Volleys-Trainer Stelian Moculescu: "Wir Alten sind ja nicht bescheuert, nur weil wir alt sind"
Trainer Stelian Moculescu über unnütze Hierarchien, den Flirt mit Berlin, seine Ziele mit den BR Volleys – und das Spiel gegen seinen Ex-Klub VfB Friedrichshafen am Mittwoch.
Herr Moculescu, am Mittwoch treffen Sie mit den BR Volleys auf den VfB Friedrichshafen. Wie fühlt sich das für Sie an?
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das kein besonderes Spiel für mich ist. Natürlich ist es das. Ich war 19 Jahre Trainer in Friedrichshafen und werde ja nach meinem Engagement bei den Volleys auch wieder dorthin zurückkehren. Aber seitdem ich nicht mehr Trainer dort bin, war ich kein einziges Mal mehr in der Halle. Das Kapitel VfB Friedrichshafen ist zugeschlagen.
Das Kapitel Volleyball aber nicht. Warum haben Sie Ihren ruhigen Lebensabend mit einem Trainerjob bei den Volleys eingetauscht?
Mir war nicht langweilig. Berlin interessierte mich schon immer, die Volleys mit dieser großen Halle. Deswegen hatte der Anruf von Manager Niroomand schon einen Lack für mich, wie der Österreicher sagt– es machte Sinn. Und ich genieße nun meine Zeit hier, mein kleines Abenteuer.
Ihr kleines Abenteuer?
Meine Frau und ich haben ein schönes Haus in Friedrichshafen, nur wenige hundert Meter entfernt vom Bodensee. Wir leben sehr gut. Aber ab und zu muss man auch mal raus. Hier in Berlin haben wir eine kleine Zweizimmer-Wohnung nahe dem Glockenturm. Wir müssen zusammenrücken. Aber das macht uns nichts aus. Wir machen es uns schön. Abends öffnen wir mal eine Flasche Wein und genießen unseren kleinen Flirt hier mit Berlin. Und wenn wir dann wieder an den Bodensee zurückkehren werden, werden wir das, was wir zu Hause haben, wieder mehr zu schätzen wissen. Wissen Sie, vor meiner Flucht 1972 lebte ich in Rumänien mit meiner Großmutter und meiner Mutter in einem Zimmer. Ich weiß, was Mangel bedeutet. Auch mit ihm lässt es sich leben.
Das heißt, Sie werden die Volleys nach dieser Saison wieder verlassen?
Ich will mich nicht mehr auf irgendwas festlegen, weil man nie weiß, was noch kommt. Aber viel kommt da bei mir sicher nicht mehr. Mein Auftrag hier ist: Ich komme als Feuerwehrmann, der in dieser Saison noch alles erreichen möchte, was möglich ist. Das steht aktuell im Mittelpunkt, alles andere wird zu einem späteren Zeitpunkt besprochen.
Wollen Sie sich den Stress längerfristig nicht mehr antun?
Was heißt Stress. Mir geht es ja wieder richtig gut. Anders als noch vor 20 Monaten, als ich in Friedrichshafen aufgehört habe. Ich habe mir kürzlich die Bilder von dem Abschied angeschaut, den mir die Berliner in der Max-Schmeling-Halle bereitet haben. Ich sah total fertig aus, Flasche leer. Es wurde damals wirklich Zeit, aufzuhören. Hier in Berlin bin ich wieder nur Trainer. Um das andere muss ich mich nicht mehr kümmern. Leute, die mich erleben, sagen zu mir: Du bist wie früher.
Haben Sie sich in Friedrichshafen zu viel aufgebürdet?
Ich musste es, es war ja sonst niemand da. Das hat schon an mir gezehrt. Mit 30, 40 Jahren geht das noch. Aber mit 50, mit 60 wird das eben immer schwieriger. Ich habe viele Aufgaben im kaufmännischen Bereich übernommen und war auch immer auf der Suche nach einem guten Manager, ähnlich vielleicht, wie Niroomand immer einen Trainer gesucht hat. Man kann daher schon sagen: Es hat zusammengefunden, was zusammengehört.
Wobei für Außenstehende nicht davon auszugehen war, dass Sie beide mal zusammenarbeiten werden. Über viele Jahre haben Sie sich gestritten. Sie haben sich nicht einmal mehr die Hand gegeben.
Es ist kein Geheimnis, dass wir unsere Kämpfe hatten und uns manchmal regelrecht bekriegt haben. Aber anstatt sich die Leute die ganze Zeit darüber wundern, warum sich zwei, die miteinander gestritten haben, nun zusammenarbeiten, sollten sie sich doch freuen, dass man Gräben wieder zuschütten kann. Wir sind in dieser Hinsicht doch Vorbilder.
Kaweh Niroomand steht bei Heimspielen nicht unweit der Trainerbank und ruft gerne auch mal lautstark in Richtung Spieler oder Schiedsrichter. Wie finden Sie das?
