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Mit Wucht. David Storl bei seinem Quali-Versuch am Berliner Breitscheidplatz.
© Kai Pfaffenbach/Reuters

Leichtathletik-EM in Berlin: EM-Auftakt: David Storl ist der Kugelgleiter

Der Titelverteidiger will in Berlin seinen vierten EM-Triumph feiern. Während der Quali am Breitscheidplatz hatten die Fans mit ihm nur ein kurzes Vergnügen.

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Er entschuldigte sich sofort. Nachdem David Storl gleich im ersten Versuch die Qualifikationsweite für das Kugelstoß-Finale mit 20,63 Meter übertroffen hatte, rief er dem Publikum am Montagabend auf dem Breitscheidplatz mit einem Grinsen zu: "Tut mir leid, dass es nur ein Versuch war." Die 3000 Zuschauer in der vollen temporären Arena bejubelten ihn trotzdem. Und so konnte Storl bilanzieren: "Ich gehe mit einem positiven Gefühl ins Finale." Das findet am Dienstag ab 20.33 Uhr dann wieder klassisch im Olympiastadion statt.

Die ungewöhnliche Austragungsstätte für die Qualifikation verkaufen die EM-Veranstalter als Coup, sie soll die Zuschauer noch näher an die Athleten heranrücken. Es gibt aber kritische Stimmen, die anmerken, dass sich so eine Veranstaltung wegen des Anschlags am Breitscheidplatz vom Dezember 2016 mit zwölf Toten und vielen Verletzten nicht zieme.

Storls Aufgabe ist es nun nicht, die Auswahl der Sportstätte auf ihre ethisch-moralische Tauglichkeit zu überprüfen. Storls Job ist es, die 7,257 Kilogramm so weit wie möglich zu wuchten. Am besten so weit, dass am Ende die vielleicht erste Goldmedaille für Deutschland bei dieser EM steht. Die Chancen stehen gar nicht schlecht. Denn wenn sich der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) bei Europameisterschaften auf jemanden verlassen kann, dann auf den Sachsen. Sollte er wieder alle Konkurrenten hinter sich lassen, wäre dies sein vierter EM-Titel in Folge.

"Die meisten begreifen einfach nicht, wie es funktioniert"

Doch so einfach wird das nicht. „Ist kein Selbstläufer“, wie Storl anmerkt. Dafür genügt auch ein Blick auf die Jahresbestenlisten. Storl steht mit 21,62 Meter auf Rang 31. Aus Europa hat allerdings nur der Pole Michal Haratyk in diesem Jahr weiter gestoßen. Er dürfte auch am Dienstagabend ein harter Gegner sein. Haratyk nämlich kann etwas, das Storl nicht kann – und das den Deutschen schon seit ein paar Jahren verfolgt: den Drehstoß. Das ist jene Technik, in der die Kugelstoßer eineinhalb Mal um die eigene Achse rotieren und die daraus entstandene Energie in den Stoß übertragen. Die aktuell besten Kugelstoßer wie der Neuseeländer Tomas Walsh oder der US-Amerikaner Ryan Crouser schaffen mit dem Drehstoß regelmäßig Weiten über 22 Meter. Storl stößt mit der Angleittechnik, bei welcher der Athlet in stark gebeugter Haltung mit dem Rücken zur Stoßrichtung in die gestreckte Abstoßphase springt. Das Angleiten ist älter, es ist ästhetischer. Aber mit dem Drehstoß wirft man – zumindest aktuell – weiter.

Mit dem Argument von Weiten und Zahlen braucht man Storl allerdings nicht zu kommen. Er ist überzeugt davon, dass er mit seiner Technik auch mit den Besten mithalten kann. „Die meisten begreifen einfach nicht, wie es funktioniert“, sagt er. „Wenn man eine bestimmte Technik hat und die körperlichen Voraussetzungen wie ich, kann man damit sehr weit werfen“, sagt er. Storl ist größer und etwas drahtiger als die meisten seiner Konkurrenten. „Mein Ziel sind dieses Jahr 22 Meter“, sagt Storl. Damit wäre er zumindest in Reichweite mit den besten schwergewichtigen Athleten mit der Drehstoßtechnik.

Zusammen mit seinem neuen Trainer Wilko Schaa tüftelt der 28-Jährige daran, das Angleiten noch effektiver zu machen. Auf die Frage, ob er, wenn er noch einmal mit dem Kugelstoßen anfangen könne, den Drehstoß wählen würde, sagt Storl: „Nein. Außerdem will ich nicht das machen, was alle machen.“

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