DEB-Chef Reindl zur Eishockey-WM: "Diesmal sind wir auch auf Erfolg vorbereitet"
In Köln startet heute die Eishockey-WM. Im Interview spricht DEB-Präsident Franz Reindl über die Lehren aus der letzten Heim-WM, die Perspektive der deutschen Nationalmannschaft und den Glücksfall Marco Sturm.
Herr Reindl, Sie haben 1976 mit der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft sensationell Olympia-Bronze gewonnen. Wo bewahren Sie eigentlich Ihre Medaille von damals auf?
Die hat keinen besonderen Platz. Sie ist irgendwo eingerahmt und wenn mal einer fragt, dann kann ich sie vorzeigen.
Aber einen besonderen Platz in Ihrem Herzen hat sie schon?
Jetzt mehr als früher. Auch weil mich heute viel mehr Leute auf diese 76er-Medaille ansprechen.
Sie haben mal gesagt, dass der Halbfinaleinzug der deutschen Nationalmannschaft 2010 bei der WM höher zu bewerten sei als Olympiabronze 1976.
Das sehe ich auch immer noch so. Im Halbfinale haben wir 2010 gegen Russland auf Augenhöhe gespielt und nur sehr unglücklich verloren. Wann passiert das schon mal? Klar haben wir die Russen auch schon mal geschlagen. Aber das waren meistens Abwehrschlachten. Anders 2010, da ging es hin und her. Schon deshalb schätze ich das höher ein als unser Abschneiden von 1976, auch wenn das meine damaligen Kollegen nicht so gerne hören.
Nach Platz vier bei der Heim-WM 2010 und der Viertelfinalteilnahme ein Jahr später in der Slowakei ging es mit dem deutschen Eishockey lange Zeit nur noch bergab.
Wir haben es damals versäumt, die Euphorie im Land zu nutzen. Diesmal sind wir auch auf Erfolg vorbereitet. Mit unserem Projekt Powerplay 2026 wollen wir Strukturen schaffen, die mehr Kinder zum Eishockey bringen. Und nach langen Jahren der Stagnation haben wir inzwischen auch wieder mehr Anmeldungen bei Vereinen im Nachwuchsbereich. Natürlich könnten das noch mehr sein, aber die Zahlen zeigen, dass unsere Ansätze greifen. Wir haben darauf hingearbeitet, einen möglichen WM-Erfolg eben auch ausnutzen können.
Was ist denn diesmal drin für die deutsche Mannschaft?
Ich bin fest überzeugt davon, dass die Mannschaft viel Potenzial besitzt. Wir haben Qualität und Leidenschaft, da kann man mit Optimismus ins Turnier gehen. Aber ich bin auch Realist. Wir haben zum Auftakt ein gigantisches Wochenende mit den Spielen gegen die USA, Schweden und Russland. Man muss sich mental darauf einstellen, dass die Mannschaft nach drei Spielen noch keinen Punkt hat. In den vier Spielen danach entscheidet es sich, ob wir das Viertelfinale erreichen. Aber die genaue Zielstellung gibt der Trainer aus. Marco Sturm weiß, was er von seinen Jungs erwarten kann.
Sie hatten vor zwei Jahren die Idee, Marco Sturm in Personalunion zum Bundestrainer und General Manager der Nationalmannschaft zu machen. Das war durchaus mutig. Sturm war zwar ein großartiger Spieler, aber das allein qualifiziert einen nicht für diesen Job.
Ich habe fest daran geglaubt, dass er es schafft. Für mich war das kein Risiko, auch wenn sich das heute leicht sagen lässt.
Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit bei ihm leisten?
Das hat sich entwickelt. Ich wollte immer einen Deutschen als Bundestrainer verpflichten. Bei Marco kam dann noch hinzu, dass er trotz aller Erfolge normal geblieben ist und nicht so hochtrabend daherkommt. Als wir ihm das Amt angeboten haben, war er überrascht. Schließlich lag sein Lebensmittelpunkt noch in den USA. Jetzt denkt er sogar über eine Rückkehr nach Deutschland nach.
War die Situation vergleichbar mit der im Jahr 2005? Da war die Nationalmannschaft gerade aus der WM-A-Gruppe abgestiegen und Sie haben Uwe Krupp als Bundestrainer geholt.
Ja, das war ähnlich. Wie Uwe Krupp damals hat Marco Sturm uns seine Hilfe angeboten. Das ist für uns aufgegangen, wobei die erfolgreiche Olympia-Qualifikation im vergangenen September natürlich sehr wichtig war – für ihn und für uns. Marco war auch clever genug, sich gute Leute an die Seite zu holen. Das hat alles Hand und Fuß und ist nicht auf Zufall ausgerichtet. Ich bin überzeugt davon, dass er auch in Zukunft Erfolg hat.
Uwe Krupp hat den DEB 2011 wieder verlassen...
...und die Folgen waren fatal. Ihn ziehen zu lassen, war einer der größten Fehler, den das deutsche Eishockey je gemacht hat. Danach sind wir international sofort wieder abgerutscht. Das Ergebnis war dann, dass wir die Olympischen Spiele 2014 verpasst haben.
Der DEB richtet die WM gemeinsam mit Frankreich aus. Kann das deutsche Eishockey von so einem gemeinsamen Turnier überhaupt profitieren?
