Eisbären-Trainer Clement Jodoin im Interview: "Ein Eishockeyspieler ist ein Künstler"
Eisbären-Trainer Clement Jodoin spricht im Interview zum CHL-Start über Berlin, seine Philosophie und Bergwandern in Kanada.
Monsieur Jodoin, was haben Sie von der Stadt Berlin erwartet, als Sie vor einem Jahr hierhergekommen sind?
Ehrlich? Ich wusste fast nichts über Berlin. Nur, dass es eine große Stadt ist.
Und wie fällt Ihr Urteil jetzt aus?
Inzwischen fühle ich mich hier wie zuhause. Ich empfinde Berlin als eine sehr internationale Stadt. Es gibt von jedem ein bisschen: Das kulturelle Leben mit Shows, Kino, Theater oder klassischer Musik. Und dazu kommt noch die spezielle Geschichte Berlins. Auch wenn man in meinem Geschäft wenig Zeit hat, so versuche ich doch, mir immer wieder ein paar Stunden zu nehmen, um das alles irgendwie aufzusaugen. Zumal du überall hingehen kannst, ohne das Auto benutzen zu müssen. Der öffentliche Nahverkehr hier ist wirklich großartig.
Auch die Eisbären Berlin haben ja eine spannende Geschichte…
Ja, Stefan Ustorf hat mir viel davon erzählt. Zum Beispiel, dass sie früher 20 Mal im Jahr gegen Weißwasser gespielt haben. Das ist aus heutiger Sicht natürlich komisch. Aber alles hat irgendwo seinen Anfang. Und es gab damals zumindest Eishockey in der DDR und hat bis heute überlebt. Dass wir jetzt am Wochenende zweimal im Wellblechpalast spielen, ist für mich auch deswegen sehr besonders.
Wie ist es denn, wenn man vom Eishockey-Mutterland Kanada nach Deutschland kommt?
Für mich ist das hier nicht nur ein Job. Ich möchte meine Expertise weitergeben und sie mit anderen Menschen teilen. Es geht ja nicht nur darum, irgendwelche Trainingsformen auf dem Eis auszuprobieren. Ich sage immer: Ein Eishockeyspieler ist ein Künstler. Meine Aufgabe ist es, ihm die passenden Werkzeuge zu verschaffen. Wenn dir das gelingt, wird er dir ein ganz besonderes Kunstwerk zeichnen, dass sich jeder gern ansieht.
Trotzdem ist Eishockey in Kanada doch viel größer als hier.
Schon. Aber es gibt in meiner Heimat auch immer mehr Kinder und Jugendliche, die Fußball spielen. Das ist viel günstiger. Eishockey ist so ein bisschen wie Polo geworden, viele Eltern können es sich nicht mehr leisten, ihre Kinder dahin zu schicken. Hier bei den Eisbären wird viel versucht in der Nachwuchsarbeit. Aber um noch mehr Erfolg zu haben, bräuchte es vielleicht vier Trainingshallen in der Stadt in vier verschiedenen Bezirken. Auch, damit die Kinder nicht so viel Zeit mit dem Hin- und Herfahren verbringen müssen.
Bei Olympia hat Deutschland Kanada im Viertelfinale ausgeschaltet. Wie haben Sie das erlebt?
Ich habe mich ehrlich gefreut, weil es gut für den Sport war. Aber darauf darf man sich jetzt nicht ausruhen, sondern muss noch härter arbeiten. Klar ist, dass das deutsche Eishockey sich damit Respekt verschafft hat. Das gilt auch für die Liga und das wollen wir bestätigen, gerade jetzt in der Champions Hockey League gegen die anderen europäischen Teams.
Für viele Eishockey-Begeisterte in Deutschland sind die Duelle in der Champions Hockey League (CHL) aber nur Freundschaftsspiele mit einem anderen Namen.
Natürlich kannst du nur auf deine eigene Liga schauen (legt die Hände seitlich an die Augen und imitiert den Tunnelblick). Du kannst aber auch nach Europa gucken (öffnet jetzt die Handflächen und blickt nach links und rechts). Für mich ist die CHL sehr interessant, sie hat definitiv nichts mit Freundschaftsspielen zu tun. In der CHL kannst du etwas gewinnen. Du kannst Meister werden und deswegen ist es gut. Das wissen auch meine Spieler.
