Lucien Favre und Borussia Dortmund: Die Luft wird dünner
Für Trainer Lucien Favre ist das Pokalspiel gegen Mönchengladbach von besonderer Bedeutung – doch gerade jetzt fehlt ihm sein Torjäger.
Am Dienstag sprintete er wieder über den Trainingsplatz im Dortmunder Stadtteil Brackel, als wäre nichts gewesen. Borussia Dortmunds einziger Stoßstürmer Paco Alcácer, der seit Sonntag wieder zurück im Mannschaftstraining ist und beim BVB so schmerzlich vermisst wird.
Schmerzen hat der Spanier nach seiner Achillessehnenverletzung keine mehr, einen Einsatz bereits im Pokalspiel gegen Borussia Mönchengladbach am Mittwochabend (20.45 Uhr/live in der ARD) schloss Trainer Lucien Favre allerdings am Dienstag aus. Dabei könnte Favre Alcácer gerade jetzt so gut gebrauchen wie noch nie.
21 Tore erzielten die Dortmunder in neun Spielen mit Alcácer, bis er sich Ende September verletzte. Sieben davon schoss der Stürmer selbst. Nur fünf Tore erzielte der BVB in fünf Spielen ohne ihn. Allein diese Zahlen reichen aus, um sich die Bedeutung Alcácers für das Dortmunder Offensivspiel zu vergegenwärtigen. Sie machen zudem deutlich, weshalb Favre alles daransetzen wird, dass der Spanier schnellstmöglich wieder spielt – auch für sein eigenes Schicksal.
Favre sprach sich vor der Saison dagegen aus, einen adäquaten Backup für Alcácer zu verpflichten. Somit trägt er selbst die Schuld an der verzwickten Situation. Der Dortmunder Trainer äußerte sich dazu am Dienstag nicht, dafür aber Sportdirektor Michael Zorc. „Man kann immer darüber diskutieren, es geht aber auch über Verfügbarkeiten“, sagte Zorc – es war ihm dabei anzumerken, dass auch er nicht glücklich über diese selbstgeschaffene Situation ist. Denn die Dortmunder können es sich so nicht erlauben, bei Alcácer ins Risiko zu gehen, da sie langfristig auf seine Qualitäten vor dem Tor angewiesen sind.
Bei jeder Kleinigkeit macht sich Unzufriedenheit breit, die fast schon resignative Züge angenommen hat
Offensichtlich ist, dass der Offensive ohne Alcácer „die Leichtigkeit fehlt“, wie Kapitän Marco Reus es am Samstag formulierte. Das rührt vor allem daher, dass neben Reus auch Julian Brandt und Thorgan Hazard seit Wochen aus der offensiven Dreierreihe nach vorne rücken und dort als einzige Spitze aushelfen müssen. Zwar erzielte Reus in dieser Rolle den Siegtreffer beim Ligaspiel gegen Gladbach vor zwei Wochen. Ein Dauerzustand kann diese Situation allerdings nicht sein.
Das erkannte auch Trainer Favre vor dem Revierderby und schickte Mario Götze als einzige Spitze von Beginn an aufs Feld – gewissermaßen als Platzhalter für Alcácer, wie schon des Öfteren in der vergangenen Saison. Gebracht hat es nur weitere Unruhe, da Götze nach seiner verletzungsbedingten Auswechslung fluchtartig das Stadion verließ. Ins Krankenhaus – und eben nicht, wie so mancher Fan bereits vermutete, aus Trotz über den vorzeitigen Abgang schnurstracks nach Hause.
Und doch passte dieses Missverständnis zur momentanen Situation in Dortmund. Bei jeder Kleinigkeit macht sich Unzufriedenheit breit, die fast schon resignative Züge angenommen hat. Das führt so weit, dass mittlerweile der Trainer selbst als Missverständnis angesehen wird. Die Zweifel an seiner Arbeit wachsen nicht mehr nur in Fankreisen, sondern auch klubintern. Es heißt, dass ihm nicht mehr zugetraut wird, eine Spitzenmannschaft mit den Möglichkeiten Borussia Dortmunds zu trainieren. Und so gilt es als nicht mehr allzu unwahrscheinlich, dass schon der 9. November, das Duell des BVB beim FC Bayern, der Stichtag des Trainerschicksals Favres werden könnte.
Favre sagte zwar am Dienstag selbst, dass er sich nur auf seinen Job konzentriere und „es nichts bringt, darüber zu sprechen“. Und doch weiß er genau, dass am Mittwoch eine seiner möglicherweise letzten Chancen wartet, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass er doch der richtige Mann ist. Denn eine Niederlage gegen Gladbach wäre nicht einfach nur das Verpassen von drei wichtigen Punkten, um das Ziel Meisterschaft zu erreichen.
„Wir können es hinterher nicht mehr reparieren“, erklärte Michael Zorc. Es wäre der große Knall, das jähe Ende der Pokalambitionen. Und somit etwas, das die Fans Favre in der jetzigen Situation weniger leicht verzeihen würden. Alcácer hin oder her.