Nach dem 34. Meistertitel in Spanien: Die Minimalisten von Real Madrid haben wieder zugeschlagen
Der Lockdown kommt für Real Madrid genau zum rechten Zeitpunkt. Danach ist das Team kaum zu stoppen – auch wenn die Konkurrenz Elfmeter-Verschwörungen wittert.
Für den entscheidenden Treffer zur Meisterschaft hatten sich die Profis aus Madrid etwas ganz Besonderes ausgedacht: Reals schurkischer Kapitän Sergio Ramos hatte sich den Ball am späten Donnerstagabend gegen den FC Villarreal auf dem Elfmeterpunkt des kleinen Amateurstadions zurechtgelegt, das nach der Real-Legende Alfredo di Stéfano benannt ist.
Er blickte einmal zum Schiedsrichter, trabte, verzögerte – und schob den Ball dann mit der Sohle ein paar Zentimeter nach vorne. In diesem Moment war sein Teamkollege Karim Benzema bereits von hinten angestürmt, nahm die schnippische Vorlage an und zimmerte den Ball ins Netz, während Villarreals verdutzter Torhüter bereits längst in der anderen Ecke des Tores lag.
Die Zeiten des „Weißen Balletts“ sind bei Real Madrid längst vorbei
Dieser finalen Finte machte dann jedoch schnell das Schiedsrichtergespann einen Strich durch die Rechnung: Benzema war viel zu früh in den Strafraum gestartet und musste deshalb dann bei der Wiederholung des Elfmeters noch einmal selbst ran. Weil er den Ball auch diesmal zum 2:0 über die Linie brachte und Villarreal nur noch zum 1:2-Endstand verkürzen konnte, reichte es dennoch zu Reals 34. Meistertitel der Klubgeschichte.
Sie sind eben nach wie vor ausgebuffte Minimalisten, die Stars von Real Madrid. Die Zeiten des „Weißen Balletts“ sind lange vorbei, unter den Herren José Mourinho, Carlo Ancelotti und Zinedine Zidane, der inzwischen schon wieder seit mehr als einem Jahr an Reals Seitenlinie steht, spielte Real selten hinreißend, aber dafür umso effizienter.
Alle zehn Spiele gewann Madrid seit dem Re-Start der spanischen Liga im Juni, sechs davon mit einem Tor Unterschied, mehr als zwei eigene Treffer gab es dabei nur zweimal. Und weil der ewige Rivale FC Barcelona in der gleichen Zeit mehr mit sich selbst als mit Fußball beschäftigt war, wurden so aus zwei Punkten Rückstand nun vor dem noch ausstehenden letzten Spieltag am Wochenende sieben Punkte Vorsprung.
„Der Lockdown hat uns sehr gutgetan“, sagte Zidane nach der Meisterzeremonie im kleinen Ausweichstadion, das der Klub als Geisterspielstätte nutzt, damit es mit den Umbauten im Bernabéu schneller vorangeht. Vor der Zwangspause hatte es nicht gut um Real gestanden, vom „schwersten Augenblick der Saison“ sprach Zidane nun rückblickend auf die damalige Formkrise. Aber sein Team kam zurück.
„Es ist das Ergebnis harter Arbeit und Beharrlichkeit“, war Kapitän Ramos stolz. Er hatte seine Kollegen in den vergangenen Wochen nicht nur wieder als gewohnt rustikaler Leader angetrieben, sondern sich mit fünf Treffern bis zum Spiel gegen Villarreal auch noch zu Reals bestem Torschützen nach der Saisonfortsetzung gemausert. Erst durch sein Elfmetergeschenk zog Benzema nun an ihm vorbei.
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Dass die Minimalisten aus Madrid ihre letzten Spiele gleich reihenweise vom Elfmeterpunkt entschieden, sorgte dabei in der Liga für wenig Vergnügen. Vier Strafstöße erhielt Real in den vergangenen fünf Partien. Im vergangenen Jahr hatte Reals Präsident Florentino Perez im Hintergrund viel Druck auf die Liga ausgeübt, weswegen die Konkurrenz zuletzt bereits eine Verschwörung witterte.
„Der Videoschiedsrichter bevorteilt immer die gleiche Mannschaft“, hatte Barcelonas Präsident Josep Bartomeu noch vor ein paar Tagen gemault, und auch Bilbaos Mittelfeldspieler Iker Muniain hatte ähnliche Beobachtungen gemacht: „Wir sehen die Tendenz der letzten Spieltage – und welches Team die Elfmeter immer bekommt.“
Trainer Zidane war es egal. „Das Gefühl ist gewaltig, denn was die Spieler geleistet haben, ist beeindruckend“, sagte er erleichtert. Dann wurde gefeiert. Nationalspieler Toni Kroos postete auf Twitter das Foto eines eher trostlos angerichteten Hamburgers an ein paar schnöden Pommes, die wohl auch eher nicht der Haute Cuisine entsprungen sein dürften. „Champions Dinner“, schrieb Kroos dazu. Sie sind eben Minimalisten.
Leonard Brandbeck