Alba Berlin und die Mitmachvideos für Kinder: „Eine Folge ohne den Albatros ist unvorstellbar“
Alba Berlin arbeitet an einer neuen Sportkultur – und begeistert Kinder während des Lockdowns weiter digital. Statt „täglicher Sportstunde“ heißt es nun „Sport macht Spaß“.
Im Frühjahr war „Albas tägliche Sportstunde“ ein großer Hit bei Kita-Kindern und Schülerinnen. Im ersten Lockdown wurden die Videos reihenweise angeschaut, die erfolgreichste Folge steht mittlerweile bei etwa 1,8 Millionen Aufrufen. Der große Star war natürlich das gefiederte Maskottchen, der Albatros, doch auch die Trainerinnen wurden danach mit anderen Augen angeschaut. „Manche der kleinen Kinder in der Kita hatten plötzlich ziemlichen Respekt vor mir und dachten, ich könnte wirklich zaubern“, erzählt Lena Flöttmann. Die 37 Jahre alte Sportwissenschaftlerin leitet bei Alba Berlin das Kitaprojekt und war im Frühjahr jeden Freitag als Zauberfee in der virtuellen Sportstunde zu sehen.
Beim größten Basketball-Verein Deutschlands ist auch ein Dreivierteljahr nach Start des Projekts zu hören, dass die Reaktionen von Kindern, Eltern und Öffentlichkeit die Erwartungen weit übertroffen haben. „Als uns so viele Eltern ihre Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht haben, war uns sofort klar, dass wir das nicht nur kurzfristig machen wollen", sagt Vizepräsident Henning Harnisch.
Dieses Ziel hat der Klub mittlerweile erreicht. Während anfangs viel auf Eigeninitiative, gutem Timing und Spontanität beruhte, gibt es seit dem Sommer eine langfristige Strategie. Zusammen mit dem Bundesinnenministerium hat Alba das Modellprojekt „Sport digital – Mehr Bewegung im Kiez“ ins Leben gerufen und erhält bis Ende 2024 rund 2,77 Millionen Euro Fördergelder. „Wir machen das hoffentlich so gut, dass wir es dauerhaft fortsetzen können“, sagt Harnisch.
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Das Projekt basiert auf drei Säulen. Anstatt der „täglichen Sportstunde“ gibt es mittlerweile unter dem Titel „Sport macht Spaß“ samstags je ein Video für Kita und Grundschule. Demnächst sollen mehrsprachige Folgen sowie Übungen für Senioren hinzukommen. Außerdem baut Alba aktuell eine Mediathek auf, die voraussichtlich im Mai oder Juni fertig sein soll. Dort finden Lehrerinnen und Erzieherinnen Anregungen für Bewegungsspiele, für den Sportunterricht oder Übungen unter Pandemiebedingungen. Als dritte Säule laufen bereits Fortbildungen für Pädagoginnen zu diesen Themen. Die ersten digitalen Termine nahmen mehr als 2500 Teilnehmer wahr.
Bei den Kindern stehen die Mitmachvideos natürlich im Mittelpunkt und das gilt auch weiterhin für jene aus dem Frühjahr. „Kinder haben da auch ihre Lieblingsfolgen, die sie immer wieder anschauen“, sagt Harnisch. „Das ist wie mit dem Lieblingskinderbuch, da kauft man auch nicht jeden Tag ein neues.“
Alba profitiert in diesem Bereich von der langjährigen Erfahrung im Bildungsbereich. Mit 45 Kindertagesstätten bestehen aktuell Kooperationen. „Die Moderatoren in den Videos sind unsere Jugendtrainer, die auch sonst in die Schulen und die Kitas gehen. Die wissen, worum es geht“, sagt Harnisch. Nur so sei es möglich, solch ein Projekt so schnell und authentisch auf die Beine zu stellen.
Auch für Flöttmann ist das Zusammenspiel zwischen praktischen Erfahrungen in den Bildungseinrichtungen und dem Erstellen der Videos essenziell. „Die Spiele sind alle aus den Kitas bewährt, es ist aber ein Riesenprozess herauszufinden, welche auch vor der Kamera funktionieren“, sagt Flöttmann. Fangespiele, die vor Ort sehr beliebt sind, fallen beispielsweise komplett weg, weil sie allein nicht machbar sind. Zudem sei es in der Kita viel einfacher, weil man die direkte Interaktion mit den Kindern habe. „Ich habe Riesenrespekt vor den Trainern, denn es ist sehr schwer, die Kinder vor der Kamera zu motivieren und dabei natürlich zu bleiben“, sagt Flöttmann.
Wenn erwachsene Menschen in gebückter Haltung gemeinsam mit einem riesigen Albatros zusammengeknüllte Zeitungen durch einen Parcours stupsen, sieht das ziemlich albern aus. Doch der Fakt, dass sich die Trainerinnen nicht zu ernst nehmen, selbst nicht alle Übungen perfekt ausführen und dennoch Spaß an der Bewegung vermitteln, macht die Videos bei Kindern so erfolgreich. „Wir wollen die Kinder animieren, danach weiterzuspielen, die Ideen weiterzuentwickeln, neue Regeln aufzustellen, neue Hindernisse einzubauen“, sagt Flöttmann. Zur Motivation dient besonders bei den Kleinen auch der Albatros. Während die Grundschülerinnen auch mal auf das Maskottchen verzichten müssen, ist Flöttmann im Kita-Bereich überzeugt: „Eine Folge ohne den Albatros ist unvorstellbar“
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Auffällig ist, dass Basketball in den meisten Folgen gar nicht vorkommt – und das spiegelt Albas Jugendphilosophie wider. Anfangs werden verschiedenste Ballspiele durchgeführt und erst ab der 3. Klasse kommen basketballspezifische Übungen hinzu.
Harnisch setzt sich seit Jahren für eine grundsätzliche Überarbeitung der Sportkultur ein. „Bis zum Ende der Grundschulzeit wäre es ideal, wenn Kinder alle Spielsportarten machen“, sagt Albas Vizepräsident und verweist dabei auf die sportlichen Erfolge Islands, wo viele Kinder parallel Fußball, Basketball und Handball spielen. Letztlich sei es „total wurscht“, ob die Kinder dann in den Basketball-Verein kämen oder andere Sportarten machten. „Es geht um den Zugang zum Sport.“ Das steht auch bei Albas Mitmachvideos im Zentrum. Ganz nach dem Motto: Wenn der Mensch nicht zum Sport kommen kann, dann kommt der Sport halt zum Menschen.