Mich stört eigentlich gar nichts mehr. Ich mache meinen Job und wenn sich da hinten einer aufregt, soll er sich aufregen. Ist doch schön, dann regen sich wenigstens zwei auf. Das ist hier ja nicht so wie in Rumänien, wo schon einmal der Präsident beim Trainer anruft und ihm sagt, was er machen soll. So lange ich da bin, habe ich sportlich das Sagen. Zumal das Vertrauen in meine Person nach 40 Trainerjahren und fast 50 Titeln schon da ist.
In der Vergangenheit kritisierte Niroomand auch gerne mal die Trainer, wenn sie es wagten, Führungsspieler wie Carroll oder Kromm länger auf die Bank zu setzen. Berücksichtigen Sie solche hierarchische Konstellationen?
Nein, das hat es bei mir noch nie gegeben. Ich habe nie auf Namen oder irgendwas Rücksicht genommen. Es ist ja so, wenn wir verlieren, muss ich den Kopf hinhalten. Mein Prinzip ist: Ich mache das, was ich will. Wenn ich anfange, auf den zu hören oder den zu hören, dann habe ich schon verloren.
Sie galten früher als streng, als harter Hund, wie man im Sport sagt.
Man muss im Leistungssport mit Leuten umgehen können, sie führen und Prinzipien einhalten. Das hat nichts mit harter Hund zu tun. Dieses Autoritäre liegt bei mir schon ewig zurück. In den Siebzigerjahren im Ostblock war ich als Spielertrainer sehr streng. Da habe ich durch meine Sozialisation Druck ausgeübt, da sind die Leute stramm gestanden. Aber als ich dann im Westen war, habe ich schnell gemerkt, dass ich mich ändern muss, um erfolgreich zu sein.
Verbessert man einen Spieler durch Lob oder durch Kritik?
Meine Erfahrung ist, dass man Leute eher über das Positive mitnimmt und verbessert. Aber im Volleyball ist auch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Wenn einer nicht auf mich hört, dann gibt es schon Situationen, in denen ich sage: Du, pass auf Spezi, du machst das jetzt mal!
Was sagt das eigentlich über den Volleyball in Deutschland aus, wenn der erfolgreichste Klub auf einen Trainer zurückgreift, der 67 Jahre alt ist?
Zunächst einmal sind wir Alten nicht bescheuert, nur weil wir alt sind. Wenn man über die Volleyballtrainer in Deutschland redet, muss man wissen, wie die hier bezahlt werden. Nämlich sehr schlecht. Das Profil des Berufstrainers gibt es im Grunde gar nicht. Ich habe viele talentierte Trainer erlebt, die irgendwann was anderes, zum Beispiel Lehrer geworden sind, weil sie Wert auf Sicherheit gelegt haben. Das ist die deutsche Mentalität und das ist auch nicht verwerflich. Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich 15 Jahre lang für null Mark trainiert. Zehn Jahre davon stand ich fünf- oder sechsmal in der Woche in der Halle. Das war ein Wahnsinn und ich habe das auch nur gemacht, weil meine Frau mich unterstützt hat. 1987 wurde ich dann Nationaltrainer und habe meinen Job bei einer Firma in München gekündigt. Die haben zu mir damals gesagt: ‚Ja spinnst du denn. Du gibst deinen sicheren Job für so etwas auf.‘
Mussten Ihre hohen Ansprüche an den eher rückständigen deutschen Volleyball nicht zwangsläufig scheitern? Es ist ja immer noch so: Der Verband ist bei Länderspielen nicht einmal in der Lage, die Nationalspieler zu bezahlen und die Liga schafft es nicht, einen Ligasponsor aufzutreiben.
Sagen wir mal so: Es hat mir mein Leben schon schwer gemacht. Das, was ich investiert habe, war und ist keiner bereit, für den Volleyball zu tun. Ich habe 40 Jahre lang in Deutschland für diesen Volleyball gekämpft und meine Spuren hinterlassen. Und trotzdem habe ich für mein Engagement ein paar Mal richtig auf die Schnauze bekommen. Das hat mich getroffen. Aber für mich ist das erledigt. Ich bin jetzt einfach nur Trainer und das stimmt mich glücklich.
In der Champions League treffen Sie auf Friedrichshafen, das seit über 30 Spielen nicht mehr verloren hat. Wie sehen Sie Ihre Chancen?
Es wird schwer. Die spielen einen sehr geduldigen, auf Fehlervermeidung ausgerichteten Volleyball. Dann haben sie mit Simon Tischer einen tollen Zuspieler. Da musst du einen Schlüssel finden. Ich hoffe, wir finden den.
Was sind Ihre Ziele in dieser Saison mit den Volleys?
Wir wollen Deutscher Meister werden. Etwas anderes zu sagen, wäre Blödsinn.