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Bekam am Anfang das Privileg des Einzelunterrichts: Lucas Tousart (rechts) und Herthas Trainer Bruno Labbadia.
© Andreas Gora/dpa

Lucas Tousart steigt ins Training ein: Ein „Natural Born Leader“ für Hertha

Mit strategischer Reife soll der Franzose die Berliner nach Europa führen. In seiner Spielweise erinnert Tousart an den jungen Sami Khedira.

In einer kleinen Trinkpause auf dem Trainingsplatz schnappte Bruno Labbadia sich Lucas Tousart. Dem französischen Neuzugang kam am Donnerstag das Privileg des Einzelunterrichts zu. Weil dieser noch kein Deutsch spricht, teilte Herthas Trainer dem Neuen kurz in Englisch mit, worauf er in dieser Übung besonderen Wert lege. 

Die Übung selbst hatte Tousart natürlich begriffen. „Fußball ist eine universelle Sprache“, sagte Tousart später nach dem Training in einer kleinen Medienrunde, die eine junge Frau aus seiner Muttersprache ins Deutsche übersetzte. Zur Begrüßung entschuldigte er sich dafür, noch kein Deutsch sprechen zu können, „ich werde die Sprache möglichst schnell lernen“.

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Bereits am Dienstag, gleich nach dem ersten Mannschaftstraining von Hertha BSC in Vorbereitung auf die neue Spielzeit, hatte Labbadia den 23-Jährigen einvernommen. Eine Plauderei, wie Labbadia hinterher erzählte, nichts Taktisches oder so, einfach mal kurz austauschen, ob und wie alles so laufe. Enge und rege Zusammenkünfte sind unter den strengen, coronavirus-bedingten Regelungen kaum möglich. Alles okay, bedeutete Tousart seinem neuen Berliner Trainer. Ja, er habe in Mitte eine Wohnung gefunden, seine Freundin ist auch da, nun könne er sich ganz auf den Job konzentrieren, seine Mitspieler kennen lernen und sich integrieren.

Hertha erwartet nicht wenig vom teuersten Neuzugang der Vereinsgeschichte

Hertha erwartet nicht gerade wenig von dem teuersten Neuzugang der Vereinsgeschichte. Rund 25 Millionen Euro hatte Hertha in der Winterpause für den Mittelfeldspieler von Olympique Lyon bezahlt, ihn dann aber wieder an die Franzosen bis Ende Juni ausgeliehen. Wegen der Uefa-Sonderregelungen im Zuge der Coronavirus-Pandemie hätte Tousart am 7. August theoretisch das Achtelfinal-Rückspiel bei Juventus Turin für Lyon bestreiten können. 

Immerhin hatten die Franzosen das Hinspiel im Februar mit 1:0 gewonnen – dank eines Treffers von Tousart. Zwischen allen Beteiligten habe man sich schließlich geeinigt, das Verletzungsrisiko sei zu groß gewesen. In diesem Fall hätte es dann wohl auch rechtliche Schwierigkeiten gegeben. Bei den Berlinern soll Tousart nicht weniger als jene Lücke im Zentrum des Spiels füllen, die Per Skjelbred und Marko Grujic hinterlassen haben. Heutzutage ist die Position des Sechsers die strategisch anspruchsvollste. Auf dieser Position ist man das Scharnier zwischen Abwehr und Angriff. „Ich sehe mich schon als intelligenten Spieler und bringe für die Rolle auch die nötige Körperlichkeit mit“, sagte Tousart.

Tousart ist jung - aber erfahren

Mit gerade mal 23 Jahren ist Tousart noch recht jung, aber doch schon vergleichsweise erfahren. Seit seinem Profidebüt 2015 hat er für Lyon 114 Meisterschaftsspiele (3 Tore/3 Assists), 15 Champions-League- (2/1) und 16 Europa-League-Spiele (1/1) absolviert. Bei Olympique beeindruckte mit er seiner Reife, seiner Handlungsschnelligkeit und seiner körperlichen Präsenz. 

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In Lyons 4-2-3-1-System spielte er meist in einem Sechser-Duo, er könne diese Rolle aber auch allein besetzen, wenn vor ihm zwei Achter spielen. In der Zentrale könne er alles spielen. „Lucas ist ein strategischer Spieler, der Bälle geschickt klauen und nach Ballgewinn schnell umschalten kann. Er macht Tore, ist stark bei Standards“, sagt Labbadia. „Wir glauben an seine Fähigkeiten, müssen ihm aber auch Zeit geben, er spielt das erste Mal im Ausland, und, er hat vier Monate nicht mehr auf dem Platz gestanden.“ Solange fiele sonst nur ein Spieler nach einer schweren Verletzung aus, „bei ihm sieht man, was Corona für Nebenwirkungen haben kann“.

Zwei Monate hat er sich in seinem Garten fit gehalten

Na ja, sagte Tousart, zwei Monate habe er „komplett“ zu Hause bleiben müssen, „zum Glück habe ich einen großen Garten“, in dem er sich fit halten konnte. Auch Hertha habe ihm immer wieder Aufgaben für die individuelle Trainingsarbeit übergeben. Labbadia berichtete sogar von „Live-Sessions“, die man in den zurückliegenden Wochen immer mal wieder durchgeführt habe.

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Tatsächlich erinnert Tousart in seiner Spielweise und seiner Körperhaltung an den jungen Sami Khedira. Wie der spätere Weltmeister, der inzwischen 33 ist und mit Juventus Turin gerade zum fünften Mal in Folge Italienischer Meister wurde, ist Tousarts Spiel von körperlicher Robustheit, strategischer Reife sowie einem ausgeprägten Leadership gekennzeichnet. 

Tousart - ein „Natural Born Leader“?

Auch Khedira hatte beim VfB Stuttgart in jungen Jahren Führungsqualitäten nachgewiesen, wurde 2007 Deutscher Meister und führte die deutsche U-21-Mannschaft 2009 als Kapitän zum EM-Titel. Tousart beispielsweise führte die französische U-19-Nationalmannschaft 2016 als Kapitän zum EM-Titel. Vielleicht ist Tousart auch ein „Natural Born Leader“, wie es Khedira war. Auch der Franzose wird nicht unbedingt für die erregenden und auffälligen Momente eines Fußballspiels zuständig sein. 

Spielertypen wie er werfen das große Bild eines Spiels auf den Rasen, sie bringen sich mit viel Verve ein, sie dienen dem Team. Ihr Spiel ist darauf angelegt, ihre Nebenleute zum Glänzen zu bringen und dabei alles in der Balance zu halten. Nun also Hertha. Um eine klare Zielvorgabe ist Lucas Tousart jedenfalls nicht verlegen. „Wir wollen eine gute Saison spielen. Dann können wir uns für den Europapokal qualifizieren.“ Aber erst einmal wolle er Deutsch lernen. „Es ist ein Minimum, die Sprache des Landes zu können, in dem man arbeitet und lebt.“

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