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Innsbruck in der Bundesliga. Die Alpenvolleys sind in Österreich zuhause, spielen aber in der deutschen Volleyball-Bundesliga.
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Sportliche Heimat im Ausland: Europa ohne Grenzen

Innsbruck spielt in der deutschen Volleyball-Bundesliga, Tilburg gewann schon den Titel der deutschen Eishockey-Oberliga – Europa rückt im Profisport zusammen.

Eishockey ist in Bozen eine große Nummer, so etwas gibt es in Italien nur in Südtirol. Ende April 2018 feierten in der Innenstadt mit Public Viewing Tausende Menschen auf den Straßen eine große Party, der HC Bozen war Eishockeymeister geworden. Mit einem knappen 3:2-Sieg im letzten Finalspiel – in Salzburg, Österreich. Zwei Länder, eine Liga. So etwas gibt es auch im Volleyball. Wenn Hannes Kronthaler über die Vorteile seines Projektes spricht, ist der Geschäftsmann aus Tirol kaum zu stoppen. Vor zwei Jahren schaffte es Manager Kronthaler, seinen Klub aus Innsbruck per Wildcard in die deutsche Volleyball-Bundesliga zu hieven. „Das war die beste Idee, die ich je hatte. Wir spielen in einer zehnmal so guten Liga, haben zehnmal mehr Wirtschaftskraft und zehnmal so viele Zuschauer“, sagt er.

Dabei ging der Sprung nach Deutschland nicht so reibungslos vonstatten und ist durch die Krücke gestützt, dass die „Tirol Alpenvolleys Haching“ ein gemeines Konstrukt mit dem ehemaligen Bundesligisten TSV Unterhaching sind. Unter dessen deutscher Verbandslizenz sind sie auch verpflichtet, einen Teil der Heimspiele in der Nähe von München zu absolvieren. Aber in der Realität ist es so, dass die Alpenvolleys als Klub aus Innsbruck wahrgenommen werden. In Unterhaching gibt es ja schließlich auch keine Alpen. In der deutschen Liga ist der Klub nach Berlin und Friedrichshafen die starke dritte Kraft geworden. Es ist möglich, dass der Deutsche Meister bald einmal auch aus Österreich kommt. In dieser Saison sind die Alpenvolleys im Halbfinale an den BR Volleys gescheitert, für das nächste Jahr peilt Kronthaler „in jedem Fall das Meisterschaftsfinale an“.

Die Innsbrucker sind ein prägnantes Beispiel einer noch kleinen Entwicklung im europäischen Profisport. Europäische Wettbewerbe gibt es schon lange, doch der FC Liverpool oder der FC Barcelona spielen eben unter ihren Verbänden in Ligen in England und Spanien, die Champions League ist ein gesonderter Wettbewerb. Was aber ist, wenn in Mannschaftssportarten die Ländergrenzen im Ligenbetrieb verschwinden: Wird das immer normaler oder sind es Experimente, die auch Nachteile mit sich bringen?

Wie im Volleyball ist Österreich auch im Eishockey ein Vorreiter. Weil es im Land nicht genügend Klubs gab, die auf einem hohen Niveau spielen konnten, wurde die sogenannte „EBEL“ zur Saison 2006/2007 umstrukturiert und öffnete ihre Grenzen für andere Verbände: Vergangene Saison nahmen neben acht österreichischen Klubs auch Teams aus Tschechien, Italien, Slowenien und Kroatien am Spielbetrieb teil. Der HC Bozen gewann gleich in seinem ersten Jahr 2014 in der Liga den Titel, durfte sich allerdings nicht Österreichischer Meister nennen, sondern nur Meister der „EBEL“. Der nationale Titel ging an Salzburg – nach der Niederlage im letzten Finalspiel bekamen die Salzburger Profis dafür sogar eine Medaille umgehängt und sahen trotzdem recht unglücklich aus. Im Jahr 2018 wiederholte sich dann die Geschichte. Der Gewinn der italienischen Meisterschaft, Bozen holte sie vor 2014 beachtliche 19 Mal, hätte die Menschen in der Stadt weniger interessiert, weil sie eben nicht den Wert gehabt hätte angesichts der schwächeren Konkurrenz als in Österreich.

Tilburgs Weg in die DEL2 wird von Statuten versperrt

Dass die an sich beste Mannschaft als Klub aus dem Ausland nicht mit allen Titelehren ausgezeichnet wird, kennen auch die Tilburg Trappers zu gut. Der Klub aus der niederländischen Provinz Noord-Brabant spielt seit 2015 in der dritten deutschen Eishockeyliga. Formal wären die Niederländer als Meister schon längst aufgestiegen, doch der Weg von der Oberliga in die zweite Liga, die DEL2, ist aufgrund von Statuten versperrt. Die Niederlande sind keine Eishockeynation und vom Sprung ins Nachbarland hat der Klub profitiert. Dabei glaubte der erste Vorsitzende Ron van Gestel vor vier Jahren noch, dass seine Spieler „noch viel lernen müssen“ und sah sein Team als Außenseiter in Deutschland. Zuvor hatten die Tilburger in der Eredivisie mit nur fünf Klubs (darunter war auch ein belgischer) gespielt.

