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David Kross als Bert Trautmann in dem Film "Trautmann".
© epd

Bernd Trautmann im Film: Falsches Spiel mit einer Legende

Bigger than Life: Der Kriegsgefangene Bernd Trautmann wurde als Torhüter bei Manchester City zur Legende. Marcus H. Rosenmüller hat die Geschichte verfilmt.

Beinahe wäre Bernd Trautmann bei Schalke 04 gelandet. Im Sommer 1952, ein Bekannter aus der Kriegsgefangenschaft hatte den Kontakt hergestellt. Trautmann fuhr aus Manchester ins Ruhrgebiet, er verhandelte mit Schalkes Präsident, plauderte mit den berühmten Schwagern Ernst Kuzorra und Fritz Szepan, die ihm als eine Art Handgeld die Übernahme einer Tankstelle anboten. Mehr ging damals nicht für einen Fußballer. Obwohl sich die Herren schnell einig waren, wurde nichts aus dem Wechsel. Als Ablösesumme forderte Manchester City 25.000 Pfund, umgerechnet 500.000 Mark, und so viel war den Schalkern ein in Deutschland weitgehend unbekannter Torwart dann doch nicht wert.

Das war schade für „Traut the Kraut“, er hätte sich schon ganz gern auf den Weg nach Hause gemacht, wäre wohl Nationalspieler geworden und vielleicht einer der Helden von Bern. Aber sein Gastspiel in Manchester wäre nur eine kurze Episode geblieben. Die Erinnerung an den ersten Deutschen in Englands höchster Liga, der zum Einstand abstieg, im zweiten Jahr den Aufstieg schaffte und im dritten auf Platz 15 landete. Nichts Besonderes.

Eine Jahrhundertgestalt

So aber wurde der widerwillig in Manchester gebliebene Trautmann zur Legende, zu einer Jahrhundertgestalt, die sie in England immer noch verehren. Bernd Trautmann, den sie dort seit seinen 15 Jahren bei Manchester City alle nur Bert nennen – das ist der Mann, der als Kriegsgefangener kam, freiwillig blieb und als Freund ging. Der in Hitlers Wehrmacht das Eiserne Kreuz bekam und von der Queen den Order of the British Empire. Der erste Torhüter, den Englands Presse zum Fußballer des Jahres wählte. Und, bis heute unvorstellbar: Der Teufelskerl, der sich 1956 im Cup Final das Genick brach und doch weiterspielte, Auswechslungen waren noch nicht erlaubt. In Trance warf sich der schwer verletzte Trautmann den anstürmenden Gegnern vor die Füße und rettete seiner Mannschaft den Sieg. Lange vor Boris Becker, Jürgen Klinsmann und Claudia Schiffer war Bernd Trautmann Englands Lieblingsdeutscher.

Diese Geschichte musste irgendwann verfilmt werden, seltsamerweise ist das erst jetzt geschehen, 63 Jahre nach Trautmanns größtem Spiel und sechs Jahre nach seinem Tod. Marcus H. Rosenmüllers „Trautmann“ kommt am 14. März in die Kinos, zwei Tage, nachdem Schalke und Manchester City an diesem Dienstag in der Champions League aufeinandertreffen. Was für eine schöne Koinzidenz. Nur passt das mit dem Film leider überhaupt nicht.

Rosenmüller hat aus einem weit über den Sport hinaus anrührenden Stoff ein kitschiges Melodram gemacht. Eine Lovestory mit ein bisschen Fußball und albernen Sätzen wie: „Ich hätte lieber mit dir getanzt, als auf dem Schlachtfeld zu stehen, aber ich hatte nicht die Wahl.“ David Kross („Der Vorleser“) als Bernd Trautmann vollführt zur Erbauung seiner Liebsten (Freya Mavor) mit dem Ball Ballettfiguren im Strafraum. Allein dafür wäre er in den späten Vierziger Jahren auf jedem englischen Fußballplatz nur knapp der Lynchjustiz entronnen.

Nun ist ein Spielfilm keine Dokumentation, er darf verdichten und auch ein bisschen dazuerfinden. Aber hätte Rosenmüller nicht über die Eckpunkte zwischen Kriegsgefangenschaft und Cup Final hinaus wenigstens ein Minimum an historischer Wahrheit einflechten können, noch dazu bei dieser großartigen Vorlage? Rosenmüllers Trautmann ist ein sanfter Teddybär, der mit den braunen Machthabern in der alten Heimat nie etwas zu tun haben wollte und an den rachsüchtigen Engländern verzweifelt. Der richtige Trautmann war groß und blond und aufbrausend, also genau so, wie man sich einen germanischen Nazi vorstellt. Jahrgang 23, groß geworden in der Hitler-Jugend, mit 17 meldet er sich freiwillig und gegen den Willen seiner Eltern zur Wehrmacht. Noch im Kriegsgefangenenlager findet er, dass Hitler durchaus Gutes auf den Weg gebracht habe, Autobahnen und Nationalstolz und so. Nicht er erobert die Herzen der Feinde, sie erobern seins. Etwa, als sie ihm gleich nach der Gefangennahme eine Tasse Tee anbieten. „Am Feind wurde nicht gespart. Das hat mich beeindruckt“, hat Trautmann mal erzählt. Im Film sagt der englische Lager-Kommandant zu den Gefangenen: „Wenn es nach mir geht, könntet ihr auf dem Hof euer eigenes Massengrab ausheben.“

