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Der Herr der Bälle. Zinedine Zidane ist bei Real Madrid zurück im Rampenlicht.
© dpa

Zinédine Zidane trainiert Real Madrid: Eine gewagte Entscheidung

Zinédine Zidane war ein grandioser Fußballer, aber kein taktisches Genie. Das könnte seine Trainerarbeit bei Real Madrid erschweren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sven Goldmann

Real Madrid beendet das Missverständnis mit seinem Trainer Rafael Benitez und bestellt als Nachfolger Zinédine Zidane. Auf den ersten Blick passt das perfekt. Der Franzose ist einer der großartigsten Fußballspieler, den diese Welt je gesehen hat, dazu gesegnet mit einer bald 15 Jahre währenden Sozialisation bei Real. Zidane war früher Spieler, später Sportdirektor, seinem ersten Job als Trainer ist er bei Reals zweiter Mannschaft nachgekommen.
Auf diese Weise hat auch Pep Guardiola in Barcelona seine zweite Karriere begonnen. Das ist eine schöne und allen Madridistas Hoffnung gebende Parallele, aber damit hat es sich auch schon.

Zidanes Kunst entfaltete sich im Umgang mit dem Ball, „er hat ihn am Fuß und versteckt ihn einfach, so dass keiner mehr weiß, wo er ist“. So hat es Sebastian Deisler einmal gesagt. Als großer Stratege mit dem Blick fürs Ganze ist er nie in Erscheinung getreten. Zidane war ein besserer Fußballspieler als Guardiola, aber an dessen taktisches Genie kam er schon als Aktiver nicht heran.

Als ehemaliger Weltstar genießt der Franzose in der Mannschaft ein anderes Renommee als Benitez, der zwar aus Madrid kommt, aber nie auf höchstem Niveau gespielt hat. Diese in Reals Kabine traditionell gepflegte Attitüde war zuvor schon José Mourinho zum Verhängnis geworden. Doch die Patina des Vergangenen allein qualifiziert einen nicht für den kompliziertesten Job, den die Branche zu vergeben hat.

Längst schon ist Fußball eine komplexe und weit über FlankeSchussTor hinausgehende Angelegenheit, und seine Trainer arbeiten in einem weitläufigen Spektrum zwischen Wissenschaft, Mediation und Motivation. Noch weiß niemand, ob Zinédine Zidane diesem Anspruch genügt. Natürlich verdient er die Chance, diesen Nachweis zu führen, aber er wird sich beeilen müssen, denn auch dritten Jahrtausend liegt die Wahrheit noch altmodisch auf dem Platz. So etwas wie eine Einarbeitungszeit kennt der madrilenische Zirkus nicht. Erst recht nicht im Frühjahr mit seinem Stakkato von Primera Division und Champions League.

Zunächst einmal dient Zinédine Zidane mit seinem Namen und seiner Vergangenheit als perfektes Alibi für Reals Präsidenten Florentino Perez und die von diesem zu verantwortende größtmögliche Fehleinschätzung. Das war nicht die Einstellung des glücklosen Benitez, sondern die vorangegangene Entlassung von Carlo Ancelotti. Der Italiener ist nicht nur einer der großartigsten Trainer der Moderne. Er war vor allem das größte Glück, das diesem verrücktesten Verein der Welt in der jüngeren Vergangenheit widerfahren ist. In jener kurzen Phase zwischen 2013 und 2015, als es bei Real Madrid ausnahmsweise mal mehr um Fußball ging und nicht nur um Theater.

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