Olympia 2016: Finale trotz Kreuzbandriss: Andreas Toba wird als Turn-Held gefeiert
Eine falsche Landung, ein Stechen im Knie und alles ist vorbei - denken alle. Doch Andreas Toba turnt mit gerissenem Kreuzband weiter und bringt das deutsche Team so ins Finale.
Andreas Tobas Stimme zitterte noch immer. „Der körperliche Schmerz ist auszuhalten“, sagte er und blickte hinunter auf sein rechtes Knie. „Die Schmerzen in meinem Herzen, in meiner Seele, sind unbeschreiblich.“
Dabei hatte Toba allen Grund, stolz auf sich zu sein. Im bittersten Moment seiner Karriere hatte er den Schmerz besiegt, den physischen und den seelischen, und eine kleine olympische Heldentat vollbracht. Trotz einer schweren Knieverletzunf, die er sich in der Turn-Qualifikation am Samstag zugezogen hatte, trat er für das deutsche Olympia-Team am Pauschenpferd an.
Wie der DOSB am Abend mitteilte handelt es sich um "eine komplexe Knieverletzung mit unter anderem einem Riss des vorderen Kreuzbandes und einer Verletzung des Innenmeniskus".
"Es hat im Knie geknackt"
„Jeder, der einmal einen Kreuzbandriss hatte, weiß, wie schmerzhaft das ist“, sagte Turn-Cheftrainer Andreas Hirsch später. „Umso höher ist es einzuschätzen, dass er sich zurückgemeldet hat, um der Mannschaft zu helfen. Hut ab!“ Dank Tobas Übung erreichten die deutschen Männer doch noch Rang acht mit knappem Vorsprung vor der Schweiz - und damit das Teamfinale.
Eigentlich war Tobas persönlicher Olympiatraum zu dem Zeitpunkt längst geplatzt. Der Deutsche Meister wollte unbedingt das Finale im Mehrkampf erreichen, „dafür habe ich vier Jahre lang geackert“. Er war auf gutem Kurs, bis er am Boden bei einer Landung einen stechenden Schmerz verspürte. „Es hat im Knie geknackt, ich habe sofort gemerkt, dass etwas kaputt ist“, sagte Toba. „Ich konnte es noch beugen, ich dachte, vielleicht habe ich Glück gehabt.“ Schon kurz darauf erhielt der 25-Jährige aber die erschütternde Diagnose: Kreuzbandriss. Tränen.
„Ich war nicht tapfer. Ich habe geheult wie ein Schuljunge“, sagte Toba später. Selbst seine Kollegen schluchzten mit ihm. „Ich weiß, wie hart er dafür gekämpft hat, sich seinen Traum zu erfüllen“, sagte Marcel Nguyen. „Da konnte ich mir selbst die eine oder andere Träne nicht verkneifen, obwohl der Wettkampf noch lief.“
Comeback am Pauschenpferd
Doch als die ersten Tränen getrocknet waren, erwachte in Andreas Toba der Kampfgeist. „Als ich auf der Pritsche lag, ging mir durch den Kopf: Du musst dem Team helfen.“ Denn als nächstes Gerät stand das Pauschenpferd an, an dem er mit großem Abstand der beste der vier deutschen Turner ist. Hirsch: „Das ist unser Problemgerät.“
Um die Mannschaft irgendwie ins Finale zu bringen, überlegte sogar Fabian Hambüchen kurzzeitig, am ungeliebten Pferd einzuspringen, obwohl er dafür gar keine Übung parat hatte. Doch dann meldete sich jemand, mit dem niemand gerechnet hatte. „Ich habe gesagt: Ich turne!“, erzählte Andreas Toba. Der Trainer fragte ihn, ob er das ernst meine. „Aber Andi wollte unbedingt, er hat die Zähne zusammengebissen“, erzählte Hirsch. „Er hat sich behandeln lassen und wir haben gesehen, dass es geht.“
Toba holt die entscheidenden Punkte
Die Wettkampfleitung sah das zunächst ganz anders. Sie hatte Toba schon aus dem Wettbewerb gestrichen. Erst nach längeren Diskussionen durfte der Hannoveraner ans Pferd humpeln. Dort erturnte er trotz seines gerissenen Kreuzbands 14,233 Punkte, den besten Wert der Deutschen. „Das sind die Punkte, die uns am Ende ins Teamfinale gebracht haben“, sagte Hirsch. Den Abgang stand Toba auf einem Bein. „Der Abgang war gar nicht so schmerzhaft“, sagte Toba. „Zwischendurch bei den Scheren war es schlimmer. Da ist halt kein Kreuzband mehr, das irgendwas hält, da macht es klack-klack. Sehr unangenehm.“
Dennoch ist Andreas Toba fest entschlossen zu weiteren heroischen Taten. „Wenn es geht“, sagte er, „würde ich auch im Teamfinale turnen.“ Andreas Hirsch hat die Bewerbung vernommen. Der Trainer erklärte, er werde einen Finaleinsatz von Toba am Montag auf dem Pauschenpferd in Erwägung ziehen. Was soll er auch sonst sagen? Einem Helden schlägt man keine Wünsche ab.
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