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Vor das Bein. Sidney Friede, Jahrgang 1998, und Palko Dardai, Jahrgang 1999 trainieren bei Hertha BSC für ihren Traum vom Profifußball. Gerade in der U 19 von Trainer Michael Hartmann tummeln sich auffallend viele Talente.
© Imago/Matthias Koch

Herthas U19: Eine Klasse für sich

In der U 19 hat Hertha BSC um Trainer Michael Hartmann wieder einen goldenen Jahrgang versammelt. Am Samstag gibt es im Amateurstadion das Spitzenspiel gegen den VfL Wolfsburg.

Der große Fußball ist wirklich nicht mehr weit weg, gerade mal 400 Meter Luftlinie. Trotzdem sind es Welten. Das sieht man schon, wenn ein Ball beim Torschusstraining auf dem August-Bier- Platz über die Absperrung fliegt. Dann hüpfen die jungen Spieler über den Zaun und lesen ihren Ball mit den eigenen Händen von der Straße auf. 400 Meter weiter, auf dem Schenckendorffplatz, würde niemand auf eine solche Idee kommen. Da findet sich im Zweifel immer jemand, ein Betreuer, ein Zuschauer, der den Profis von Hertha BSC die Arbeit abnimmt.

Das Dasein eines Fußballprofis hält viele Annehmlichkeiten bereit. Das wissen auch die Jungs, die heute noch mit Herthas U 19 auf dem August-Bier-Platz trainieren. Vielleicht werden einige von ihnen bald selbst in den Genuss dieser Annehmlichkeiten kommen. So schmachtend ist lange nicht mehr über eine Jugendmannschaft von Hertha gesprochen worden wie über die aktuelle U 19, vor allem über die jüngeren Spieler des Jahrgangs 1999. „Da kommen ein paar spannende Spieler auf uns zu“, hat Manager Michael Preetz Anfang der Woche bei „Hertha im Dialog“ gesagt. Und von Cheftrainer Pal Dardai ist die Aussage überliefert, dass die Jungs aus der U 19 in ein, zwei Jahren „viele Leute in Berlin sehr glücklich machen können“. Bis dahin müsse Hertha irgendwie überleben.

An diesem Samstag (13 Uhr) trifft die U 19 im Amateurstadion zum Abschluss der Hinrunde auf den Zweiten Wolfsburg. Auch wenn der Vorsprung nur einen Punkt beträgt: Hertha stellt aktuell die beste U 19 Deutschlands. Sie hat die meisten Siege (elf), die meisten Punkte (33), die meisten Tore (45) und die beste Tordifferenz (plus 31) aller 42 Bundesligisten. Zu Saisonbeginn gewann das Team des früheren Nationalspielers Michael Hartmann, 42, neun Mal hintereinander, ehe sie in Dresden verlor. „Die Erwartungen sind schon sehr groß“, sagt Hartmann. Dass sie überzogen sind, sagt er nicht.

Im Sommer durften acht Spieler der U 19 einen Teil der Vorbereitung bei den Profis absolvieren. Florian Baak und Julius Kade, beide 17, gehörten in dieser Saison schon dem Kader des Bundesligateams an, und Arne Maier, der aus einem herausragenden Jahrgang noch einmal herausragt, soll im Januar mit den Profis ins Trainingslager reisen. „In Herthas U 19 steckt viel individuelle Qualität“, sagt Meikel Schönweitz, der Bundestrainer der deutschen U 18. Fast die komplette Stammelf hat bereits Länderspiele bestritten. Maier und Baak sind fester Bestandteil der Nationalmannschaft; zuletzt waren Palko Dardai, Dennis Smarsch, Nikos Zografakis und Julius Kade bei Lehrgängen dabei. Sidney Friede ist U-19-Nationalspieler; Muhamed Kiprit, der beste Torschütze, spielt für die Türkei.

Eine derartige Ballung an Qualität ist selten

In einem guten Jahrgang habe man drei oder vier überragende Spieler, sagt U-19-Trainer Hartmann, „hier sind es sechs, sieben oder acht“. Eine derartige Ballung an Qualität ist selten. Bayern hatte Anfang der Neunziger mal eine A-Jugend mit Markus Babbel, Christian Nerlinger, Dietmar Hamann, Max Eberl und Harald Cerny. Bei Borussia Mönchengladbach spielten Marc-André ter Stegen, Julian Korb, Yunus Malli, Elias Kachunga und Amin Younes in einem Jahrgang. Und auch bei Hertha gab es mal eine goldene Generation mit Kevin-Prince Boateng, Ashkan Dejagah, Patrick Ebert und Chinedu Ede. Wie golden der aktuelle Jahrgang wird, hängt aber nicht davon ab, wie viele Junioren-Nationalspieler aus ihm hervorgehen oder ob er U-19-Meister wird; entscheidend ist, wie viele der Talente es letztlich zu den Profis schaffen.

Hartmann ist 2010 mit Hansa Rostock Deutscher A-Jugend-Meister geworden. „Der Erfolg kam mehr aus der Mannschaft, nicht durch überragende Einzelspieler“, sagt Hartmann. Bei Herthas U 19 ist das anders. Da stimmt das Gesamtpaket: gute Typen, ein sehr guter Zusammenhalt – vor allem aber herausragende Fußballer. Fünf oder sechs von ihnen traut Hartmann den Sprung in den Profifußball zu, auch wenn das von vielen Unwägbarkeiten abhängt. Bei zweien legt er sich schon jetzt fest: „Die schaffen’s auf jeden Fall.“ Und zwar nach ganz oben. Namen nennt er nicht. Aber man kann sich denken, dass Arne Maier einer von beiden ist. In der Defensive müsse der Mittelfeldspieler noch einiges lernen, aber was er nach vorne veranstalte: „Großer Sport.“

Ein Morgen in dieser Woche. Zwölf Spieler stehen auf dem Trainingsplatz, der Rest ist krank oder mit der U 23 in England. Die Jungs balancieren auf einem Gummikissen, werfen zwei Tennisbälle in die Luft, die sie über Kreuz wieder auffangen müssen, während sie mit dem Fuß einen Ball aus der Luft zu ihrem Mitspieler zurückspielen müssen. Genauso kompliziert ist es, die Anforderungen des Leistungssports mit den altersüblichen Interessen eines 17- oder 18-Jährigen zu koordinieren. Klausuren in der Schule, vielleicht die erste Freundin und dann noch bis zu acht Trainingseinheiten pro Woche. „Die Jungs haben alle eine sehr große Eigenmotivation“, sagt Michael Hartmann. Sie sind sehr fokussiert, wissen, wo sie hin wollen.“ Auch Bundestrainer Schönweitz findet, dass die 99er neben großen Talenten vor allem „gute Jungs“ seien: „Daher ist der Optimismus berechtigt.“

Stefan Hermanns

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