Wahrheit und Fiktion

Auch bei anderen Gelegenheiten scheut Rosenmüller die historische Wahrheit – vielleicht, weil sie ihm zu verrückt erscheint. Trautmann war eben nicht von früher Kindheit an begeisterter Fußballspieler, der so lange Schularbeiten machen musste, dass er immer als Letzter auf dem Bolzplatz war und nur noch der Platz im Tor übrig war. Der richtige Trautmann hat zu Hause lieber Völkerball gespielt und ist auch ansonsten eine Sportskanone im furchtbaren Sinne des Wortes. Mit 15 gewinnt er bei den Olympischen Jugendspielen 1938 in Berlin unter anderem eine Silbermedaille im Granatenweitwurf. Ins Fußballtor findet er erst in England. Bei einem Spiel unter Kriegsgefangenen, als er sich am Bein verletzt und doch nicht aufhören mag, worauf er mit dem Torhüter den Platz tauscht – und nicht mehr verlässt.

Richtig unangenehm werden die Erfindungen des Drehbuchs, als Trautmann 1949 einen Vertrag bei Manchester City unterschreibt. Manchester hat eine große jüdische Gemeinde, und dort gibt es schwere Vorbehalte gegen die Rekrutierung des Kriegsgegners. Es folgen Demonstrationen vor dem Stadion und wütende Leserbriefe in den Zeitungen. Es ist dem Rabbiner Alexander Altmann zu verdanken, dass Trautmann diese Anfeindungen übersteht. Altmann hat einen Großteil seiner Familie in Auschwitz verloren und ruft doch zur Versöhnung auf: „Trotz der schrecklichen Grausamkeiten, die wir durch die Deutschen erlitten haben, sollten wir nicht versuchen, einen einzelnen Deutschen, der mit diesen Verbrechen nicht in Verbindung steht, aus Hass zu bestrafen. Wenn dieser Fußballer ein anständiger Kerl ist, sehe ich in ihm keine Bedrohung.“

Bernd Trautmann im Tor.
Bernd Trautmann im Tor.
© picture alliance/dpa

Im Film bittet Manchester Citys Vorstand den Rabbi um diese Gefälligkeit, aber der schlägt sie aus mit der Begründung: „Einen Nazi in die Mannschaft aufzunehmen, lag in Ihrer Verantwortung.“ Erst als Trautmanns englische Ehefrau im Vereinslokal eine emotionale Rede hält und dafür niedergebrüllt wird, besinnt sich der Rabbi und schlägt sich auf die Seite des Deutschen. Rosenmüllers Film entwertet Altmanns große Geste. Das ist genauso unanständig wie die Unterstellung, Trautmann habe im Krieg nicht die Ermordung eines ukrainischen Jungen durch einen sadistischen Soldaten verhindert, obwohl das problemlos möglich gewesen wäre. Dafür gibt es keinen einzigen Beleg, und Trautmann hat sich in seinen späten Jahren sehr offen und ausgiebig zu seiner Vergangenheit im braunen Deutschland geäußert.

"Ein bisschen wie Zahnschmerzen"

Das mit dem kleinen Jungen gefällt Rosenmüller aber so gut, dass er ihn schwarzgelockt und mit traurig-anklagendem Blick immer wieder mal vor Trautmanns geistigem Auge über die Leinwand laufen lässt. Auch ganz zum Schluss, nach dem großen Cup Final am 5. Mai 1956 mit Manchester City gegen Birmingham City. Trautmanns Genickbruch nach der fatalen Parade ist einen Tick zu dramatisch dargestellt. Er liegt nicht bewusstlos im Strafraum und bricht auf dem Weg in die Kabine auch nicht zusammen. Als Prinz Philip sich bei der Siegerehrung nach seinen Schmerzen erkundigt, antwortet Trautmann: „Nicht so tragisch, ein bisschen wie Zahnschmerzen.“

Egal, bei derart bewegenden Momenten hat das Kino alles Recht der Filmwelt zur Übertreibung. Auch dass der tragische Unfalltod seines Sohnes zeitlich vorgezogen und von dem im Krankenhaus liegenden Torwart live am Telefon miterlebt wird – geschenkt. Unerträglich wird es erst, als wieder der dunkelgelockte Junge durch das Bild hüpft und Trautmann den gerade erlittenen Verlust als gerechte Sühne für sein indirekt begangenes Verbrechten akzeptiert: „Dieser Junge wurde nicht gerettet, und jetzt wird mir der Sohn genommen.“

Wäre Bernd Trautmann 1952 zu Schalke gegangen, würde dem Fußball heute eine seiner ganz großen Geschichten fehlen. Aber der Nachwelt wäre dieser ärgerliche Film erspart geblieben.

Sven Goldmann

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