Trainer Tayfun Korkut weiter im Amt: Die Krise von Hertha BSC erreicht eine neue Dimension
Bei der Niederlage gegen Frankfurt präsentierte sich Hertha erschreckend. Der Trainer glaubt trotz des Debakels noch an seine Arbeit und die Mannschaft.
Das Training bei Hertha BSC war am Sonntag für zehn Uhr angesetzt. Um kurz nach halb elf machte sich Santiago Ascacibar als erster Spieler auf den Weg zum Schenckendorffplatz. Der Argentinier führte Sprintübungen durch. Auch die Torhüter trainierten auf dem Platz. Der Rest der Mannschaft absolvierte einen Lauf. Anders als sonst am Tag nach dem Spiel gab es keine Medienrunde mit Trainer Tayfun Korkut.
Geschwiegen hatte am Samstag nach dem 1:4-Desaster gegen Eintracht Frankfurt auch Fredi Bobic. Der Sportgeschäftsführer wollte im TV nichts sagen. Dies gab Anlass zu Spekulationen, Korkut müsse seinen Posten räumen – trotz der von Bobic vorige Woche ausgesprochenen Jobgarantie bis Saisonende. Doch am Sonntag deutete nichts auf die Entlassung des Trainers hin, den Bobic Ende November als Nachfolger von Pal Dardai verpflichtet hatte. Vielmehr teilte der Verein mit, dass Korkut an der Pressekonferenz am Donnerstag vor dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach teilnehmen wird.
Nach dem Spiel gegen Frankfurt hatte Korkut gesagt, er müsse erst einmal alles sacken lassen. „Dann werde ich den Kopf wieder nach oben bekommen, genau wie wir das mit den Spielern machen werden.“ Es bleibt jedoch abzuwarten, was die üble Niederlage für Auswirkungen haben wird. Gesessen hat sie auf jeden Fall. Sportdirektor Arne Friedrich hatte schon zur Halbzeit bei „Sky“ festgestellt, dass es viel zu wenig war, was die Mannschaft anbot: „Wir müssen endlich mal den Arsch hochkriegen.“
Es stand 0:1, „da war immer noch alles möglich und wir hatten eine komplette Halbzeit Zeit“, sagte Korkut. Diese 45 Minuten nutzte allerdings der Gegner, um sich nach drei Niederlagen am Stück mit Herthas Hilfe einen positiven Nachmittag zu bescheren.
Die Dauerkrise im Abstiegskampf hat eine neue Dimension bekommen. Beim 0:3 vor einer Woche in Freiburg spielte Hertha nicht schlecht, sogar beim 1:6 zuvor gegen RB Leipzig war es eine Stunde sehr ordentlich. Nun war es durchweg indiskutabel. „Wir haben vieles von dem vermissen lassen, was man in den letzten Spielen gesehen hat, auch wenn wir die ebenfalls ohne Punkte beendet haben.“
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Auf Niederlagen mit annehmbarer B-Note folgte eine ohne annehmbare B-Note. Selbst in dieser Hinsicht geht es weiter abwärts. Die desaströse Darbietung wirkte wie eine lückenlose Bewerbung für die Zweite Liga.
Dabei hatten sie sich bei Hertha mal wieder einiges vorgenommen. „Wir wollten den Bock umstoßen, zusammen mit den Fans, wollten den Funken überspringen lassen“, sagte Korkut. Die Rahmenbedingungen dafür waren an sich ideal: Erstmals seit langer Zeit waren 25.000 Fans im Olympiastadion zugelassen, die Hertha anfangs reichlich Kredit gaben. Das änderte sich. Es lässt sich eine grobe zeitliche Einteilung vornehmen in erste Pfiffe (nach 30 Minuten), viele Pfiffe (zur Pause) und noch viel mehr Pfiffe (am Schluss). Zudem gab es am Ende deutliche Missfallensbekundungen gegenüber der Mannschaft in der Ostkurve.
Die Fans haben auch mit dem Trainer keine Geduld mehr. „Korkut raus“ erklang es deutlich vernehmbar von der Tribüne. Dieser sagte: „Ich bin verantwortlich für die Leistung. Emotionen gehören dazu. Dass ich sowas abkann, können Sie mir glauben.“ Er sei weiter überzeugt von seiner Arbeit und vor allem von der Mannschaft.
Taktische Pläne von Trainer Tayfun Korkut gehen nicht auf
Korkut hatte gegen die Eintracht einiges probiert: Statt Ishak Belfodil, der meist mindestens solide agiert hatte, durfte Dongjun Lee erstmals von Beginn an ran. Außerdem spielte Suat Serdar weit vorn. „Der Plan war, dass er näher am Tor ist und wir ihn dadurch torgefährlicher bekommen“, erläuterte Korkut. Bei Lee zeigte sich erneut, dass ihm noch die körperliche Robustheit für die Liga fehlt. Auch bei Serdar ging der Plan nicht auf. Später agierte er weiter hinten. In der Praxis war Herthas Spiel gegen früh attackierende Frankfurter einfallslos, sehr langsam und außerdem noch übervoll mit Querpässen oder Rückgaben zu Torwart Marcel Lotka.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen:leute.tagesspiegel.de]
Acht Rückrundenspiele sind vorbei, Hertha hat zwei Punkte geholt. Gegen die gleichen Gegner waren es in der Hinrunde unter Dardai neun. Einige Zeit hatte die aktuelle Erfolglosigkeit in der Tabelle geringe Auswirkungen. Inzwischen punktet die direkte Konkurrenz vermehrt. Der Vorsprung auf den Vorletzten VfB Stuttgart beträgt noch einen Zähler.
Wie Hertha stand auch der VfB am Samstag unter großem Druck. Wie Hertha hatte das Team seit Monaten nicht gewonnen, zuletzt auch öfter Pech gehabt und lag jetzt früh zurück. Doch anders als Hertha beeindruckte Stuttgart mit Leidenschaft und Einsatz und gewann nach 0:2 noch 3:2 gegen Borussia Mönchengladbach. Die Zuversicht im Kampf um den Klassenerhalt ist zurück.
Bei Hertha dagegen schimpfte Innenverteidiger Marc Kempf, der bis vor kurzem noch in Stuttgart aktiv war: „Ich bin seit ein paar Wochen hier, und wir haben noch kein Spiel gewonnen. Das kotzt mich übertrieben an.“ Die nächste Chance auf einen Sieg bietet sich Hertha am kommenden Samstag bei: Borussia Mönchengladbach.