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Uwe Krupp, 49, gewann 1996 als erster deutscher Spieler in einer nordamerikanischen Profiliga einen Titel. Als Nationalcoach führte er Deutschland 2010 ins WM-Halbfinale. Später trainierte er die Kölner Haie, bevor er im Dezember einen Vertrag bis 2017 bei den Eisbären unterschrieb.
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Eisbären-Trainer Uwe Krupp im Interview: "Erwartungen wie sonst nur beim FC Bayern"

Uwe Krupp spricht über den schwierigen Wandel vom erfolgreichen Spieler zum guten Trainer und über den Druck, der auch diesmal wieder vor den Play-offs auf den Eisbären Berlin lastet.

Herr Krupp, Ihre Karriere ist bis heute die erfolgreichste eines deutschen Eishockeyspielers. Das Bild, wie Sie die Trophäe nach dem Gewinn des Stanley Cups in der NHL in die Luft recken, ist bekannt. Wie wichtig ist das für Ihr Selbstverständnis?

Natürlich ist mir das noch wichtig. Aber dass ich irgendwann mal in einem entscheidenden Spiel ein entscheidendes Tor geschossen habe, mit der Anekdote kann ich einen Grillabend bereichern. Aber als Trainer bei einem Auswärtsspiel in Straubing hilft es mir weniger.

Sie haben mal gegen Ende Ihrer Spielerkarriere gesagt, dass es nicht Ihr Ziel sei, 25 Jahre alten Millionären beizubringen, wie sie den Schläger zu halten haben. Warum haben Sie Ihre Meinung geändert, als sich der Deutsche Eishockey-Bund bei Ihnen vor gut zehn Jahren meldete?

Das ging ja schon früher los. Mein erster Schritt war im Nachwuchs. Mit zehn- und zwölfjährigen Jungen und Mädchen. Im Nachwuchs geht es ja nicht nur um Sport, sondern auch um Persönlichkeitsentwicklung. Da hat man eine Lehrer- und Vorbildfunktion. Man muss selbst vorführen können, wie Sachen gemacht werden. Franz Reindl, damals Sportdirektor beim DEB, hatte Wind davon bekommen, dass ich meine Trainerausbildung in den USA machte, und lud mich nach Füssen ein. Dort bin ich mit der U-16-Nationalmannschaft und ihrem Trainer Jim Setters aufs Eis gegangen.

Und wenig später kamen Sie zur Nationalmannschaft.

Nach der WM 2005 in Wien hat mich Uli Esken, der damalige Präsident des DEB, zu einem Treffen mit ihm und Greg Poss eingeladen. Poss hat mich gefragt, ob ich dazu Lust hätte, sein Assistent zu werden. Zu dem Zeitpunkt hatte ich immer noch meinen Hauptwohnsitz in Nordamerika, und die Kotrainer-Rolle erlaubte mir, zu pendeln. Ich konnte mir damals nicht so richtig vorstellen, dass ich wieder nach Deutschland zurückgehe. Aber es hat sich dann eben so ergeben. Poss bekam ein Angebot aus Mannheim ...

... und sechs Wochen später standen Sie bei den Olympischen Spielen in Turin als Bundestrainer hinter der Bande.

Das war eine große Aufgabe. Ich hatte schon eigene Ideen, aber bei der Logistik und Trainingssteuerung ist die Nationalmannschaft etwas ganz anderes. Ich hatte in der NHL viele Trainer erlebt und schon eine Vorstellung, wie ich als Headcoach spielen lassen wollte. Das war weder ein völlig defensives System, wie es in Deutschland damals populär und erfolgreich war, noch ein ganz offensives System, in dem man hinten sehr viele Löcher hat – so wie zum Beispiel bei den Eisbären in den ersten Jahren unter Pierre Pagé gespielt wurde. Ich wollte eine Mischung aus beidem.

Es heißt, die Deutschen können beim Eishockey nur mauern.

Die Nationalmannschaft hatte damit unter Hans Zach große Erfolge. Sie hat dadurch international einen gewissen Ruf bekommen. Ich glaube, dieses System war auch ein bisschen aus der Relation Spielstärke unserer damaligen Nationalmannschaft und internationalem Niveau gewachsen. Dieser Stil gab uns in fast jedem Spiel eine Chance für eine Überraschung zu sorgen.

Unter Ihnen als Bundestrainer änderte sich das. Bei den Weltmeisterschaften 2010 und 2011 erreichten Sie das Halb- und Viertelfinale. Nach Ihrem Wechsel zu den Kölner Haien ging es bergab. Ist das Nationalteam Ihr unvollendetes Projekt?

Meine Zeit als Nationaltrainer mag unvollendet erscheinen, aber ich hatte das Gefühl: Wir können jetzt weiter zwischen Platz zehn und dem Viertelfinale plätschern, oder wir müssen andere Spieler haben oder uns einen Vorteil gegenüber den anderen Nationen verschaffen. Diese Perspektive gab es damals nicht.

Herr Krupp, was macht einen Trainer im Unterschied zu einem guten Spieler aus?

Als Trainer hat man einen gewissen Führungsstil. Man kann die Atmosphäre in der Mannschaft beeinflussen, wenn man länger mit einer Mannschaft arbeitet. Aber ob der Torwart den Puck fängt oder danebengreift, ob ein Spieler das Tor trifft oder nicht – in diesen Momenten bin ich als Trainer genau wie jeder andere in der Halle Zuschauer.