Organisiere dein Team, bevor es dich organisiert
Für Sie ist es am Freitag gegen den EV Zug das erste Pflichtspiel als Cheftrainer der Eisbären. Was hat sich durch die Beförderung vom Assistenten zum hauptverantwortlichen Trainer für Sie geändert?
Für mich war es sicherlich gut, dass ich hier als Assistenz-Coach von Uwe Krupp eingestiegen bin. Jetzt kenne ich die Liga, ich weiß wie es hier läuft und muss nicht mehr alles neu entdecken. Ich kann mich jetzt voll auf meine Aufgabe konzentrieren. Aber das geschieht immer gemeinsam im Team. Ich bin nur derjenige, der die letzte Entscheidung trifft.
Inwieweit hilft Ihnen Ihre Erfahrung in Ihrem Job. Verspüren Sie weniger Druck?
Den Druck mache ich mir schon selbst. Ohne geht es auch gar nicht, sonst sieht es irgendwann so aus, als würde dich dein Job nicht weiter kümmern. Ich arbeite nach einem bestimmten Plan, damit wir besser werden. Struktur und Organisation sind dabei sehr wichtig: Ich sage immer: Organisiere dein Team, bevor es dich organisiert.
Wenn Sie über Verbesserungen sprechen, was bedeutet das für eine Mannschaft, der in der letzten Saison nur ein Sieg zur Meisterschaft gefehlt hat?
Es wäre der schlimmste Fehler, in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu leben, statt sich den aktuellen Aufgaben zu stellen und nach Lösungen zu suchen. Deswegen denke ich über das, was war, gar nicht mehr nach.
Wie bewerten Sie die ersten Monate Ihrer Amtszeit?
Ich glaube man kann sagen, dass wir eine gute Vorbereitung hatten. Natürlich müssen wir noch an bestimmten Dingen arbeiten. Zum Beispiel an der Disziplin auf dem Eis. Insgesamt haben wir das bisher aber gut gemacht. Bloß: Das waren alles Freundschaftsspiele. Jetzt werden wir sehen, ob wir auch unter größerem Druck Leistung bringen können.
Sie sind 66 Jahre alt, haben ein tolles Haus in traumhafter Natur. Und trotzdem sind Sie jetzt hier inmitten dieser lauten Großstadt. Haben Sie nie darüber nachgedacht, das Leben nach einer langen Eishockey- Karriere im wohlverdienten Ruhestand zuhause in Kanada zu genießen?
Klar könnte ich das. Aber ich habe immer noch die Energie und die Leidenschaft in mir. Und so lange ich dazu noch gesund bin, denke ich darüber nicht nach. Wenn ich morgens ins Büro komme, sehe ich das auch nicht als Arbeit an. Es geht darum, besser zu werden. Auch für mich als Coach und auch, wenn ich schon 66 bin. Wenn ich irgendwann mein Lächeln bei der Arbeit verliere, dann ist es Zeit aufzuhören. Aber im Moment möchte ich noch ein Teil des Spiels sein. Weil es mir einfach Spaß macht und weil ich immer noch an und mit meinem Job wachse.
Gibt es denn auch Tage, an denen sie gar nicht an Eishockey denken?
Nicht viele (lacht). Aber wenn ich wirklich mal Zeit habe so wie zuletzt im Juli in Kanada, dann wandere ich auf den Berg hinter meinem Haus in Magog und sitze einfach da oben und genieße die Aussicht. Ansonsten mag ich es, Blaubeeren oder Himbeeren zu pflücken. Ich liebe es, so einfach wie möglich zu leben, mich an kleinen Dingen zu erfreuen.
Es gibt viele Leute, die liebend gern die Hektik des Alltags gegen so ein bisschen Ruhe eintauschen würden.
Das glaube ich schon. Aber denen sage ich: Bei uns gibt es auch einen richtigen Winter. Mit Himbeeren und Blaubeeren sieht es da eher schlecht aus (lacht).