zum Hauptinhalt
Beliebter Laufweg. Die Champions League ist weltweit die wichtigste Liga im Fußball.
© imago/Ulmer

Die Uefa Champions League: Erfolgsgeschichte und Bedrohung für den Fußball

Heute startet die Champions League in ihre 23. Spielzeit. Das Fußball-Format ist eine globale Erfolgsgeschichte, aber auch eine Gefahr. Ausgeglichenheit und Wettbewerb sind in Wirklichkeit Pseudo-Ausgeglichenheit und Pseudo-Wettbewerb.

Otto Rehhagel hat das Urheberrecht auf die Behauptung, nach der Geld angeblich keine Tore schießt. Das ist natürlich ein ziemlicher Blödsinn. Selbstverständlich schießt Geld Tore, das ist Woche für Woche in Madrid, Barcelona, München, Dortmund, Manchester oder London zu sehen. Ab Dienstag werden wieder viele dazukommen, wenn die Champions League in ihre 23. Ausspielung geht.

Na und?

Die halbe Welt freut sich in diesen Tagen auf den Start der teuersten Liga der Welt (die andere Hälfte interessiert sich nicht für Fußball). Die Champions League macht möglich, was Marx und Engels nie für möglich gehalten hätten. Es regieren zwar annähernd ungezügelt die Kräfte des Kapitals, aber irgendwie auch zum Wohl des Volkes. Der Wettbewerb funktioniert, weil er fasziniert. Denn anders als in den großen nationalen Ligen mit ihren Seriensiegern weiß das Publikum vorher nicht, wer am Ende gewinnen wird.

Ja, es gibt den Kreis der üblichen Verdächtigen, aber der einigt sich mit schöner Zuverlässigkeit in jedem Jahr auf einen neuen Champion. Inter Mailand, FC Barcelona, FC Chelsea, Bayern München und Real Madrid. Das sind die Sieger der vergangenen fünf Jahre. In 22 Jahren hat es noch kein Klub geschafft, die Liga zweimal hintereinander zu gewinnen. Eintönigkeit sieht anders aus.

Die Champions League ist längste eine Weltliga

Die ständig wechselnden Sieger sind das beste Argument der Champions League beim Endverbraucher, der ihr regelmäßig die Stadien füllt und ständig wachsende Werbe- und Fernseheinnahmen beschert. Für diese Saison rechnet der Europäische Fußball-Verband (Uefa) mit Erlösen von 1,75 Milliarden Euro, in der vergangenen Saison waren es 1,34 Milliarden. Schon die nicht ganz so aufregenden Vorrundenspiele werden in mehr als 200 Länder übertragen. Seit 2009 sitzen beim Endspiel mehr Menschen vor dem Fernseher als beim Superbowl.

Trotz ihrer Beschränkung auf Europa steht die Champions League längst im Status einer Weltliga. Kein Star aus Südamerika, Asien oder Afrika würde auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft ernsthaft ein Engagement in der Heimat in Erwägung ziehen. Alle Herausforderer spielt die Champions League locker an die Wand. Franz Beckenbauer hat das schon vor Jahren erkannt, als er den Uefa-Cup (der heute Europa League heißt) als „Pokal der Verlierer“ abtat. Andere Sportarten kokettieren gern mit einer eigenen Champions League, gehen dem Original aber mit ihren Terminen wohl wissend aus dem Wege. Dienstag und Mittwoch sind zwischen September und Mai sakrosankt und für den großen Fußball reserviert. Dank der Champions League ist der Fußball so weit abgehoben die weltweite Sportart Nummer eins wie nie zuvor.

Bayern München nahm vergangene Saison in der Champions League rund 59 Millionen ein

Und doch hat diese Spielgemeinschaft des Großkapitals dem Fußball schweren Schaden zugefügt. Einen Schaden, der nicht mehr zu beheben sein wird. Ausgeglichenheit und Wettbewerb sind in Wirklichkeit Pseudo-Ausgeglichenheit und Pseudo-Wettbewerb. Die Champions League steht für die Zweiteilung des Fußballs. Wer im richtigen Moment dabei war, wird immer reicher und minimiert mit jeder weiteren Teilnahme die Gefahr eines Absturzes vom Milliardenkarussell. 8,6 Millionen Euro gibt es allein an Startgeld, für jeden Sieg eine Million, für ein Unentschieden die Hälfte, der Finalsieger streicht 10,5 Millionen ein. Bayern München nahm in der vergangenen Saison trotz des Scheiterns im Halbfinale rund 59 Millionen ein, beim Viertelfinalisten Borussia Dortmund reichte es noch für rund 48 Millionen. Welcher Klub kann solche Einnahmen außerhalb dieser de facto geschlossen Gesellschaft generieren?

Dazu zeitigt der wirtschaftliche Erfolg der Champions League dramatische Konsequenzen für die nationalen Ligen, weil die Marktführer die ständig wachsenden Einnahmen in eine ständig wachsende Qualität investieren. Einen deutschen Überraschungsmeister wie vor ein paar Jahren den VfB Stuttgart wird es auf absehbare Zeit nicht mehr geben. Quereinsteiger sind angewiesen auf externes Kapital, wie es etwa der VfL Wolfsburg aufgebracht hat und RB Leipzig aufbringen wird. Wenn Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge mit Blick auf den wachsenden Giganten in Leipzig ein Financial Fairplay für die Bundesliga fordert, darf das durchaus verstanden werden als ein Anflug von Angst davor, die Marktvorherrschaft vielleicht doch einmal teilen zu müssen.