Wie schwer ist es für einen ehemaligen Weltklasseverteidiger, nicht mehr selbst ins Spiel eingreifen zu können?

Das war für mich am Anfang schwer zu akzeptieren. Als Trainer willst du immer mehr machen, um der Mannschaft zu helfen. Es kommt ein Punkt, an dem man sich zurücknehmen muss und an dem die Verantwortung bei den Spielern liegt.

Sehen Sie sich selbst eher als Motivator oder als Taktiker?

Ein guter Trainer muss beides können. Man darf nicht in eine Situation kommen, in der man vorgeführt wird, weil die andere Mannschaft etwas macht, was es noch nie gegeben hat. Und da sind natürlich auch Anspruch und Realität ein Thema: Wir haben zum Beispiel bei den Eisbären eine junge Verteidigung. Ich kann nicht erwarten, dass Jonas Müller oder Kai Wissmann die Rolle von Frank Hördler übernehmen. Wenn wir diese Spieler trotzdem in so eine Rolle stecken, müssen wir erwarten, dass es da auch Misserfolge geben kann. Das erleben wir im Moment ein wenig. Wir haben Spieler in Rollen, die sehr groß für sie sind.

Sie haben mit den Eisbären die direkte Qualifikation für die Play-offs verpasst. Wie schmerzhaft ist das?

Nach der Niederlage in Schwenningen vor einer Woche hat die Mannschaft zum ersten Mal erlebt, dass ich sauer war. Weil ich glaubte, dass die Niederlage im höchsten Maße unnötig war. Da sollen die Spieler schon sehen, dass ich stocksauer bin, aber dann ist es auch vorbei. Ich schleppe das nicht am nächsten Tag durchs Hotel. Ich bin nicht nachtragend, das kann ich mir auch nicht erlauben, weil wir ja wieder spielen müssen.

Hilft Ihnen da Ihre Erfahrung als Spieler?

Ich habe als Verteidiger auch Fehler gemacht, und Fehlentscheidungen in dieser Position führen zu Gegentoren. Nach einer Niederlage, die ich mit einem Fehlpass verschuldet hatte, habe ich erlebt, dass der Trainer mich abends in der Tiefgarage ansah und wortlos an mir vorbeiging. Aber ich habe in meinen 17 NHL-Jahren auch Trainer wie Al Arbour erlebt, der hat in einer ähnlichen Situation gesagt: „Na und? Wir trainieren jetzt gut, und am Samstag ziehen wir Boston das Fell über die Ohren.“ Und wenn er mir dann gesagt hätte, der gegnerische Torwart spielt das Spiel nicht zu Ende, wäre ich ohne mit der Wimper zu zucken rausgegangen und hätte den Torwart zusammengefahren. Ich hätte ein Höchstverbrechen begangen.

Wie würden Sie die Situation beschreiben, die Sie bei den Eisbären vorgefunden haben? Der Klub hat das deutsche Eishockey ein Jahrzehnt lang dominiert.

Das ist hier schon eine andere Situation als in Köln. Da wollte ich mittel- und langfristig arbeiten. Hier in Berlin gibt es eine ganz interessante Mischung. Wenn man in neun Jahren sieben Mal Meister wird, gibt es Erwartungen, die in Deutschland ohnegleichen sind. Nur bei Bayern München gibt es ansonsten so eine Erwartungshaltung. Diese Art von Umfeld kann entweder motivierend wirken oder dir in einer Drucksituation komplett das Selbstbewusstsein nehmen. Ich glaube, dass diese Mannschaft sich im Moment neu definieren muss.

Wie könnte das aussehen?

Du hast keinen Vorsprung mehr, auch wenn du als Spieler an den Erfolgen der Vergangenheit einen Anteil hattest. Wir fangen die Spiele nicht mit 3:0 an, nur weil wir die Eisbären Berlin sind. Wir beginnen bei 0:0, und jeder will sich mit dir messen und kämpft bis aufs Messer. In dieser Situation muss sich in der Mannschaft auch eine gewisse Hartnäckigkeit und Entschlossenheit entwickeln, um mit diesem unerwarteten Gegenwind zu wachsen. Die Spieler müssen individuell wachsen, aber auch als Mannschaft zusammenwachsen, um als Kollektiv eine Leistung zu erreichen, die sie sich vielleicht nicht zugetraut haben.

Die Eisbären stehen genauso für Erfolg wie Uwe Krupp. Diese Mischung muss doch Erfolg haben.

Als Trainer muss ich mich davon klar abgrenzen und das auch der Mannschaft vermitteln. Die sachlichste Art, die schlechten Ergebnisse der vergangenen Wochen zu begründen, ist unsere Verletztenliste. Alles andere ist Emotionalität und eine gewisse Unsachlichkeit. Ohne sechs Stammspieler sind wir keine Spitzenmannschaft mehr. Ich werde oft gefragt: Kann diese Mannschaft noch Deutscher Meister werden? Ich sage dann: keine Ahnung. Wir sind in den Pre-Play-offs, und das wird knüppelhart. Und um weiter zu schauen als bis zum ersten Spiel in den Pre-Play-offs, bräuchte ich eine Glaskugel. Dafür bin ich nicht der Richtige. Aber man weiß nicht, wo es hingeht, wenn man einen Lauf hat.

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