Mayada Al-Sayad bei Olympia: Eine Berlinerin für Palästina
Die Mahlsdorferin Mayada Al-Sayad lief am Sonntag im Marathon von Rio. Als Vorbild will sie auch bewirken, dass arabische Frauen mehr Sport treiben.
Obwohl Mayada Al-Sayad eine der Hauptdarstellerinnen war, hat sie von der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele im Maracana nur wenig mitbekommen. „Ich war sehr stolz, konnte aber kaum einmal überhaupt nach rechts und links schauen“, sagt die Berlinerin. Sie habe sich sehr konzentrieren müssen, damit sie nicht hinfalle: „Ich hatte etwas höhere Schuhe an – und die Fahne war ein bisschen schwer.“ Die 23 Jahre alte Zahntechnikerin aus Mahlsdorf hatte am vergangenen Freitag die große Ehre, die Mannschaft Palästinas als Fahnenträgerin ins Stadion zu führen. Am Sonntag, als sie beim Marathon in Rio de Janeiro mit einer Zeit von 2:42,48 Stunden gute 67. wurde, trug sie die palästinensische Flagge nicht mehr in der Hand tragen, sondern auf dem Trikot. Und im Herzen.
Mayada Al-Sayad ist in Berlin geboren und aufgewachsen, ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater kam als Student aus Palästina nach Deutschland. Ein Bekannter ihres Vaters, ein Angestellter der palästinensischen Botschaft in Berlin, kam später auf die Idee, die talentierte und ehrgeizige Läuferin vom VfL Fortuna Marzahn könne für Palästina starten. Sie selbst sagt, sie fühle sich beiden Ländern zugehörig. Der Rest ihrer Familie lebt noch in Palästina, sie ist schon oft dort gewesen, „ich weiß, wie die Menschen dort leben, wie die Situation und die Kultur sind“. So wie der Marathonläuferin geht es fast allen in ihrer Delegation. Seit 1996 schickt der vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und 136 Ländern anerkannte Staat Sportler zu Olympischen Spielen, das Team von Rio ist mit sechs Sportlern das bislang größte.
Al-Sayad sieht sich als Vorbild
Allerdings sind nur zwei von ihnen, eine Schwimmerin und ein Sprinter, in Palästina geboren. Ein weiterer Schwimmer ist in Kairo groß geworden, der Rest der Mannschaft lebt in Deutschland: Neben Al-Sayad sind das der Judoka Simon Yacoub aus Leipzig und der Kölner Dressurreiter Christian Zimmermann. Der 54 Jahre alte Unternehmer hatte sich 2013 auf Anregung palästinensischer Freunde dazu entschieden, für das Land zu starten. Laut Mayada Al-Sayad ist die Stimmung in der Mannschaft trotz der unterschiedlichen Hintergründe gut. „Wie reden einen Mischmasch aus Deutsch, Englisch und Arabisch miteinander“, sagt sie. Sie selbst hat die doppelte Staatsbürgerschaft und könnte sich auch nach ihrem Olympia-Start noch entscheiden, für Deutschland anzutreten, weil Palästina von der Bundesrepublik nicht als souveräner Staat betrachtet wird.
Seit der Eröffnungsfeier bekommt Al-Sayad im Internet viele Gratulationen und gute Wünsche. Sie würde durch ihren Sport gerne etwas zurückgeben und sieht sich als Vorbild. „In Palästina ist es für Frauen schwierig, Sport zu treiben. Ich möchte bewirken, dass arabische Frauen die Motivation bekommen, zu laufen und Sport zu treiben, auch gegen Widerstände“, sagt sie. „Dass sie einen Schritt nach vorne machen und sagen: Ja, ich will laufen und damit erfolgreich sein.“ Negative Reaktionen auf dieses Anliegen, etwa von konservativen Muslimen, habe sie noch nicht bekommen.
Auch politisch wird sie nach eigener Aussage von der Mannschaftsleitung nicht beeinflusst. Ähnlich hässliche Szenen wie beim Judo, als ein Ägypter seinem israelischen Gegner den Handschlag verweigerte, oder wie vor der Eröffnungsfeier, als libanesische Athleten nicht mit Israelis in einem Bus fahren wollten, werde es beim Marathon der Frauen nicht geben, sagte sie vor dem Rennen. Neben Mayada Al-Sayad starteten am Sonntag auch zwei Israelinnen, die Berlinerin wird sie genauso behandeln wie alle anderen Läuferinnen auch. „Ich sehe das rein sportlich“, sagt sie. „An der Startlinie sind wir alle Sportler, da geht es nicht darum, wer von hier oder von dort kommt.“