In der deutschen Oberliga Nord sind die Trappers allerdings nicht nur beliebt, wohl weil sie so stark spielen. Uli Egen, Trainer von Ligakonkurrent Füchse Duisburg und zuvor auch lange als Trainer in den Niederlanden aktiv, kann das nicht verstehen. „Tilburg hat das Niveau der Liga gehoben, die beleben das Geschäft und zu ihren Auswärtsspielen in Nordrhein-Westfalen bringen sie Hunderte Fans mit.“ Die Konkurrenz würde von den Trappers nur profitieren, glaubt Egen. Trotzdem hat die Oberliga Nord die Gastlizenz für die Niederländer jüngst wieder nur um ein Jahr verlängert.

Umsonst? Egal wie oft die Tilburg Trappers jubeln - derzeit können sie den Aufstieg auf Grund von Statuten nicht erreicht.
Umsonst? Egal wie oft die Tilburg Trappers jubeln - derzeit können sie den Aufstieg auf Grund von Statuten nicht erreicht.
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Internationale Verzahnung ist die Gegenwart des Eishockeys, in der internationalen russischen Liga KHL spielen unter anderem Klubs aus Finnland, der Slowakei und China mit. Und Klubs aus Österreich spielen unterhalb der „EBEL“ auch in der „Alps Hockey Liga“, in der unter anderen auch italienische Teams ihre Heimat haben. Im Basketball funktioniert ein ähnliches Modell seit 2001 auf dem höchsten Niveau. In der Adria League spielen Vereine aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Serbien sowie Slowenien um die Basketball-Meisterschaft. Die Klasse gehört zu den stärksten in Europa, agiert unter einem eigens gegründeten Verband, der Adriatic Basketball Association. Allerdings kämpfen einige Klubs nebenbei noch in der Heimat um Titel. Insofern ist dieses Konstrukt etwas anders, die Alpenvolleys etwa können eben nicht Meister in Österreich werden, weil sie dort nicht im Verband sind.

Im Fußball finden sich solche Beispiele selten, sie betreffen oft nur die kleineren Nationen. Alle sieben Liechtensteiner Klubs nehmen am Schweizer Ligensystem teil, weil es in dem kleinen Land keine eigene Klasse gibt. Der FC Büsingen aus Deutschland und AP Campionese (Italien) spielen in der Schweiz, sie sind Enklaven und von Schweizer Grenzen umgeben. Auf seiner Internetseite preist sich der FC Büsingen als „der deutsche Fußballverein in der Schweiz und der schweizerische Fußballklub in Deutschland“ an. Andersherum geht es auch: Der SV Kleinwalsertal aus Österreich hat schon in einer Liga im Allgäu mitgespielt. Aber Büsingen und Kleinwalsertal sind Ausnahmen. Wie auch auf hoher Ebene AS Monaco. Der Klub hat seit Jahren in Frankreichs erster Liga seine Heimat, als ein spezieller Fall zu sehen ist: Eine monegassische Meisterschaft auf Spitzenniveau auszuspielen, ist undenkbar. Immerhin wurde Monaco schon fünfmal Französischer Meister.

Italiens Eishockeyliga ist zu einer besseren Hobbyliga verkommen

Der Exodus der Elite in eine fremde Liga kann die Sportart im eigenen Lande aber auch viel Kraft kosten. Die erste italienische Eishockeyliga muss seit fünf Jahren auf Rekordmeister Bozen verzichten. Der Umzug in die Liga der Österreicher scheiterte daher lange am heftigen Widerstand des italienischen Verbandes. Da inzwischen weitere Mannschaften aus Italien in der „Alps Hockey League“ spielen, ist die erste italienische Eishockeyliga zu einer besseren Hobbyliga verkommen, mit sinkenden Zuschauerzahlen und minderer Wirtschaftskraft. Wer rausgeht, der macht das ja schließlich, weil er sich auf jeder Ebene verbessern will.

So hatten die Alpenvolleys jüngst bei einem Halbfinal-Heimspiel gegen Berlin 2400 Zuschauer in der Halle. In der österreichischen Liga wäre so etwas nahezu unmöglich, sagt Manager Kronthaler. „Auf dieser Ebene haben wir ein unglaubliches Ziel erreicht.“ Kronthaler glaubt, dass seine Idee keine Ausnahme bleiben wird auf lange Sicht. Für Klubs aus kleinen Ländern sei der Umzug in eine Liga eines anderen, strukturstärkeren Landes immer ein Aufstieg und im Falle der Alpenvolleys sei es auch gut für die Volleyball-Bundesliga. „Sonst hätten Berlin und Friedrichshafen dort einen starken Konkurrenten weniger.“

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