zum Hauptinhalt
Eliud Kipchoge aus Kenia lief beim 42. Berlin-Marathon in Berlin als Erster in das Ziel.
© dpa
Update

Sieger beim Berlin-Marathon: Die kessesten Sohlen, die je durch Berlin gelaufen sind

Schon nach 800 Metern rutschen dem Kenianer Eliud Kipchoge die Innensohlen aus den Schuhen - trotzdem war er beim Marathon der Schnellste.

Es waren wohl die kessesten Sohlen, die jemals auf den Straßen von Berlin zu sehen waren: Knallgelb ragten sie aus beiden Schuhen heraus, auf der einen prangte groß ELIUD, auf der anderen BERLIN und klein darunter Marathon. Eliud Kipchoge hatte sie aus seinen Schuhen schrittweise herausbefördert, bis sie wie kleine Flügel über seinen Fersen hingen. Ohne die Innensohlen waren seine Füße alles andere als bequem gebettet, aber der Kenianer rannte trotzdem so schnell wie niemand anderes an diesem Sonntag durch die Stadt, in 2:04:00 Stunden, Jahresweltbestzeit.

Diesmal also ausnahmsweise kein Weltrekord beim Berlin-Marathon. Den kann man sonst in Berlin beinahe jedes Jahr haben, aber ein Sieg auf halben Sohlen? „Es kommt vor, dass man sich beim Laufen die Innensohle kaputttreten kann. Dass sie aus dem Schuh herauskommt, habe ich noch nie gesehen“, sagte Renndirektor Mark Milde.

Eliud Kipchoge lief in Berlin mit maßangefertigten Schuhen. „Vielleicht war die Sohlengröße nicht abgestimmt auf die Schuhe, das kann ich aber nur vermuten“, sagte Milde. Eine der beiden Sohlen nahm er nach dem Rennen an sich. „Sie haben auch nicht schlecht gerochen, jetzt müssen wir sehen, was wir damit machen.“

Die Innensohlen seiner Laufschuhe waren während des Rennens aus den Schuhen gerutscht.
Die Innensohlen seiner Laufschuhe waren während des Rennens aus den Schuhen gerutscht.
© dpa

Usain Bolt war bei Olympia in Peking 2008 mit offenem Schnürsenkel zum Weltrekord gerannt, aber mit stark verringerter Dämpfung fast einen ganzen Marathon auf Asphalt zu laufen, dazu gehört schon etwas. Das Innere von Kipchoges Schuhen machte sich jedenfalls früh auf den Weg. „Ich hatte schon Probleme damit ab 0,8 Kilometern“, erzählte Kipchoge. „Zeit, sie rauszuziehen, hatte ich nicht.“ Beim Marathon ist schließlich für nichts Zeit, außer zum Laufen und ab und an zum Trinken.

Mit komplettem Schuhwerk war Eliud Kipchoge vor zwei Jahren schon Zweiter in Berlin geworden und hatte dabei seine bis gestern bestehende persönliche Bestzeit von 2:04:05 Stunden aufgestellt. Anschließend gewann er drei große Marathons hintereinander, in Rotterdam und Chicago 2014 und in diesem April in London. Die Chance auf den Weltrekord, der in Berlin sonst immer ein Thema ist, haben ihm nun seine Schuhe versohlt. Und auch noch eine höhere Prämie. Denn wenn er nur eine Sekunde schneller gelaufen wäre, hätte er zu den 40 000 Euro für den Sieg noch 30 000 Euro Zeitprämie bekommen, so waren es 15 000 Euro.

Doch Kipchoge sagte wie ein in Krisenkommunikation geübter Unternehmenssprecher: „Es sind die besten Schuhe der Welt.“ Und grinste breit dazu. Er habe sie vorher getestet: „Alles hat geklappt. Es war einfach Pech.“ Der Sport sei eben, wie er ist, mit ganzen Sohlen hätte er schneller laufen können, sagte Kipchoge, „ich weiß nicht in welcher Zeit. Aber ich respektiere das Ergebnis.“ Dann noch einmal: „Ich habe die besten Schuhe der Welt.“ Und noch ein breites Grinsen.

Seine Schmerzen hinderten ihn jedenfalls nicht daran, bei Kilometer 31 seine bis dahin verbliebenen Konkurrenten mit einem Zwischensprint abzuschütteln. Auch dabei grinste er, diebisch, weil ihm ein Coup gelungen war. Die Tempomacher hatten diesmal nicht bis Kilometer 30 durchgehalten, wie es sonst eigentlich verabredet wird. So waren die Spitzenläufer früher auf sich allein gestellt. Kipchoge konnte damit am besten umgehen. Sein Landsmann Eliud Kiptanui hatte im Ziel einen Rückstand von einer Minute und 21 Sekunden auf ihn. „Tempo beibehalten, Schmerzen vergessen“, so leicht sei seine Taktik gewesen, erzählte Kipchoge.

Sein Sieg war keine Überraschung, auch nicht der seiner Landsfrau Gladys Cherono in 2:19:25 Stunden. Die Bedingungen am Sonntagmorgen – kühl, sonnig, wenig Wind – konnten jedoch nicht alle Spitzenläufer für sich nutzen. Anna Hahner, die beste Deutsche im Feld, kam nach 2:30:19 Stunden als 13. ins Ziel, etwa dreieinhalb Minuten später als im vergangenen Jahr. Bei der Hälfte lag sie mit 1:13:12 Stunden noch bestens im Rennen, „aber dann hat irgendjemand den Stecker gezogen“.

Dafür überzeugten die besten deutschen Männer, beide auch mit passendem Namen, Philipp Pflieger als 16. in 2:12:50 Stunden und Julian Flügel als 19. in 2:13:57 Stunden. „Das war mein erster kompletter Marathon“, sagte Pflieger, „dafür war die Zeit, glaube ich, ganz passabel.“

Die Norm für die Olympischen Spiele hat Philipp Pflieger zwar verpasst, er will sie nun im Februar erreichen. Und wenn er sich qualifiziert, wird er in Rio de Janeiro sicher auch Eliud Kipchoge wiedersehen, der sich nun die Goldmedaille vorgenommen hat. „Ich habe jetzt schon Rio im Kopf“, sagte er. Entscheidend wird aber auch sein, was er an den Füßen hat.

Zur Startseite