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Auf dem Weg nach oben. Gegen Spanien traf Offensivspieler Raheem Sterling zweimal für die englische Nationalmannschaft.
© Carl Recine/Reuters

Nations League: Englands junges Nationalteam spielt schön und eiskalt

Das englische Nationalteam knüpft an die starke WM an und fügt Spanien beim 3:2 in Sevilla die erste Heimniederlage seit 2003 zu.

Das mit Sergio Ramos und den Engländern wird wohl keine Liebesgeschichte mehr. Auf der Insel zählt der Kapitän von Real Madrid zu den bestgehassten Fußballspielern, seitdem er vor ein paar Monaten im Champions-League-Finale von Kiew erst Liverpools Stürmer Mohamed Salah an der Schulter verletzte und später auch noch den Torhüter Loris Karius mit der Schulter gegen den Kopf checkte. Für Salah war das Spiel frühzeitig beendet, Karius irrlichterte nur noch durch seinen Strafraum und verschuldete so zwei folgenschwere Gegentore.

Am Montag nun hat sich Sergio Ramos bei Raheem Sterling nachhaltig in Erinnerung gebracht. Bei jenem Stürmer, der mit zwei Toren nicht ganz unbeteiligt daran war, dass England am dritten Spieltag der Nations League die Spanier in Sevilla 3:2 besiegte.

Drei Jahre und 27 Länderspiele hatte der Stürmer von Manchester City auf ein Tor in der Nationalmannschaft gewartet. „Das war seine Nacht“, pries der „Guardian“. Aber einmal tat es auch weh in dieser Nacht.

Eine Kameraeinstellung zeigt Sterling, wie er zu Beginn der zweiten Halbzeit im Strafraum liegt. Das Spielgeschehen verlagert sich gerade auf die andere Seite, da macht Ramos einen Schritt auf den Engländer zu und gleich wieder einen zurück. Sterling zuckt zusammen und greift sich an den Knöchel. Es gehört nicht viel Chuzpe zur der Behauptung, dass Ramos kurz, aber heftig zugetreten hat. Kaum eine englische Zeitung hat am Tag danach drauf verzichtet, auf ihrer Online-Plattform ein Video von dieser Szene anzubieten.

Spanien wird ein klarer Elfmeter verweigert

Zu diesem Zeitpunkt lagen die Spanier 0:3 zurück, und in der Retrospektive hätte es wohl einigen Ärger gegeben, wäre ihnen noch eine Wende geglückt. Möglich war es durchaus. Dortmunds Paco Alcacer, der Mann, der alles trifft, schaffte kurz nach der vermeintlichen Tätlichkeit gegen Sterling das erste spanische Tor. Dann verzockte Englands Torhüter Jordan Pickford im Strafraum den Ball gegen den Brasilo-Spanier Rodrigo Moreno, klammerte diesen mit beiden Armen und hatte Glück, dass der polnische Schiedsrichter Szymon Marciniak den Spaniern einen klaren Elfmeter verweigerte. Und ausgerechnet Ramos schoss noch ein zweites Tor, allerdings tief in der Nachspielzeit. Sekunden später war Schluss und die Engländer feierten einen Abend, den das Boulevardblatt „The Sun“ zu „den größten überhaupt“ zählte und der gezeigt habe, „dass die Weltmeisterschaft nicht nur ein Traum war“.

Die Engländer habe sich im vergangenen Sommer verliebt in diese Mannschaft, zu der sie über Jahrzehnte eine so schwierige Beziehung unterhielten. Das neue England, das da bei der WM in Russland bis ins Halbfinale stürmte und nur denkbar unglücklich an Kroatien scheiterte, ist jung und eiskalt. In einer grandiosen ersten Halbzeit zeigte es den ballverliebten Spaniern, wie einfach Fußball sein kann. Ein schönes Beispiel dafür waren die ersten beiden Tore. Beim 1:0 kam der Ball über Pickford, Harry Kane und Marcus Rashford zu Sterling, der sich nicht vom genauso wild wie unberechtigt auf Abseits reklamierenden Marcos Alonso irritieren ließ und den Ball ins Tor jagte. Mit einer Seelenruhe, wie er sie im Alltag bei Manchester City immer mal wieder gezeigt hat, aber so selten in der Nationalmannschaft.

So schön wie beim 3:0 spielte England lange nicht

Noch schneller ging es beim zweiten Tor. Wieder hatte Pickford mit einem Abstoß den Fuß im Spiel, wieder fand er Kane, der weiter auf den souverän vollendenden Rashford legte. Drei Spieler und elf Sekunden genügten zur Überbrückung des gesamten Spielfeldes und zur Aushebelung der spanischen Abwehr. Beim 3:0 zeigten die Engländer dann, dass sie auch richtig gut Fußball spielen können. Wie elegant Ross Barkley den Ball auf Kane chippte! Wie geistesgegenwärtig Kane direkt auf den völlig frei stehenden Sterling weiterspielte! Ein so schöner Spielzug war lange nicht mehr von einer englischen Nationalmannschaft zu bestaunen.

Dass es am Ende noch einmal knapp wurde und die Spanier nach der Einwechslung von Alcacer in der zweiten Halbzeit einen ganz anderen Auftritt hinlegten – sei’s drum. Am Ende stand Spaniens erste Heimniederlage in einem Pflichtspiel seit gut 15 Jahren. „Heute Abend haben die Spieler den nächsten Schritt gemacht“, sprach der englische Trainer Gareth Southgate. „Wir werden deswegen jetzt nicht abheben, aber dieses Spiel wird ihnen großes Selbstvertrauen geben.“

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