Nach dem Sieg in der ersten Pokalrunde: Dortmunder Geduldsspiel mit Gänsehaut
Das 2:0 gegen Uerdingen zeigt: Gegen tiefstehende Gegner gibt es für den BVB noch viel zu verbessern. Im Zentrum steht aber ein anderer „Dortmunder Junge“.
Die Knackpunkte des Spiels gegen Uerdingen hatte Dortmunds Trainer Lucien Favre schnell gefunden. Was wäre gewesen, wenn Osayamen Osawe in der 38. Minute nach einem dicken Bock von Mats Hummels freistehend das 1:0 für den KFC erzielt hätte? Und was wäre gewesen, wenn der Führungstreffer von Marco Reus nach 49 Minuten dem Eingriff des Videoassistenten, den es im DFB-Pokal erst ab dem Viertelfinale gibt, zum Opfer gefallen wäre? Letztlich hatte Borussia Dortmund auch nach dem 1:0, dem ein Handspiel vorausging, genug Chancen, das Spiel zu entscheiden. Doch bedurfte es an jenem Freitagabend einer Menge Spielglück. Und das war, was Favre störte.
„Die erste Hälfte war nicht einfach, auch wenn wir ein paar Chancen hatten. Wir hatten Glück, dass wir in der zweiten Hälfte früh das 1:0 machen“, sagte der Schweizer. Die Uerdinger Verteidigung um den ehemaligen Dortmunder Kevin Großkreutz hatte es dem deutschen Vizemeister schwer gemacht, Chancen zu kreieren. Teilweise stand der Drittliga-Elfte mit allen Spielern im eigenen letzten Drittel. Die Borussia ließ den Ball zwar gut laufen und versuchte, über die schnellen Außen Jadon Sancho und Thorgan Hazard, die ständig die Seiten wechselten, zum Erfolg zu kommen. Klappen wollte es aber nicht so recht, sodass den größten Chancen durch Lukasz Piszczek und Hummels zwei Standards vorausgingen.
Es wurde ein Geduldsspiel. Eines, das die Dortmunder in ähnlicher Form in dieser Saison wohl des Öfteren erleben werden, da sich die Gegner, ob der offensiven Stärke des BVB, aufs Kontern konzentrieren werden. Es war somit ein komplett anderes Spiel als im Duell um den Supercup gegen den FC Bayern, als die Dortmunder den Meister und Pokalsieger mit schnellem Umschaltspiel immer wieder überrumpelten. Doch Favre wusste schon direkt nach dem Pokalspiel im Uerdinger Ausweichstadion in Düsseldorf, welche Schlüsse er für den Bundesliga-Auftakt gegen den FC Augsburg ziehen muss. „Wir müssen mehr auf der Seite spielen, breiter spielen“, sprach er das Kernproblem an, auf das seine Mannschaft in der ersten Hälfte einfach nicht reagieren konnte.
„Wir waren nicht immer top positioniert. In der zweiten Hälfte haben wir es besser gemacht“, sagte Favre. „Das ist wichtig, um solche Mannschaften zu destabilisieren.“ Dass Dortmund es in der zweiten Hälfte, begünstigt durch das frühe Tor, tatsächlich besser machte, musste auch Uerdingens Coach Heiko Vogel anerkennen. Er sprach von einem zweifelsohne verdienten Sieg und davon, „tierisch stolz“ zu sein. Auch er wusste, dass die kämpferisch aufopferungsvolle Leistung in der defensiv starken ersten Hälfte durchaus als Vorbild dienen könnte für unterlegene Bundesligisten, die sich in den kommenden Wochen und Monaten mit dem BVB messen werden. Es war letztlich symptomatisch, dass das 2:0 nicht etwa ein schön herausgespielter Treffer war, sondern eine überragende Einzelleistung Paco Alcácers – der zum x-ten Mal einen Freistoß direkt verwandelte.
Großkreutz hat Gänsehaut
Auch deshalb kamen Großkreutz und Co. nicht noch näher heran an eine mögliche Pokalüberraschung. „Wir haben toll dagegengehalten, kämpferisch war das eine Top-Leistung, läuferisch eine Top-Leistung. Mit ein bisschen Glück können wir sogar das 1:0 machen“, sagte der selbsternannte „Dortmunder Junge“ nach dem Spiel. „Ich glaube, wir können stolz auf das sein, das wir geleistet haben.“ Das honorierten auch die Dortmunder Fans nach dem Spiel, als sie Großkreutz zu sich in die Kurve beorderten und abfeierten. Großkreutz hatte dabei seine Tochter auf dem Arm, die ihn schon als Einlaufkind auf den Platz begleiten durfte. „Wir hatten beide Gänsehaut, meine Tochter hat sich auch riesig gefreut. Das werde ich natürlich nicht vergessen, so schließt sich der Kreis.“
Nach dem Spiel ging der Uerdinger Rechtsverteidiger auch noch zu seinen ehemaligen Kollegen in die Kabine. Auch die zollten ihm sportlichen Respekt dafür, dass der Drittligist dem Bundesligisten einen so harten Kampf geliefert hatte. Das stand für ihn da aber schon längst nicht mehr im Vordergrund. „Es ist toll, dass wir uns wiedergesehen haben. Es war ein sensationeller Tag. Beide Fanlager können stolz nach Hause gehen, sie haben ein geiles Spiel gesehen“, sagte Großkreutz, dem wohl nur Lucien Favre bei letzterer Aussage widersprochen hätte.