Warum Sebastian Vettel zu Ferrari geht: Eine Epoche beherrschen wie einst Michael Schumacher
Sebastian Vettel geht zu Ferrari. Viele fragen sich: Was will er bei dem Krisenteam? Dabei gibt es gute Gründe für den Wechsel des viermaligen Formel-1-Weltmeisters.
Als Kind hatte Sebastian Vettel jahrelang ein riesiges Poster von Michael Schumacher im Ferrari über seinem Bett hängen. Dieses Bild war es, das seine Jugend, seine Träume prägte – und das Bild, selbst einmal in diesem Auto zu sitzen, hat ihn seitdem nie wirklich verlassen. Auch nicht, als er vier Mal in Folge im Red Bull Weltmeister in der Formel 1 wurde. Es hing wohl auch noch im Kopf, als er offiziell seinen Abschied vom österreichischen Rennstall bekanntgab. „Es fühlt sich so an, als sei es der richtige Zeitpunkt“, sagte Sebastian Vettel schon beim Rennen in Suzuka. „Es fühlt sich an, als ziehe man zu Hause aus.“ Das Poster nimmt er innerlich mit.
„Sie haben ihm wohl ein sehr lukratives Angebot gemacht“, sagte Red Bulls Teamchef Christian Horner über die Konkurrenten von Ferrari. Vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi hat Ferrari nun die Verpflichtung des viermaligen Weltmeisters bestätigt. Doch schon nach der Verkündung seines Abschied von Red Bull hatte es Kritik gegeben: Es mache einen schlechten Eindruck, nach einem Jahr des Misserfolgs davonzulaufen. Vettel habe Angst davor, auch nächstes Jahr von Daniel Ricciardo geschlagen zu werden und an Marktwert zu verlieren. Wenn, dann hätte er schon 2013 auf dem Höhepunkt des Erfolges gehen müssen. All das hielten vor allem englische Medien dem viermaligen Weltmeister vor.
Schon immer ein Traum von Sebastian Vettel: Einmal für Ferrari fahren
Realistisch gesehen sieht die Sache wohl ein bisschen anders aus. Für Sebastian Vettel ergab sich die Chance, das zu tun, was für ihn bei allem bisherigen Erfolg immer noch ein Traum war: einmal für Ferrari zu fahren, Teil dieses Mythos zu werden, der das italienische Team bis heute umgibt. Vettel weiß zwar, dass es mit neuen großen Erfolgen bei Ferrari ein bisschen länger dauern könnte. Aber er ist schließlich erst 27 Jahre alt, kann sich also ruhig ein oder zwei echte Aufbaujahre leisten. Michael Schumacher brauchte schließlich auch fünf Jahre, ehe er mit den Italienern seinen ersten Titel holte.
Die Chance für den Neubeginn ist genau zu diesem Zeitpunkt optimal: Fernando Alonso, der heimliche Herrscher bei Ferrari in den letzten fünf Jahren, wird das Team im Streit verlassen. Der alte Chef, Luca di Montezemolo, ist auch weg. Und Vettel konnte Red Bull verlassen, ohne vertragsbrüchig zu werden. Denn eine Ausstiegsklausel in seinem bis Ende 2015 laufenden Vertrag besagte: Wenn er am 30. September 2014 nicht unter den ersten drei in der Fahrerwertung liegt, darf er vorzeitig wechseln.
Sebastian Vettel fiel der Abschied von Red Bull nach 15 Jahren nicht leicht
Das war für Vettel, dem Loyalität sehr wichtig ist, sicher ein nicht unwichtiger Faktor. Leichter machten ihm die Entscheidung, der inneren Stimme zu folgen, einige interne Entwicklungen bei Red Bull. Von denen war er nicht begeistert – auch wenn er sagt, man trenne sich jetzt in absoluter Freundschaft. Die mauen Ergebnisse des Jahres 2014 „spielten keine Rolle“, wie er immer wieder betont. Leicht fiel ihm der Abschied sicher nicht – schließlich arbeitet der Heppenheimer mit Red Bull schon seit 15 Jahren zusammen. Bereits mit zwölf Jahren, in seinen Kart-Zeiten, prangten die ersten Red-Bull-Aufkleber auf seinem Helm.
Ferrari hat mit der neuen Führungsspitze aus Sergio Marchionne und Marco Matiacci einen Strukturwandel angekündigt. Einige Teampositionen sind schon vielversprechend besetzt, mit Vettel als neuem Zugpferd könnten andere Top-Leute sich auf den Weg nach Maranello machen. Ferrari will rund um Vettel ein neues Erfolgsteam auf die Beine stellen, das eine Epoche in der Formel 1 beherrschen kann wie damals mit Schumacher.
Sebastian Vettel spricht seit seiner Toro-Rosso-Zeit recht gut Italienisch
Vettel mit seiner lockeren, unkomplizierten Art und seinem Talent, auf Menschen zuzugehen, bringt jedenfalls alle Voraussetzungen mit, bei den Ferrari-Fans gerade in Italien gut anzukommen. Nicht zuletzt spricht er schon jetzt, noch aus seiner Toro-Rosso-Zeit recht gut Italienisch. Und er weiß auch: Wenn er mit Ferrari Erfolg hat, dann kann das sein eigenes Standing noch einmal weit über alles Bisherige hinaus heben.
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