Schmiergeld-Skandal im innersten Zirkel der Fifa: Die Spur führt zu Jerome Valcke
Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke soll horrende Schmiergelder überwiesen haben. Adressat war demnach der frühere Fifa-Vorständler Jack Warner. Jetzt könnte es einmal mehr eng für Joseph Blatter werden.
Eigentlich sollte Jerome Valcke am Samstag einem wichtigen Termin in Kanada beiwohnen, dann wird in Edmonton die Frauenfußball-Weltmeisterschaft eröffnet. Für den Generalsekretär der Fifa, also die Nummer zwei im Weltverband nach Präsident Joseph Blatter, ist das normalerweise ein Pflichttermin. Doch der Frauenfußball, dessen Förderung sich die Fifa so gerne auf die Fahne schreibt, muss sich erst einmal hinten anstellen. Valcke sagte seinen Besuch beim Eröffnungsspiel Kanada gegen China ab. „Es ist wichtig, dass er sich um Angelegenheiten im Fifa-Hauptquartier in Zürich kümmert“, hieß es in einer Mitteilung des Weltverbandes.
Was bedeutender ist als ein Eröffnungsspiel des zweitgrößten Fifa-Turniers? Nun, die eigene Haut. Und die des Präsidenten. Denn am Dienstag veröffentlichte die „New York Times“ einen Bericht, der Valcke mit dem Korruptionsskandal in Verbindung bringt. Damit würde auch Blatter näher an die FBI-Ermittlungen heranrücken. Die Zeitung zitierte US-Ermittler, die davon ausgehen, Valcke sei im Jahr 2008 für eine Zahlung von zehn Millionen US-Dollar verantwortlich gewesen, die von der Fifa an Jack Warner überwiesen worden war, den ehemaligen Präsidenten des Kontinentalverbands für Nord- und Mittelamerika (Concacaf). Dieses Geld soll Warner laut US-Behörden als Gegenleistung dafür bekommen haben, dass er bei der Vergabe der WM 2010 für Südafrika gestimmt hatte.
Kommentar zur Fifa: Das Gebilde wankt
In der Anklageschrift wird beschrieben, wie ein „hochrangiger Fifa-Funktionär“ diese Zahlungen anwies. Er wird jedoch nicht als Beschuldigter genannt oder als jemand, der gewusst habe, dass das Geld für Bestechung verwendet worden sei. Valcke dementierte am Dienstag umgehend, dass er die Zahlungen angewiesen habe. Er hätte dafür gar nicht die Befugnis, teilte er mit. Und die Fifa verkündete, die Überweisungen seien von Julio Grondona autorisiert worden, damals der Vorsitzende des Fifa-Finanzkomitees. Der Argentinier verstarb im vergangenen Jahr. Über Grondona sagte Blatter übrigens nach dessen Tod, er sei ein lebenslanger Freund gewesen.
Ebenso eng ist Blatter mit Valcke verbunden. Und bei Valcke kann Blatter nicht behaupten, der Generalsekretär sei ihm von den Nationalverbänden zugeschoben worden, wie er es zuletzt bei den in Zürich verhafteten Fifa-Funktionären tat. Außerdem war auch Valcke bereits in finanzielle Kontroversen verwickelt. Der Franzose war 2006 als Marketingdirektor der Fifa entlassen worden, weil ein US-Gericht ihn für schuldig befunden hatte, mehrmals in Sponsorenverhandlungen mit Mastercard und Visa gelogen zu haben – und das Erstverhandlungsrecht von Mastercard verletzt zu haben. Doch Valcke wurde nie verurteilt. Nach einer außergerichtlichen Einigung, bei der die Fifa rund 90 Millionen US-Dollar an Mastercard zahlte, stellte Blatter ihn 2007 sogar wieder ein – als Generalsekretär.
In dieser Funktion ist Valcke auch verantwortlich für die Finanzen des Weltverbandes. Und dazu gehören auch die drei Überweisungen der Fifa an die Concacaf im Jahr 2008, deren Details äußerst dubios sind. In der Anklageschrift heißt es, Jack Warner und Charles Blazer, ehemaliger Concacaf-Generalsekretär und korrupter Kronzeuge, sollten die zehn Millionen US-Dollar für ihre Stimmen für Südafrika direkt von der Regierung des Austragungslands der WM 2010 bekommen.
Doch die Südafrikaner konnten später nicht zahlen. Und so verwendeten sie für die Schmiergeldzahlungen Gelder, die eigentlich von der Fifa für den WM-Gastgeber vorgesehen waren. Ein so genannter „Fonds zur Unterstützung der Afrikanischen Diaspora in der Karibik“ wurde ins Leben gerufen. Südafrika bat die Fifa dann mit einem direkt an Valcke gerichteten Brief, aus dem Topf für das WM-Organisationskomitee zehn Millionen US-Dollar für diesen Diaspora-Fonds an die Concacaf zu überweisen. Die Fifa bestätigte diesen Vorgang, betonte aber zugleich, Valcke oder andere hochrangige Fifa-Funktionäre seien nicht in Korruption verstrickt.
Dann gibt es doch keinen Grund, nicht nach Kanada zu reisen.
Johannes Nedo