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Jung und gut: Marcus Rashford (r.) und Raheem Sterling (l.).
© REUTERS/David Gray

Fußball-WM in Russland: Die Zukunft gehört den Engländern

England ist ausgeschieden, die Trauer groß. Doch Fans der Three Lions können sich freuen: Dem englischen Fußball steht Großes bevor.

Sie waren so optimistisch. Souverän hatte sich die englische Nationalmannschaft durch die Weltmeisterschaft gespielt. In der Gruppenphase gab es nach zwei Siegen nur eine Niederlage in der unbedeutenden Partie gegen Belgien. Im Achtelfinale gegen Kolumbien hatten sie heldenhaft gekämpft und dann noch das erste Mal in der englischen WM-Historie ein Elfmeterschießen gewonnen. Im Viertelfinale souverän Schweden ausgeschaltet und zum ersten Mal seit 28 Jahren wieder die Vorschlussrunde einer WM erreicht. Die Generation um Harry Kane und Jesse Lingard wurde zu einer goldenen hochgejubelt. Nach Jahren, ja Jahrzehnten der sportlichen Misere trotz großer Einzelkönner wie Steven Gerrard oder Frank Lampard hatten die Fans der „Three Lions“ endlich wieder einen Grund zur Freude – ihre junge Mannschaft.

Zusammengestellt von einem aufstrebenden Trainer, der erfrischend anders war als all die Hodgsons, Keegans und Hoddles vor ihm. Der große Wurf war nah, das Finale sollte es werden. Der WM-Titel, der erste seit 1966. Der Fußball sollte endlich nach Hause kommen. Doch stattdessen kommt jetzt die Nationalmannschaft. Einen Tage früher als erhofft.

Die Halbfinalniederlage gegen Kroatien beendete jäh die kühnen Träume der englischen Fans und Medien, die einen vermeintlich einfachen Gegner ausgemacht hatten. Doch die Enttäuschung wird sich bald in Hoffnung wandeln. Denn dazu gibt es allen Grund. Was die A-Nationalmannschaft nicht geschafft hat, gelang in den vergangenen Jahren nämlich den Junioren-Auswahlen der Engländer: einen internationalen Titel zu gewinnen. Alleine im Vorjahr wurden die englische U17 und U20 Weltmeister, die U19 gewann die Europameisterschaft. Das Finale der U-17-EM und das Halbfinale der U-21-EM verloren die jeweiligen Teams – die einzigen beiden Niederlagen aus 34 Turnierspielen für englische Nachwuchsmannschaften im vergangenen Jahr. Außerdem war es das erste Mal, dass ein europäischer Nationalverband die U-20- und U-17-WM-Titel im selben Jahr gewinnen konnte. Ende 2017 bekam England verdient die Maurice-Burlaz-Trophäe, die Auszeichnung der Uefa für den Verband mit den besten Leistungen im Nachwuchsbereich. Rosiger könnte die Zukunft des englischen Fußballs also gar nicht aussehen. Oder?

Mit Southgate fand ein Umdenken statt

Ganz so einfach ist es nicht, denn nach wie vor tun sich die Klubs der englischen Premier League schwer damit, einheimische Talente in ihre ersten Mannschaften einzubauen. Im finanziell aufgeblasenen Business Premier League stellen die Vereine allzu häufig kurzfristigen Erfolg über nachhaltige Entwicklung. Doch so langsam scheint ein Umdenken einzusetzen, das sich auch bei der WM wiederspiegelt. Manchester Uniteds Marcus Rashford (20) spielte in dieser Saison 35 Mal in der Liga. Auch Trent Alexander-Arnold (19) verbuchte für den FC Liverpool 19 Premier- und zehn Champions-League-Einsätze. Nimmt man Dele Alli, Ruben Loftus-Cheek (beide 22), Raheem Sterling (23) und Harry Kane (24) dazu, kommen alle Spieler bis 24 Jahre zusammen auf 601 Premier-League-Spiele für ihre jeweiligen Vereine – und 130 Einsätze für die A-Nationalmannschaft.

Seit Southgate übernommen hat, wird nämlich auch dort neu gedacht. Der einzige Spieler im WM-Kader mit mehr als 50 Länderspielen ist der 32 Jahre alte Gary Cahill. Ansonsten sind nur Ashley Young und Jamie Vardy über 30, der Durchschnitt liegt bei 25,7 Jahren. Ganz bewusst ließ Southgate andere erfahrene Spieler wie Joe Hart (31) oder Jermain Defoe (35) zu Hause. Denn: „Wenn wir junge Spieler auswählen, dann nicht nur, weil sie jung sind“, betonte Southgate, „sondern weil sie es aufgrund ihrer Leistungen verdient haben.“

Führt er diese Philosophie fort und spielen die Premier-League-Klubs mit, steht dem englischen Fußball in den nächsten Jahren Großes bevor. Eine gesunde Kombination aus Erfahrung und Nachwuchs zu finden, das hat Southgate schon bei dieser WM geschafft. Jetzt gilt es für ihn, eine jetzt schon Goldene Generation mit noch mehr Talenten zu veredeln. Die Titelgewinne des vergangenen Jahres beweisen, dass es sie gibt. Wenn das bedeutet, dass der Fußball dann in vier Jahren nach Hause kommt, können bestimmt auch die Fans seine kleine Verspätung verschmerzen. Tobias Finger

Tobias Finger

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