Deutsches Team bei der Eishockey-WM: Die Wundertüte nach dem Wunder
Von der Liga nach Olympia im Stich gelassen: Die WM-Bilanz der Eishockey-Nationalmannschaft ist genau betrachtet ordentlich.
Endlich mal eine Ehrenrunde. Für die deutschen Eishockey-Nationalspieler gab es am Sonntagabend nach ihrem Spiel gegen Finnland in der Boxen Arena von Herning einen versöhnlichen Abgang vom Eis, mit dem sie vor dem Spiel nicht unbedingt gerechnet hatten nach dieser eher verkorksten Vorrunde bei der Weltmeisterschaft. Aber dann gewannen sie gegen den großen Favoriten Finnland 3:2 nach Verlängerung – und schieden aus, schon vor ihrem letzten Spiel am Dienstag gegen Kanada (16.15 Uhr, live auf Sport 1).
Ausgeschieden mit einem Sieg gegen Finnland? Das passte zu den wilden Tagen von Herning, die keine Fortführung des olympischen Wunders waren, sondern eher eine Wundertüte für die Mannschaft von Bundestrainer Marco Sturm. Nach seinem Erfolg von Pyeongchang, dem Gewinn der Olympischen Silbermedaille, hatte sich sein Team inmitten der Saison quasi selbst aufgelöst. 15 von 25 Spielern fehlten zwei Monate nach dem Triumph von Südkorea bei der WM – eine einmalig absurde Geschichte, an deren Zustandekommen Deutsche Eishockey-Liga (DEL) und Deutscher Eishockey-Bund (DEB) ein Stück Schuld tragen.
Der DEB hat seine Abschiedsarien etwas zu laut geträllert als sein bester Verteidiger Christian Ehrhoff wenige Wochen vor der WM sein Karriereende verkündete, denn weitere Rücktritte von Kapitän Marcel Goc und Angreifer Patrick Reimer folgten prompt. Bundestrainer Sturm hatte drei seiner wichtigsten Spieler verloren. Man hätte ja dieses Trio fragen können, ob es im Dienste der Sache wenigstens nicht noch ein paar Wochen dranhängen könne.
15 Spieler aus dem Olympia-Team waren bei der WM nicht dabei
In der DEL dagegen wurde gewohnt kleinkariert agiert. Spieler wie Torwart Danny aus den Birken (München) oder Verteidiger Frank Hördler (Eisbären) konnten zwar noch in der Finalserie um den Meistertitel spielen, waren dann aber für die Nationalmannschaft zu verletzt. Liga ist eben prinzipiell größer als Nationalmannschaft, zumal der kostenpflichtig übertragene Livestream der DEL-Finalserie von 100.000 Zuschauern gesehen wurde, wie DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke stolz verkündete. Logisch, wen interessieren bei solchen Hammerquoten schon die Millionen, die einem Nationalleam bei einer WM im Fernsehen zuschauen. Die Liga ist eben wichtiger als das deutsche Eishockey, auch wenn schon in München am Hauptbahnhof weniger Menschen den Deutschen Meister kennen (RB München) als den Olympiazweiten (Deutschland). Da passt es, dass die DEL nach ihrer jüngsten Saison wieder Thomas Popiesch zum Trainer des Jahres gekürt hat – den Trainer der Fischtown Pinguins Bremerhaven, der Mannschaft mit dem größten Anteil an ausländischen Spielern in der Liga. Marco Sturm wird in Bremerhaven so schnell nicht vorbeischauen.
Es spricht für den Bundestrainer, dass er vor dem Abenteuer in Dänemark nicht die Nerven verlor, denn eine Mannschaft vor dem letzten Saisonhöhepunkt fast komplett umbauen zu müssen, das war für ihn keine einfache Aufgabe – auch wenn mit dem überragenden Leon Draisaitl (Edmonton Oilers) sowie den Verteidigern Dennis Seidenberg (New York Islanders) und Korbinian Holzer (Anaheim Ducks) noch drei NHL-Profis das junge Team verstärkten. Großzügig betrachtet, ist die Bilanz vor dem letzten Spiel gegen Kanada gar nicht so deprimierend – nur zwei von sechs Spielen haben die Deutschen nach 60 Minuten verloren, darunter aber eines gegen Lettland und da wurde auch das große Problem der Deutschen offensichtlich: Gegen schwächere Gegner haben sie Mühe, ihr Spiel durchzuziehen. Gegen stärkere Gegner fällt es ihnen dagegen leichter, zu reagieren: In dieser Saison hat die deutsche Nationalmannschaft Teams aus den USA (Deutschland-Cup), Schweiz, Schweden, Kanada (alle Olympia), Russland (WM-Test) und nun schließlich Finnland geschlagen – das gab es noch nie zuvor und es ist eine Bilanz, die von der guten Arbeit Sturms zeugt. Egal, mit welcher Mannschaft. Nach dem Sieg gegen Finnland sagte der Bundestrainer: „Dieser Sieg war nicht nur wichtig für die Mannschaft hier, sondern auch für die Zukunft.“
Ach ja, die Olympiamannschaft kommt doch noch einmal zusammen. Im Juni, wenn der Bundespräsident die Sportler von Pyeongchang empfängt. Frank-Walter Steinmeier hatte den für Mai angesetzten Termin extra wegen der Eishockey-WM verschoben. Das wäre eigentlich nicht nötig gewesen, denn die Eishockey-Olympiamannschaft blieb ja größtenteils daheim.