Medaillen für Ecuador, Kosovo und Iran: Die kleinen Sportnationen machen Olympia so groß
Athleten aus den kleinen Sportnationen sorgen in Tokio für die Höhepunkte. Das macht den Reiz von Olympia aus. Ein Kommentar.
Richard Carapaz schlug auf den Lenker und schüttelte ungläubig mit dem Kopf. Der Ecuadorianer fuhr im Straßenrennen der Radprofis zur Goldmedaille, der zweiten für sein Land überhaupt bei Olympischen Spielen. Der 28 Jahre alte Bauernsohn, der den schönen Spitznamen „Lokomotive von Carchi“ trägt, war schon vor Olympia ein Volksheld in seiner Heimat. Als er 2019 den Giro d'Italia gewann, wurde die Schlussetappe live auf Großleinwänden übertragen. Damals erhielt er einen Orden und der Präsident des Landes kündigte an, die Steuern auf den Import von Profirädern abzuschaffen. Kann es da jetzt noch eine Steigerung geben? Wird der 24. Juli womöglich künftig zum Feiertag in Ecuador und Carapaz selbst gleich ganz von der Steuerpflicht befreit?
2016 in Rio war Majlinda Kelmendi die erste Olympiasiegerin für den Kosovo. Sie siegte seinerzeit im Judo, wo der Kosovo auch diesmal wieder aussichtsreich vertreten ist. Kelmendi selbst ist wieder dabei und am ersten Wettkampftag von Tokio folgte ihr Distria Krasniqi, die am Samstag in der Klasse bis 48 Kilogramm Gold holte. Für den Kosovo, der erst seit 2016 als eigenständige Nation an Olympia teilnimmt, sind es Sternstunden, die weit über den Sport hinausgehen. Entsprechend bewegt war die 25 Jahre alte Sportlerin nach dem Finalsieg. Mit geschlossenen Augen und den Händen vor dem Kopf versuchte sie zu begreifen, was ihr da gerade gelungen war. Kurz darauf liefen die Tränen.
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Deutlich besser vorbereitet war da schon Javad Foroughi. Der Iraner hatte gerade das Finale mit der Luftpistole gewonnen und rollte wenig später schon seinen Gebetsteppich aus. Als erster Athlet seines Landes hatte der 41 Jahre Krankenpfleger eine Medaille im Schießen für den Iran geholt, der sonst vor allem starke Ringer und Gewichtheber hervorgebracht hat.
Große Geschichten für kleine Sportnationen
Es sind große Geschichten für diese kleinen Sportnationen, die in ihren Ländern zu Helden werden, ansonsten aber kaum bekannt sind. Genau dafür stehen die Olympischen Spiele und daraus erklärt sich die große Begeisterung der Sportler. Carapaz wusste schon beim Siegerinterview, dass er der erste Olympiasieger seines Landes nach 25 Jahren war. Den Geher Jefferson Perez, der 1996 in Atlanta gewann, habe er immer bewundert. Foroughi wiederum wurde zweimal positiv auf Covid-19 getestet, konnte mehrere Monate nicht trainieren. Nun hat er Geschichte geschrieben für sein Land.
83 Nationen holten 2016 in Rio Medaillen, 59 verschiedene Hymnen erklangen. 1964 waren es bei den ersten Sommerspielen in Tokio noch 41 respektive 26. Klar gibt es inzwischen auch viel mehr Wettkämpfe bei Olympia und nicht immer ist deren Berechtigung für alle zwingend gegeben.
Aber wenn dadurch die Spiele keine geschlossene Gesellschaft für die mit viel Geld vom Staat unterstützten großen Sportnationen sind, sondern Erfolge für viele Starter möglich sind, kann das nur gut sein für die Vielfalt von Olympia. Auch wenn Ecuador, der Kosovo oder auch der Iran nach dem ersten Wettkampftag von Tokio wohl nicht mehr lange im Medaillenspiegel mit ganz vorne gelistet sein werden.