Olympia 2016: Eröffnungsfeier in Rio: Feurig auf Sparflamme
Die olympische Eröffnungsfeier gibt sich bescheidener als ihre Vorgänger, versucht sich an moralischen Botschaften – und fasziniert eigentlich nur, wenn die Musik laut aufgedreht ist.
Was immer auch passiert in den kommenden 16 Olympia-Wettkampftagen: Zumindest einen federleichten, ausgelassenen Moment kann den Sommerspielen von Rio de Janeiro niemand mehr nehmen. Bei der Eröffnungsfeier am Freitagabend war rund eine Dreiviertelstunde vergangen, als Dopingfälle, Zika-Angst und Regierungskrise in den Hintergrund rückten. Brasiliens Pop-Legende Jorge Ben Jor sang, der Rhythmus seines Liedes ließ Hunderte Tänzer im Innenraum des Stadions herumwirbeln – und auf den Rängen des Maracana tanzte das Publikum ausgelassen mit. Bei aller berechtigten Kritik am Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ist es den 31. Sommerspielen der Neuzeit – vor allem den rund 11.000 Sportlern und den gastgebenden Brasilianern – zu wünschen, dass Rio noch viele solche unbeschwerte Augenblicke erleben kann.
Weniger Kosten als London und Peking
Zum Auftakt für ihre Spiele hatten sich die Brasilianer eine im Gegensatz zu den vergangenen Eröffnungsfeiern stark abgespeckte Party verordnet. Peking 2008 mit rund 83 Millionen Euro und London 2012 mit 34 Millionen Euro Kosten hatten es zum Auftakt ihrer Spiele richtig krachen lassen, Rio versuchte es nach Angabe der Organisatoren mit weniger als zehn Millionen. Der kreative Kopf der Feier, Filmregisseur Fernando Meirelles, hatte zuvor bekannt, seinen Job als Mastermind mehrfach beinahe hingeschmissen zu haben, weil ihm das Budget immer wieder zusammengestrichen worden war. Die Show geriet durch die Sparvorgaben nicht weniger bunt und laut, wirkte aber ein wenig bodenständiger als ihre Vorgänger. Eine Entwicklung, die auch anderen Aspekten Olympias gut tun würde.
Umweltschutz als Leitthema
Natürlich kam auch die Feier im Maracana nicht ohne einen historisch-erbaulich-moralischen Unterbau aus. Tänzer und Schauspieler stellten zunächst die Entwicklung Brasiliens von den Ureinwohnern über die Ankunft der Europäer, afrikanischer Sklaven bis hin zur Moderne dar. Dazu bediente sich die Regie der bei Feiern dieser Größe inzwischen bewährten Mischung aus Video-Projektionen und Massenchoreographien. Als Leitthema des Abends hatten sich die Organisatoren den Umweltschutz ausgesucht. Ein lobenswerter Ansatz, dessen Ernsthaftigkeit man angesichts der Plastiktütenflut in Rios Supermärkten und dem Wegwerfgeschirr in den olympischen Kantinen und Imbissen bezweifeln darf. Gelungener war der Party-Teil der Show, in der die Brasilianer zeigten, dass sie zu feiern verstehen. Erst stöckelte Supermodel Gisele Bündchen zu den Klängen des „Girl from Ipanema“ einmal längs durchs Maracana, dann rissen die größten brasilianischen Popstars das Publikum mit einer turbulenten Musikshow mit. Zum Ende der auf drei Stunden angesetzten und letztlich vier Stunden dauernden Show gab es noch eine ohrenbetäubende Überdosis Samba.
Bei allem Respekt für die olympischen Hauptdarsteller dürften einige der weltweit geschätzt drei Milliarden Zuschauer zwischenzeitlich ihr Fernsehgerät ausgeschaltet haben, viele der 70.000 Zuschauer im Maracana konnten das eine oder andere Gähnen nicht unterdrücken: Rund zwei Stunden lang marschierten die teilnehmenden Nationen ins Stadion. Die deutschen Sportler mussten wie immer Stehvermögen beweisen: Tischtennisspieler Timo Boll führte seine Mannschaft als fünftes Team ins Stadion, Alemanha kommt nun einmal auch im portugiesischen Alphabet deutlich vor anderen Nationen wie Eslováquia, Grã-Bretanha, São Cristóvão e Névis, Sudão do Sul oder Tadjiquistão.
Großer Jubel für die Refugee Olympic Athletes
Nach knapp zwei Stunden des Defilierens und Fahnenschwenkens waren auch die Gastgeber endlich im Rund des Maracana angekommen, Fünfkämpferin Yane Marques führte Brasilien als letztes der 207 Teams in die Arena. Neben ihren eigenen Sportlern feierten die brasilianischen Zuschauer das erstmals vom IOC aufgestellte Flüchtlingsteam der Refugee Olympic Athletes (ROA), das hinter seiner Flagge mit den fünf Olympischen Ringen bejubelt wurde. Beim Einmarsch der 271 russischen Sportler, die dem Komplettausschluss wegen Staatsdopings gerade noch entgangen waren, verhielt sich das brasilianische Publikum ruhig. Vielleicht auch, weil die Gastgeber seit Kurzem einen eigenen Dopingskandal haben: Auf Druck des Sportministeriums soll Brasiliens Anti-Doping-Agentur die eigenen Olympia-Starter im Monat Juli mindestens 24 Tage nicht getestet haben.
Die prominentesten Fahnenträger am Freitagabend waren Schwimmer Michael Phelps (USA) und Tennisprofi Rafael Nadal (Spanien). Ein anderer berühmter Hauptdarsteller hatte hingegen kurzfristig abgesagt: Pelé teilte am Freitagmorgen mit, er könne aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Feier teilnehmen. Es galt als wahrscheinlich, dass die Fußball-Legende das olympische Feuer entzünden sollte, offiziell war diese zentrale Rolle dem 75-Jährigen aber noch nicht zugeteilt worden. So war es nach 95 Tagen Tour de Brazil und rund 12.000 Fackelträgern Vanderlei de Lima dem die große Ehre zu Teil wurde. Der 46 Jahre alte ehemalige Marathonläufer, der 2004 in Athen Bronze gewann, obwohl ihn ein verwirrter kostümierter Zuschauer auf der Strecke attackiert hatte, entfachte um 23.48 Ortszeit das olympische Feuer, das erstmals von einer beweglichen Skulptur geschmückt und getragen wird.
Heftige Buhrufe gegen Brasiliens Übergangspräsident Temer
Brasiliens umstrittener Interimspräsident Michel Temer hatte zuvor nur einen winzigen Auftritt: Der 75-Jährige erklärte die Spiele unter heftigen Buh-Rufen und Pfiffen für eröffnet, ehe er nach nur wenigen Sekunden wieder abtauchte und ein knappes Feuerwerk die Unmutsbekundungen übertönte. IOC-Präsident Thomas Bach hingegen bekam reichlich Applaus, allerdings sparte der 62-Jährige auch nicht mit Lob für Gastgeber und Athleten – und das IOC selbst.
Nicht nur die Eröffnungsfeier geriet bescheidener als ihre Vorgänger – auch das Feuer wird bis zum Ende der Spiele am 21. August auf Sparflamme brennen. Energiesparend und klein soll die Flamme nach dem Willen der Organisatoren flackern, dafür aber nicht nur im Stadion, sondern auch in Rios Innenstadt auf dem Platz Praca Pio X.