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Alles Einstellungssache. Für Cedric Enard ist die Mentalität der Spieler entscheidend.
© Imago

Cedric Enard: Ein innovativer Stratege wird neuer Volleys-Trainer

Cedric Enard trainiert künftig den deutschen Volleyball-Meister: Der Franzose gilt als Taktikexperte – kommt aber mit Doppelbelastung.

Von Johannes Nedo

Lange überlegen musste Cedric Enard nicht. Als er von seinem Berater hörte, dass die BR Volleys daran interessiert sind, ihn als Trainer zu verpflichten, war für ihn gleich klar: „Das muss ich machen.“ Die Gründe liegen für den Franzosen auf der Hand. „Die Volleys sind eine große Nummer in Europa“, sagt der 42-Jährige, der in der abgelaufenen Saison mit dem französischen Spitzenklub Tours VB den Meistertitel gewann. „Jetzt will ich den nächsten Schritt machen. Ich will einen großen europäischen Klub betreuen und um weitere Titel spielen.“

Von der kommenden Saison an wird Enard also in Berlin nach Titeln streben. Wie der Tagesspiegel exklusiv vorab erfuhr, hat er einen Zweijahresvertrag bei den Volleys unterschrieben. Enard folgt damit auf Stelian Moculescu, der im Februar eine verunsicherte Berliner Mannschaft übernommen und noch zum deutschen Meistertitel geführt hatte. „Wir haben Cedric Enard schon länger beobachtet“, sagt Volleys-Manager Kaweh Niroomand. „Von vielen Spielern und Trainern haben wir zudem nur Gutes über ihn gehört. Er ist ein exzellenter Stratege.“

Enard, der sehr gut Englisch spricht, spielte während seiner aktiven Karriere auf der Position des Mittelblockers, einmal wurde er Französischer Meister. Als Trainer ist er bereits erfolgreicher. Mit Toulouse, wo er sechs Jahre Chefcoach war, wurde er 2017 Vizemeister. Danach triumphierte er gleich in seinem ersten Jahr in Tours.

Enard arbeitet zusätzlich auch als Co-Trainer der Franzosen

Dort spielte auch Volleys-Neuzugang Moritz Reichert unter Enard. Und der Außenangreifer ist sehr angetan von seinem alten und neuen Trainer. „Er hat viel Energie und Leidenschaft. Seine Stärken liegen im taktischen Bereich. Er kann die Mannschaft super einstellen“, sagt Reichert. Auch Niroomand betont: „Enard spielt innovativen Volleyball und nicht nur Kraftvolleyball.“

Enard selbst beschreibt seine Philosophie folgendermaßen: „Die Mentalität der Spieler ist für mich entscheidend. Sie müssen zusammen ein System bilden. Ich spreche viel mit den Spielern und analysiere viel mit Videostudium – und ich bevorzuge viel Aktivität auf dem Feld.“ Damit führte Enard schon einige Mannschaften zu Erfolgen. Deshalb traut er sich auch zu, den großen Umbruch im Team der Volleys erfolgreich zu gestalten. Schließlich haben nicht nur die herausragenden Führungsspieler Robert Kromm und Paul Carroll die Berliner verlassen, sondern auch Leistungsträger wie Luke Perry, Graham Vigrass und Pierre Pujol. Und weitere könnten folgen. Von der Stammformation, die den dritten Meistertitel in Folge gewann, könnte nur ein Spieler übrig bleiben.

„Genau so eine Herausforderung eines Neuaufbaus will ich“, sagt Enard. „Ebenso will ich die hohen Erwartungen an Siege und Titel in Berlin.“ Bei der Zusammenstellung des neuen Teams seien Niroomand und er schon sehr weit, betont Enard. „Wir werden viele ehrgeizige Spieler mit viel Talent im Kader haben.“ Die bislang verpflichteten Nationalspieler Moritz Reichert und Jan Zimmermann belegen Enards Strategie. Auch mit Denis Kaliberda, einem der Stars des deutschen Nationalteams, verhandeln die Volleys derzeit. „Da ist aber alles noch offen. Ich habe auch keinen Zeitdruck“, sagte der Außenangreifer dem Tagesspiegel.

Mit dem Faktor Zeit sieht es bei Enard nicht so entspannt aus. Weil er auch als Co-Trainer der französischen Nationalmannschaft arbeitet, ist er fast den gesamten Sommer mit dem Team unterwegs. Ende August, zum Start der Saisonvorbereitung, wird er wohl für ein paar Tage nach Berlin kommen und danach aber auch gleich weiterreisen: zur WM.

Erst wenige Wochen vor dem Saisonstart trifft Enard in Berlin ein

Da die Franzosen dort zu den Mitfavoriten gehören, kann es gut sein, dass Enard erst nach dem WM-Finale Ende September zu den Volleys stößt – maximal drei Wochen vor dem Beginn der Bundesliga-Saison. „Das ist der einzige Haken an seiner Verpflichtung“, sagt Niroomand. „Wir werden noch einen guten Co-Trainer holen und müssen das dann überbrücken.“ Enard ist sich bewusst, dass es keine ideale Situation ist, betont aber: „So war es im vergangenen Jahr in Tours auch, und am Ende sind wir Meister geworden. Ich kenne das also.“

Für ihn gibt es sogar noch einen wichtigen Punkt, der ihm die kurze Eingewöhnungszeit in Berlin im Vergleich zu Tours erleichtern wird. Enards Familie, seine Frau und seine drei Töchter, waren in der vergangenen Saison nicht bei ihm in Tours, sondern wohnten noch in Toulouse, mehr als 500 Kilometer entfernt. Doch nun kommen alle mit nach Berlin. „Das wird mir sehr helfen“, sagt er.

Enard muss in den nächsten Wochen und Monaten also viel planen und absprechen. „Das wird ein spannender Sommer, in dem es für mich wirklich fast nur Volleyball geben wird“, sagt er. Aber ihm war ja von Anfang an klar: „Ich muss das machen in Berlin.“

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