Olympische Spiele: Fabian Hambüchen: „Ich dachte, ich turne nie wieder“
Für Fabian Hambüchen sind die Sommerspiele die letzten. Doch fast hätte es der 28-Jährige wegen einer Verletzung nicht geschafft. Nun freut er sich auf Rio und ein Leben ohne Sport.
Herr Hambüchen, die Spiele in Rio werden Ihre vierten sein – und Ihre letzten. Ihr Karriereende danach ist beschlossen. Wird es Ihnen schon schwer ums Herz?
Klar, wenn ich an Olympia denke, ist schon leichte Wehmut dabei. Alles, was ich jetzt so als Sportler mache, wird das letzte Mal sein. Aber der Kopf ist ziemlich auf den Wettkampf fokussiert. Ich freue mich einfach, noch einmal dabei sein zu können. Ich freue mich aber auch auf die Zeit danach.
Was werden Sie am meisten vermissen?
Die Menschen. Man kennt die Leute, man hat viele Freunde gefunden. Es ist schön, dass ich das jetzt noch einmal in so großem Rahmen genießen kann.
Lange sah es so aus, als würde Ihnen dieser Genuss verwehrt bleiben. Nach einem Trainingssturz verschlimmerte sich ihre Sehnenreizung in der Schulter. Es schien, als hätten Sie Olympia aufgegeben.
Das stimmt. Ich hatte Rio aufgrund meiner Schulter schon abgeschrieben. Ich war ein halbes Jahr raus und konnte nicht mehr trainieren – Olympia hatte ich in der Zeit überhaupt nicht mehr auf dem Schirm. Um ehrlich zu sein: Ich dachte nicht, dass ich überhaupt noch einmal turnen würde.
Wie haben Sie die Schulter wieder fit bekommen?
Ich war dann bei Doktor Müller-Wohlfahrt in München in Behandlung, und wir haben das echt gut hingekriegt. Das hat eine längere Zeit gedauert, ich habe Geduld lernen müssen. Doch irgendwann habe ich gemerkt: Ich könnte es vielleicht noch schaffen. Kurz vor den Deutschen Meisterschaften war ich schon beinahe bei 100 Prozent. Da dachte ich: Wenn das jetzt läuft, dann hat der Trainer allen Grund, mich mitzunehmen.
Mit wie viel Prozent können Sie im Wettkampf turnen?
Jetzt ist es so gut, dass ich die Schulter wieder voll belasten kann. Ich habe mich auf drei Geräte fokussiert und komme damit echt gut klar.
Wie viel war Spaß, wie viel Quälerei?
Es war schon hauptsächlich Spaß. Es war toll zu sehen, wie ich mich von Woche zu Woche gesteigert habe und immer fitter wurde, wie ich wieder an die alte Form herankam. Ich konnte ja lange Zeit fast gar nichts machen mit der Schulter. Auch im Alltag war ich völlig eingeschränkt und hatte bei jeder Kleinigkeit Probleme. Die Schulter hat wahnsinnig wehgetan, den rechten Arm habe ich teilweise nicht höher als 45 Grad bekommen, später ging er nur bis zur Schulter. Ich konnte nicht mehr gescheit schlafen, egal in welcher Position ich es versucht habe. Da war es geil, dass es dann auf einmal wieder ging und ich machen konnte, was ich ein Leben lang gemacht habe.
Welche Ziele haben Sie sich nach Silber am Reck in London für Ihre letzten Spiele gesteckt? Ist Ihr Ehrgeiz einer gewissen Abschiedsmilde gewichen?
Wettkampf ist Wettkampf. Da willst du dein Bestes geben. Wir haben zwar nicht das konkrete Ziel, eine Medaille holen zu müssen. Aber wir wollen unsere Übungen so darbieten, wie wir das im Training geübt haben.
Und außerhalb des Wettkampfs? In der Verletzungspause zeigten Sie sich sehr distanziert zum Sport und klangen nachdenklich. Haben Sie einen anderen Blick auf Olympia, jetzt, wo das Ende naht?
Klar, ich werde natürlich versuchen, hier in Rio alles sehr intensiv wahrzunehmen. Es ist eben mein letztes Mal. Bei den Spielen in London war ich auch außerhalb der Halle sehr, sehr auf den Sport fokussiert und konzentriert. Jetzt will ich gucken, dass ich noch mal alles genieße, was es da noch so gibt. Ich will die Stimmung aufsaugen und mit offenen Augen durch die Weltgeschichte laufen.
Freuen Sie sich auf ein Leben ohne Sport?
Total. Allein die Situation, dass ich jetzt auch schon wieder fast zwei Monate von zu Hause weg bin, das ist belastend. Das wird dann im Normalfall nicht mehr so passieren. Vielleicht werde ich mal für ein paar Auftritte zwischendurch weg sein, aber nicht mehr so lange am Stück. Darunter leidet ja nicht nur mein Privatleben und die Beziehung. Es zehrt ja auch an den Kräften, wenn man immer so lange unterwegs ist und über so lange Zeiträume fokussiert und konzentriert sein muss. Ich freue mich schon riesig auf die Freizeit, die ich dann hoffentlich mehr habe. Auf die Sachen, die ich dann unternehmen kann.
Und was wird das sein?
Beruflich habe ich mich noch nicht festgelegt. Es gibt viele Anfragen in Richtung Fernsehen und Medien. Die würde ich gern wahrnehmen, weil ich dann endlich auch ein bisschen Zeit dafür habe. Ich musste bisher vieles absagen, weil es wegen des Trainings nicht passte. Wichtig ist, dass ich erst einmal mein Studium abschließe, das hat Priorität Nummer eins. Das wird sicher in den nächsten zwei bis drei Semestern passieren. Da habe ich dann auch genug Zeit, darüber nachzudenken, was ich denn genau machen möchte. Und dann mache ich das, was ich für richtig halte.
Haben Sie sich schon ein Hobby ausgesucht, das Sie dann auffängt?
(lacht) Das ist ja die Sache. Ich konnte ja bisher nicht einmal ein Hobby entwickeln, es war ja nie die Zeit dafür. Ich wüsste jetzt auf Anhieb nichts, wo ich sage würde: Oh, da steigerst du dich jetzt rein! Ich hoffe und glaube, das wird dann alles mit der Zeit so kommen.
Christian Hönicke