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Jürgen Klinsmann hinterließ Hertha BSC nicht nur ein „HaHoHe, Euer Jürgen“, sondern auch ein Protokoll, das es in sich hatte
© dpa/ Britta Pedersen

„HaHoHe, Euer Jürgen“: Ein Jahr ist Klinsmann weg – aber er hat etwas angestoßen bei Hertha

Vor einem Jahr hörte Jürgen Klinsmann auf bei Hertha BSC. Die Art und Weise, wie er flüchtete, war zwar falsch. Aber er hat etwas angestoßen. Ein Kommentar.

Manchmal ist es hilfreich, die Dinge von ihrem Ende her zu betrachten. Vor einigen Tagen trennte Hertha BSC sich von Michael Preetz nach beinahe zwölf Jahren als Geschäftsführer. Seit genau einem Jahr ist auch Jürgen Klinsmann nicht mehr da. Der war nach nur drei Monaten und über Nacht aus dem Traineramt getürmt. Über Facebook ließ er nicht nur ein „HaHoHe, Euer Jürgen“ zurück, sondern wenig später auch ein Protokoll, das es in sich hatte. Es war - wenn man so will - der Anfang vom Ende für Preetz.

Das 22-seitige Protokoll hatte Klinsmann in seiner übergeordneten Rolle als Berater des Investors Lars Windhorst erstellt. Für den internen Gebrauch. Dass es an die Öffentlichkeit kam, schadete allen Beteiligten. Dem einen gleich, dem anderen später. In der Sache stand im Protokoll das, was viele dachten.

Klinsmann attackierte Preetz, er warf dem Manager schwere Versäumnisse vor. Im Verein herrsche eine Lügenkultur ohne Anspruchsdenken. „Der Klub hat keine Leistungskultur, nur Besitzstandsdenken, und es fehlt jegliches Charisma in der Geschäftsleitung.“ Klinsmanns Fazit: Die handelnden Personen müssen „komplett ausgetauscht“ werden, damit langfristiger Erfolg überhaupt möglich ist.

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Insbesondere bei der Bestellung von Trainern lag Preetz auffallend oft daneben. Und es waren viele. Funkel, Skibbe, Rehhagel, Covic – um nur einige zu nennen. Die Idee allerdings, auf Klinsmann zu setzen, setzte dem Ganzen die Krone auf. Für Preetz persönlich war es die größte Fehlleistung. Für Hertha war es gut.

Klinsmann das Traineramt zu überlassen, zeugte von abstruser Selbstgewissheit bis Selbstüberschätzung. Vielen in der Branche war klar: Man holt einen Klinsmann nicht einfach mal so zum Übergang. Preetz fühlte sich zu sicher in der verfilzten Führungsstruktur des Vereins um Klub-Präsident Werner Gegenbauer. Dieser hatte Preetz 2009 ins Amt gehievt, ihm gleich zwei Abstiege in drei Jahren und über die Jahre bisweilen wirre Personalentscheidungen verziehen.

Die Machtverhältnisse im Verein haben sich verändert

Preetz war Gegenbauers Idee, er war sein Mann. Gegenbauer schützte und stützte Preetz, wann immer dieser in die Kritik geriet. Was nicht selten war. Einmal verknüpfte Gegenbauer seine Wiederwahl an das Schicksal von Preetz.

Gegenbauer wollte nicht verlieren, er wollte in seiner wichtigsten Personalie unter allen Umständen Recht behalten. Aus dieser Idee sind fast zwölf Jahre geworden. Sportlich vorangekommen ist der Verein ist dieser Zeit nicht.

Doch spätestens mit Windhorsts Einstieg und Klinsmanns unfreiwilligem Mut haben sich die Machtverhältnisse im Verein verändert. Im vorigen Oktober ist Präsident Gegenbauer nur mit 54 Prozent der Stimmen, seinem schlechtesten Wahlergebnis seit 2008 überhaupt, wiedergewählt worden. Hätte es einen Gegenkandidaten gegeben – wer weiß.
Die Art und Weise, wie Klinsmann damals flüchtete, war falsch und unanständig. Aber er hat etwas angestoßen. Ein Jahr ist das jetzt her. Aber ganz zu Ende ist die Sache noch nicht.

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