Bayern verpflichtet Ivan Perisic: Eine Notlösung – nicht mehr, nicht weniger
Die Verpflichtung von Ivan Perisic ist weder oberstes Regal noch unterste Schublade. Vielmehr entspringt sie der Münchner Verlegenheit. Ein Kommentar.
Bayern-Präsident Uli Hoeneß ist oft in die Schublade der Prahler und Wichtigtuer gesteckt worden. „Wenn Sie wüssten, was wir alles schon sicher haben für die neue Saison.“ Mit diesem Satz hat er diese Schublade im Februar eher weiter zu- als aufgemacht. Denn passiert ist in Sachen Transfers bei den Münchnern seitdem kaum noch was. Entsprechend groß war die Häme.
Die dürfte sich auch nach der Verpflichtung von Ivan Perisic nicht so schnell legen. Denn der kroatische Nationalspieler gehört definitiv nicht zu denen, deren Verträge Hoeneß zu Beginn des Jahres in seiner ganz eigenen Schublade wähnte. Im Gegenteil. Der Transfer lässt sich vielmehr als eine späte Reaktion auf die bislang arg zugeklemmt verlaufende Suche der Münchner nach Verstärkung auf den offensiven Außenbahnen lesen.
Leroy Sané, Gareth Bale, Philippe Coutinho – das sind die großen, spektakulären Kaliber, die den Anspruch der Bayern als europäisches Spitzenteam der Kategorie Barcelona, Liverpool, Madrid oder Manchester untermauern würden. Ivan Perisic dagegen ist kein Weltstar. Er spielte bisher in Brügge, Dortmund, Wolfsburg und Mailand, mit 30 Jahren hat er diskrete 17 Champions-League-Spiele absolviert.
Bevor jetzt aber gar nichts mehr passiert in München und die Schubladen noch weiter zugehen, braucht es zumindest eine provisorische Lösung. Die ist Perisic. Für beide Seiten ist der Transfer sinnvoll: Perisics Situation in Mailand war unter dem neuen Trainer Antonio Conte offenbar eher unterste Schublade, jetzt tun sich für ihn Titelchancen bei einem ambitionierten Klub auf.
Bayern bekommt hingegen für vergleichsweise kleines Geld einen dynamischen und flexiblen Spieler für die Außenbahn. Falls Perisic hinter Serge Gnabry und Kingsley Coman – sollten sie denn einmal gleichzeitig fit sein – sowie der ausstehenden Königsverpflichtung der Bayern – sollte sie denn noch kommen – keinen Stammplatz erhält, würde er sich wohl nicht großartig beklagen. Für das erste Bundesligaspiel am Freitag gegen Hertha BSC ist er ohnehin gelbgesperrt, weil er bei seinem vorigen Verein Inter Mailand am letzten Serie-A-Spieltag die fünfte Verwarnung gesehen hatte.
Und klappt das Ganze mit Perisic nicht wie gewünscht, lässt sich die Schublade nach einem Jahr Leihe wieder ganz sauber schließen.
Leonard Brandbeck