Cunha fehlt am nächsten Spieltag: Erst Derby-Sieg, nun Blick auf Mönchengladbach
Lange Zeit fiel Hertha BSC nicht viel ein, bis Krzysztof Piatek das Spiel drehte. Bruno Labbadia hofft auf eine Initialzündung für den Torjäger.
Als das Freitagabendspiel gelaufen war, lief Matteo Guendouzi auf direktem Weg in die Ostkurve des Olympiastadions. Dort, wo für gewöhnlich die Fans von Hertha BSC sitzen. Normalerweise. Doch was ist schon normal in Tagen der Coronavirus-Pandemie, und was ist schon normal daran, dass Hertha ein Heimspiel gewinnt? Der Franzose Guendouzi weiß noch gar nicht, wie es sich anfühlt, wenn die Ostkurve rappelvoll besetzt ist. Der 21-Jährige ist ja erst Anfang Oktober als Leihgabe vom FC Arsenal nach Berlin gekommen.
Ein paar seiner Mitspieler wie der zweifache Torschütze Krzysztof Piatek und Niklas Stark hielten Guendouzis Vorstoß in die menschenleere Kurve für einen ganz guten Einfall und eilten ihm als erste nach. Sie machten dort ein paar freudige Mätzchen, wie sie Fußballer für gewöhnlich nach Siegen eben so machen. Guendouzi warf sogar noch sein Trikot in den Rang – Party ohne Publikum.
Die Freude der Herthaner über diesen 3:1-Derbysieg gegen den 1. FC Union ist durchaus verständlich. Er verhindert nicht nur einen Absturz in den krisenhaften Klassenkampf, sondern darf den so schwach gestarteten Herthanern Mut und Zutrauen verleihen. „Das wird uns einfach gut tun“, hatte Bruno Labbadia nach Spielende gesagt. „Die drei Punkte sind das Wichtigste, weil uns das in der Entwicklung einen Schub geben kann“, sagte Herthas Trainer. Seine Mannschaft habe das Spiel zwar „nicht auf einem Top-Niveau bestritten“, doch gerade deshalb sei es wichtig, „dass man als Sieger vom Platz geht“.
Das kann man wohl sagen, es war keinesfalls eine grandiose Leistung, die Hertha gegen den Stadtrivalen bot. „Ich bin weit davon entfernt zu sagen, wir haben ein Klassespiel gemacht“, sagte Labbadia anderntags. Der 54-Jährige erinnerte an das 1:1 gegen Wolfsburg von Anfang November, als seine Mannschaft ein wirklich gutes Heimspiel ablieferte, den Gegner beherrschte, ihn aber eben nicht schlagen konnte.
Mit Piatek und Dilrosun kam mehr Schwung und Variabilität
Gegen die Köpenicker zeigte Hertha über weite Strecken wieder, wie schwer es der Mannschaft mitunter fällt, wenn sie ein Spiel machen muss. Dem Aufbauspiel mangelte es an Tempo und Klarheit, dem Mittelfeld an Kreativität und Raffinesse, der Offensive an Beweglichkeit und Durchschlagskraft. „Unser Positionsspiel war gerade in der ersten Halbzeit nicht gut“, sagte Labbadia. „Wir hatten unsere Flügel nicht so besetzt, wie wir das vor hatten. Insofern war es in der ersten Halbzeit recht einfach, gegen uns zu verteidigen.“ In der Halbzeitpause nahm Herthas Trainer zwei personelle Wechsel vor, welche Wirkung zeigten. Mit Piatek, dem späteren Doppel-Torschützen und Javairo Dilrosun, dem späteren Doppeltor-Vorlagengeber, kam mehr Schwung, Variabilität und vor allem mehr Tiefe in das Offensivspiel der Gastgeber.
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Aber natürlich profitierte Hertha vom Platzverweis des Unioners Robert Andrich zu Mitte der ersten Halbzeit. Labbadia wehrte sich ein wenig gegen diesen Eindruck. Aus seiner Sicht sei es nicht zwangsläufig von Vorteil, gegen eine dezimierte Mannschaft zu spielen, die in solchen Fälle oft noch einmal Extrakräfte entwickele. Dann würde es schwer sein, vor allem gegen eine so körperlich große und robuste Mannschaft wie Union.
Lange Zeit fiel Hertha nicht wirklich viel ein, bis Piatek dann zunächst mit einem abgefälschten Schuss das Spiel drehte und kurz darauf für die Entscheidung sorgte. „Ich freue mich für ihn sehr“, sagte Labbadia. Ein Torjäger brauche Tore. „Jetzt hat er zwei gemacht, das wird ihm Auftrieb geben“, sagte der Trainer. „Ich hoffe, dass das ihm Selbstvertrauen gibt“, und ihn in seiner Konsequenz stärke, die er für sein Spiel als Stürmer benötige.
An diesem Wochenende überwiegt noch die Freude
Einen Krzysztof Piatek ist starker Form können die Berliner nun mehr denn je gebrauchen. Für das kommende Spiel am Samstag in Mönchengladbach fällt Herthas Topscorer Matheus Cunha aus. Nach seiner fünften Gelben Karte ist der Brasilianer nun für ein Spiel gesperrt. Bis dahin kann Labbadia sich noch etwas einfallen lassen, wie er diesen Ausfall kompensieren will.
An diesem Wochenende aber überwiegt bei Herthas Trainer noch die Freude. „Ich bin einfach zufrieden, weil wir ein unruhiges und enges Spiel gewonnen und dabei einen Rückstand gegen eine unangenehm zu spielende Mannschaft wettgemacht haben. Dabei war es nicht unser bestes Spiel, das sage ich ganz offen.“
Bruno Labbadia hat nun schon zwei Stadtduelle mit Union im heimischen Olympiastadion innerhalb eines halben Jahres gewonnen. Aber noch keins vor Zuschauern. Dabei sei er ein Mensch, der es liebe, in ein volles Stadion zu kommen und die Atmosphäre aufzusaugen, wie er vor dem Spiel erzählt hatte. Naja, auch er war mit in die leere Kurve gerannt.