Das Financial Fairplay garantiert, dass die alten Vereine in der Champions League unter sich bleiben

Das Financial Fairplay hat sich die Uefa ausgedacht, und es besagt in etwa, dass Vereine nur so viel Geld ausgeben dürfen, wie sie auch einnehmen. Das lässt sich gut verkaufen als Schutzmechanismus vor dem Einstieg windiger Investoren, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld. Investoren haben nicht immer Gutes im Sinn, und manchmal verlieren sie auch die Lust und ziehen ihr Kapital ab, so gerade geschehen in Monaco oder vor zwei Jahren in Malaga. Da gerät das strategische Geschäft und mit ihm der sportliche Erfolg in den Verdacht der Beliebigkeit.

In anderen Branchen würde das Kartellamt einschreiten

Auf der anderen Seite ist das Financial Fairplay ein zutiefst konservatives, besitzerhaltendes und -verteidigendes Instrument. Profifußball ist ein Geschäft mit der Champions League als herausragender Exponente. In jeder anderen Branche würde das Kartellamt einschreiten, wenn ein Kartell das Heranwachsen neuer Wettbewerber verböte. Das Kartell der europäischen Spitzenklubs schützt sich mit der Patina der Romantik. In finaler Konsequenz garantiert das Financial Fairplay, dass die alten unter sich bleiben. So ungefähr hat es der katarische Klubchef von Paris St. Germain formuliert, nachdem die Uefa ihn zu einer Geldstrafe von 60 Millionen Euro verurteilt hatte und zu einer Reduzierung des Kaders auf 21 Profis.

Die französische Ligue 1 zählt nicht zum Kreis der privilegierten Ligen, die den Champion aller Champions Jahr für Jahr unter sich ausmachen, daran wird sich auch mit Paris St. Germain nichts ändern. Von den bisher 22 Champions-League-Titeln gehen 19 in die vier großen Ligen nach Spanien (8), England (4), Italien (4) und Deutschland (3). Die Siege von Olympique Marseille (1993) und Ajax Amsterdam (1995) fallen in die Anfangsjahre, der letzte große Überraschungssieger war der FC Porto, aber das ist jetzt auch schon zehn Jahre her. Olympique Lyon war 2010 die bislang letzte Mannschaft außerhalb der vier großen Ligen, die es immerhin ins Halbfinale schaffte.

Das war so nicht abzusehen, als die Uefa zur Saison 1992/93 aus dem Europapokal der Landesmeister die Champions League machte. Im ersten Jahr waren die Champions noch wahre Champions. Die Teilnahme war ausschließlich Landesmeistern vorbehalten, wie der Kreis ohnehin ein sehr exklusiver war. Nach zwei Qualifikationsrunden spielten acht Mannschaften in zwei Gruppen die beiden Finalisten aus. Weitere K.-o.- Spiele waren nicht vorgesehen.

Es gab damals noch zwei Spiele in Berlin. Weil damals in Moskau die Infrastruktur noch nicht so recht funktionierte, trat der Russische Meister ZSKA Moskau zu seinen Gruppenspielen einmal in Bochum an und zweimal im Berliner Olympiastadion an, gegen den FC Brügge (1:2) und Olympique Marseille (1:1). Das waren lustige Veranstaltungen mit reichlich Soldaten im Stadion, die russische Armee hatte Deutschland ja noch nicht verlassen.

Erst 1997 öffnete die Uefa den Wettbewerb für die Meisterschaftszweiten ausgewählter Länder – mit der Begründung, so werde ein repräsentatives Bild der spielstärksten Mannschaften Europas ermöglicht. In Wirklichkeit ging es um wirtschaftliche Interessen, um die Angst der Uefa, die besten Klubs der Welt könnten sich abspalten und eine eigene Europaliga ausspielen. Damit drohten die in der G14 organisierten Klubs unter der Führung von Karl-Heinz Rummenigge später ganz offen. Neben den Bayern waren die Mailänder Klubs dabei, der FC Barcelona, Real Madrid und Manchester United.

1999 gab es den ersten Sieger, der sich nicht als Meister qualifiziert hatte

Die Uefa gab nach. 1999 gab es den ersten Sieger, der sich ohne nationale Meisterehren für die Champions League qualifiziert hatte. Leidtragender waren Rummenigges Bayern beim 1:2 gegen den englischen Vizemeister Manchester United. Seit der Saison 1999/2000 stellen die drei Top-Ligen sogar bis zu vier Mannschaften, was auch Hertha BSC zu einem Gastspiel verhalf. Seitdem sind 32 Teams dabei. Anfangs gab es noch eine zweite Gruppenphase, die aber der sportlichen Qualität nicht dienlich war und erst recht nicht der Spannung. Der Wettbewerb verkam zur Marathonveranstaltung, die Finalisten hatten am Ende 17 Spiele absolviert. 2003 wurde die zweite Gruppenphase wieder abgeschafft und die K.-o.- Runde mit dem Achtelfinale begonnen.

Dieser Modus bekam von den übertragenden Fernsehanstalten das Prädikat „perfekt“. Die Uefa vergibt die Fernsehrechte immer im Zyklus von drei Jahren, das nächste Mal werden sie nach dieser Saison neu ausgeschrieben. Für 54 Millionen Euro, die das ZDF 2012 für die Rechte im frei empfangbaren Fernsehen bezahlte, wird die Champions League ab 2015 mit Sicherheit nicht mehr zu sehen sein.

Zur Startseite