Oh ja! Wir mit unserem föderalen System können sehr viel von den zentralisierten Franzosen lernen. So wie das bei uns aufgebaut ist mit den ganzen Landesverbänden, funktioniert das im Mannschaftssport abgesehen vom Fußball nicht. Wenn du ganz oben mitspielen willst, dann musst du dich auf den Leistungssport konzentrieren. Das machen uns die Franzosen vor. Und mal ganz ehrlich: Hätte sich Paris nicht beworben, wären wir so kurz nach dem Turnier 2010 nicht schon wieder WM-Gastgeber geworden.
In Berlin hätten sich viele Eishockeyfans eine WM in der Arena am Ostbahnhof gewünscht.
Berlin war in der Endausscheidung mit dabei. Wir hatten auch gute Gespräche mit der Anschutz-Gruppe und der Stadt. Am Ende war aber das Gesamtpaket in Köln besser, auch weil die Halle dort ein bisschen größer und Paris mit dem Zug in dreieinhalb Stunden zu erreichen ist. Dazu kommt ein anderes Businessmodell. In Berlin wären wir Mieter der Halle gewesen, in Köln gehen der Arena-Betreiber und wir als Veranstalter zusammen das gleiche Risiko ein.
In dieser Hinsicht dürfte sich in Berlin dauerhaft wenig ändern.
Das werden wir sehen. Es gibt aber auch nicht nur die WM. Da ist zum Beispiel der Deutschland-Cup, der in Berlin ausgespielt werden könnte.
Sportlich steht das deutsche Eishockey-Team zurzeit klar im Schatten der Handball-Nationalmannschaft, die Fußballspieler sind unendlich weit weg. Wie können Sie wieder mehr Menschen für Ihren Sport begeistern?
Inzwischen spricht man ja wieder viel mehr über das Eishockey als noch vor ein paar Jahren. Sollten wir bei der WM das Viertelfinale erreichen, wären wir wieder im Gespräch, alles darüber hinaus würde Schlagzeilen bringen.
Was tun Sie konkret im DEB, um wieder mehr Erfolge zu erzielen?
Früher war das so, dass sich die Landesverbände um alle Nachwuchsspieler bis zum 15. Lebensjahr gekümmert haben. So gut kann das nicht gewesen sein, sonst wären wir bis vor kurzem nicht bloß die Nummer 13 oder gar 14 in der Weltrangliste gewesen. Wir haben das jetzt gedreht, sozusagen von der Horizontalen in die Vertikale. Der DEB hat jetzt 60 Vereine im Blick, in dem auch schon die 12- oder 14-Jährigen von unseren Trainern betreut werden. Wenn wir langfristig um Medaillen mitspielen wollen, müssen wir die Anzahl der Spieler und die Qualität der Ausbildung erhöhen.
Zieht da die Deutsche Eishockey-Liga mit? Für die Klubs ist es bequemer und billiger, fertige Spieler aus dem Ausland zu holen.
Die Zusammenarbeit mit der DEL ist gut. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir sitzen alle in einem Boot. Die Zeit der Grabenkämpfe ist vorbei. Beim DEB wissen wir, dass wir unsere Hausaufgaben machen müssen, nämlich gute deutsche Spieler entwickeln, um die Nachfrage zu steigern. Wenn es genügend deutsche Spieler gibt, können wir auch Forderungen nach weniger Ausländern in der DEL stellen. Im Moment bin ich froh über die Vereinbarung mit der DEL, dass nur neun Nicht-Deutsche pro Spiel eingesetzt werden dürfen. Damit haben wir im Mannschaftssport in Deutschland sogar eine Vorreiterrolle.
Und wie stehen Sie dazu, wenn Klubs wie zum Beispiel Bremerhaven oder Iserlohn die ganze Nachwuchsentwicklung umgehen und nordamerikanische Spieler eindeutschen lassen?
Wenn die einen deutschen Pass haben, ist das so. Das ist nicht Entscheidung des DEB, sondern Entscheidung der Behörden. Die Regeln sind wirklich streng, da ist eine Umgehung nicht so einfach. Als DEB-Präsident verabschiede ich mich an diesem Punkt aus der Diskussion, weil wir da keine Entscheidungsgewalt haben.
Aber wenn es ein eingedeutschter Spieler in die Nationalmannschaft schafft, ist das für den Verband doch unbefriedigend. Denn der nimmt doch einem anderen, in den der DEB viel Geld gesteckt hat, den Platz weg.
Das sehe ich ganz anders. Wenn jemand deutscher Staatsbürger ist und gut genug, hat er doch das Recht, für die Nationalmannschaft zu spielen. Auch wenn er vorher Kanadier war. Alles andere wäre diskriminierend. Wir als Verband machen Nachwuchsarbeit. Was wir nicht machen, ist Einbürgerung. Das gab es vielleicht früher mal, jetzt nicht mehr.
Die besten Deutschen spielen in der NHL und der beste von ihnen ist bei der WM vielleicht gar nicht dabei. Wie sehr hofft der DEB-Präsident, dass Leon Draisaitl mit den Edmonton Oilers in den Play-offs der NHL ausscheidet?
Ganz ehrlich: Leon soll gewinnen! Der soll während der Play-offs dort auch keinen Gedanken an die WM in Deutschland verschwenden. Ich weiß aber von ihm: Wenn er nicht mehr dabei ist mit Edmonton, kommt er sofort.
Franz Reindl, 62, machte 183 Länderspiele und gewann 1976 bei Olympia in Innsbruck Bronze. Später arbeitete er als Sportdirektor beim DEB, den er seit 2016 als Präsident führt.