
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