Abgerutscht auf Platz sechs: Ein Hauch Rückrunde bei Hertha BSC
Zwei Auswärtsniederlagen in Folge sollten Hertha nicht gleich in eine tiefe Krise stürzen. Jeder weiß aber, wie schnell ausbleibende Erfolgserlebnisse eine Mannschaft verunsichern können.
Julian Schieber war geladen. Herthas Stürmer, dem tags zuvor in Freiburg immerhin der Anschlusstreffer zum 1:2 gelungen war, nahm die Übungseinheit am Montag ernst. Er rackerte und schubste, er schoss ein paar Trainingstörchen und stapfte verschwitzt vom Trainingsplatz. „Wir müssen früher und öfter die Box suchen“, hatte der für die Schlussminuten eingewechselte Stürmer gleich nach der Niederlage im Breisgau gesagt. Und ja, bei zwei langen Bälle, die zu den Gegentoren führten, „haben wir leider geschlafen“.
Tatsächlich konnten die Berliner ihre defensive Schlafmützigkeit und offensive Harmlosigkeit vom Vor-Wochenende in Leverkusen (1:3) in Freiburg noch einmal steigern. Beide Gegentore wären ohne Hexerei vermeidbar gewesen, und die wenigen eigenen Abschlüsse verfehlten in der Hauptsache ihr Ziel, ein Schuss wurde gehalten, und Schiebers Treffer aus dem Gewühl heraus war am Ende insgesamt zu wenig.
Zu wenig, das trifft es ganz gut. Vieles ist in jüngster Zeit bei Hertha zu wenig. Zu wenig Mut und Überzeugung im eigenen Spiel, zu wenig Esprit und Energie, zu wenig Lust und Leichtigkeit. Hertha will derzeit Fußball mehr verhindern als spielen. Die Mannschaft wirkt zauderhaft und bisweilen überzeugungslos. Die Kalamitäten, in denen Hertha steckt, allein mit dem wochenlangen Ausfall Mitchell Weisers zu erklären, wäre – zu wenig.
Die Mannschaft, die als Tabellendritter in die Winterpause ging, ist nach zwei Niederlagen in 2017 auf Platz sechs abgerutscht, weshalb der Anhang auf unschöne Weise von einem noch unschöneren Gefühl beschlichen wird. Das Gefühl einer scheinbar unabwendbaren Gewohnheit, wonach Hertha Rückrunde einfach nicht kann. Nach einer tollen Hinrunde folgt in schöner Regelmäßigkeit eine schwache Berliner Rückrunde. Noch ist aus dieser Ahnung noch keine Gewissheit geworden, aber der Anfang dazu ist schon mal gemacht.
Man müsse jetzt nicht in Hektik verfallen, sagt Trainer Dardai
Nun sollten zwei Auswärtsniederlagen in Folge einen Klub nicht gleich in eine tiefe Krise stürzen, nur stimmen die Leistungen und Ergebnisse seit Anfang Dezember nicht mehr. Seit der Heimniederlage gegen Bremen hat Hertha vier der zurückliegenden fünf Spiele verloren und lediglich das Heimspiel gegen den Abstiegskandidaten Darmstadt gewonnen. Vor allem ist Hertha auf fremden Plätzen erschreckend schwach. Ein Manko, das sich aber durch die gesamte Spielzeit zieht. In zehn Spielen holen die Berliner ganze neun Punkte, was ihnen in dieser Disziplin gegenwärtig nur Platz zehn in einer solchen Tabelle einbringt. Alle fünf in der echten Tabelle vor Hertha stehenden Mannschaften haben deutlich mehr Auswärtspunkte auf dem Konto, sogar Köln, Augsburg, Leverkusen und selbst Wolfsburg können das von sich behaupten.
Pal Dardai will sich und seiner Mannschaft eine Krise nicht einreden lassen. Zwar entwickele die Mannschaft derzeit zu wenig Torgefahr, aber es habe andererseits noch „keine Chaosmomente“ gegeben. Beide Niederlagen ließen sich auf individuelle Fehler zurückführen. Hier darf sich vor allem John Anthony Brooks angesprochen fühlen, der sowohl in Leverkusen als auch in Freiburg unglücklich in seinem Abwehrverhalten agierte. „Beim zweiten Freiburger Tor haben wir eine 4:1-Überzahl an Spielern, solche Dinge müssen wir anders lösen. Diese Fehler sind nur schwer zu kompensieren“, sagte Dardai.
Der Ungar weiß, dass im Fan-Anhang und in Teilen des Vereins selbst Diskussionen einsetzen. Die beiden zurückliegenden Spiele haben eben nicht die latenten Zweifel zerstreuen können, die Hertha in eine Rückrunde begleiten. Im Gegenteil. Noch im Wintertrainingslager haben sich alle ihrer Absicht und ihrer Überzeugung versichert, nicht in die alte Rückrundenschwäche zu verfallen. Jeder weiß aber, wie schnell ausbleibende Erfolgserlebnisse eine Mannschaft verunsichern können.
Pal Dardai stemmt sich gegen eine solche Entwicklung. Ja, es sei „kein schönes Gefühl“, im neuen Jahr noch ohne Punkte dazustehen, daher müsse am kommenden Samstag im Olympiastadion der FC Ingolstadt unbedingt bezwungen werden. Dann wäre Hertha im Plan – in „meinem Negativplan“, wie er interessanterweise nachschob.
Man müsse jetzt nicht unsicher werden, oder in Hektik verfallen. Schon gar nicht über eine Krise reden, sondern ruhig weiterarbeiten. Er habe gute Spieler zur Verfügung, „sie müssen fit sein und Selbstvertrauen haben, das muss ich als Trainer hinkriegen“.
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