Champions League: FC Bayern gegen Real Madrid: Als ein Fan Gerd Müller verprügelte
Vor 41 Jahren trafen die Münchner im Europapokal zum ersten Mal auf Real. In einer Zeit, in der es vor dem Anpfiff auch mal einen Cognac gab zur Beruhigung der Nerven.
Das erste Tor? Hat natürlich Gerd Müller geschossen. Eins seiner 34 im Europapokal der Landesmeister, dem Vorläufer der Champions League. Es war ein ganz besonderes Tor. Nicht weil es so schön war, sondern weil es daheim keiner gesehen hat, und zum Schluss ist er dafür auch noch verprügelt worden.
Am Mittwoch spielt der FC Bayern im Viertelfinale der Champions League zum 23. Mal gegen Real Madrid. Zwölfmal haben die Münchner gewonnen, achtmal die Madrilenen, zwei Spiele endeten unentschieden, darunter auch das allererste, vor ziemlich genau 41 Jahren. Beim Halbfinal-Hinspiel im alten, noch nicht um seine Stehplätze bereinigten Estadio Santiago Bernabeu drängten sich am 31. März 1976 120 000 Zuschauer. Francos Tod hatte die Spanier gerade von der Diktatur befreit, und entsprechend lang und verwegen ließen Reals Spieler ihr Haar wachsen. Die längsten Mähne im königlich weißen Trikot aber trug ein Deutscher.
Günter Netzer kam selbstverständlich aus der Tiefe des Raumes, wie es das Feuilleton von ihm verlangte. Gleich am Anfang fand sein Pass jenseits der Mittellinie den alten Freund Franz Beckenbauer, und auch dem wurde offensichtlich nicht gewahr, dass sie beide jetzt gerade nicht miteinander in der deutschen Nationalmannschaft spielten. Beckenbauer ließ den Ball in der ihm eigenen Eleganz passieren, sehr zur Freude von Roberto Martinez, der ganz allein auf Sepp Maier zulief, und dann stand es auch schon 1:0 für Real.
Madrids zweiter Deutscher, der frühere Münchner Paul Breitner, hatte wegen eines Muskelfaserrisses passen müssen, aber das störte Real nicht weiter. Sepp Maier musste ein paar Mal in höchster Bedrängnis retten, was kaum noch zu retten war, aber irgendwie schaffte er es. Und dann kam Müller. 120 000 Zuschauer im Bernabeu sahen es, nicht aber die Kundschaft vor den Fernsehgeräten. Der spanische Kameramann litt einen Tick zu lang an einer vergebenen Chance von Martinez. Als er sein Objektiv wieder in die andere Richtung schwenkte, erwischte er gerade noch den Ball, wie er gerade ins Tor rollte. Es war noch nicht die Zeit der von allerlei Objektiven ausgeleuchteten Fußballplätze. Der mit Martinez trauernde Kameramann im Bernabeu hatte eine Monopolstellung, und deswegen bleibt das Münchner Premierentor gegen Real der Nachwelt auf ewig vorenthalten.
Müllers Ausgleich ging so: Langer Abstoß von Sepp Maier auf den Mittelfeldspieler Franz Roth, dessen Querpass Müller in der ihm eigenen Nonchalance aus nächster Distanz ins Tor schob. Es war dies das Signal zur völligen Umgestaltung des Spiels. Netzer wurde noch ein bisschen behäbiger und langsamer, was Real nicht gut bekam, denn nun war nur noch der FC Bayern am Zug. Einmal nur noch kam der Spanische Meister Erfolg versprechend vor das Tor, aber Martinez stolperte über die eigenen Beine und dann war das Spiel auch schon vorbei. Jedenfalls, was den offiziellen Part betrifft. Ein Madrider Fan hatte Martinez’ Ungeschicklichkeit als Münchner Foul interpretiert, er sprang über die hüfthohe Absperrung den Bayern entgegen und versenkte seine Faust im Gesicht von Gerd Müller.
Zur Rache traf Müller im Rückspiel zweimal, und Real gar nicht. Der FC Bayern stand im Finale von Glasgow. Dort gab es ein auch in dieser Höhe total unverdientes 1:0 über die schwer überlegenen Franzosen von AS Saint-Etienne. Das Tor schoss nicht Gerd Müller, sondern Franz Roth, und schon vor dem Spiel flößte Bayerns Trainer Dettmar Cramer dem hypernervösen Karl-Heinz Rummenigge einen Cognac ein, der glücklicherweise nicht auf der Dopingliste stand.
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Sven Goldmann