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Christopher Trimmel spielt schon seit 2014 beim 1. FC Union.
© dpa

Christopher Trimmel vom 1. FC Union im Interview: „Die Kabine ist heute umso wichtiger“

Christopher Trimmel spricht im Interview über die neue Ausrichtung des 1. FC Union, den Porsche von Max Kruse und das Kapitänsamt.

Christopher Trimmel, 33, lebt seit sechs Jahren in Berlin. Der österreichische Nationalspieler kam 2014 von Rapid Wien zu Union in die Zweite Liga. Vor dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach haben wir mit ihm gesprochen.

Herr Trimmel, schafft Union auch in seiner zweiten Bundesliga-Saison den Klassenerhalt?
Davon bin ich fest überzeugt.

Wird das in dieser Saison schwieriger?
Man muss ja ehrlich sein. Jeder Experte würde sagen: für Union und Arminia Bielefeld wird es schwierig werden, das sind die Abstiegskandidaten. Das war im letzten Jahr aber auch nicht anders.

Im letzten Jahr konnte Union große Gegner wie Dortmund oder Gladbach zu Hause überraschen. Ist das wieder möglich?
Wir haben schon eine Mannschaft, die absolut im Stande ist, zu überraschen. Dortmund haben wir damals sehr früh in der Saison gespielt, aber bis zum Gladbach-Spiel hatte es sich schon herumgesprochen, wie wir Fußball spielen. Ich glaube nicht, dass sie uns unterschätzt haben. Es gibt aber Tage, an denen man sich ein bisschen in einen Flow spielt. Das wird in dieser Saison auch so sein.

An diesem Samstag spielt Union wieder gegen Gladbach. Liegt der Fokus eher auf der defensiven Stabilität?
Nein. Wenn Du nur auf die Defensive schaust, ist es oft so, dass offensiv gar nichts herumkommt. Gegen Augsburg war die Defensive im Großen und Ganzen in Ordnung, aber die letzte Entschlossenheit hat gefehlt. In der Offensive braucht es auch ein bisschen Zeit. Mit Sebastian Andersson hat uns ein Spieler verlassen, der die hohen Bälle gut weitergeleitet hat. Jetzt müssen wir unser Spiel ein bisschen anpassen.

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Neben Abgängen wie Andersson gibt es auch neun neue Spieler im Kader. Hat dieser Umbruch die Mannschaft aus dem Rhythmus gebracht?
Bei Union gibt es fast in jeder Saison einen Umbruch, weil wir oft mit Leihspielern arbeiten. Man versucht, alle so schnell wie möglich zu integrieren, aber da reicht eine Vorbereitung oft nicht aus. In der Kabine integrieren sich alle schnell, aber das Spielverständnis braucht einfach seine Zeit. Nehmen wir Max Kruse, der sich jetzt langsam ins Mannschaftstraining hereinfindet. Er braucht einfach Zeit und Spiele, damit er die Mitspieler versteht und kennt.

Viele haben sich gefragt, ob Kruse als Typ überhaupt zu Union passt.
Der passt schon. Es ist bei Union schon außergewöhnlich, dass du einen Spieler hast, der so polarisiert. Wichtig ist aber, dass er liefert. Da wird kein Mensch ihn irgendwie verändern wollen, sondern er soll bleiben wie er ist.

Was ist schneller: sein gelber Porsche oder Ihre Harley Davidson?
(Lacht) Ich glaube sein Auto ist schon schneller als mein Motorrad.

Wie ist es mit Keita Endo, der als junger Spieler aus Japan zum ersten Mal nach Europa kommt?
Ich dachte eigentlich, dass es schwieriger würde, ihn zu integrieren. Aber er ist echt sehr bemüht, und das geht wirklich sehr schnell. Er hat zum Beispiel von Beginn weg gesagt, dass er das gleiche Essen wie wir haben wolle. Ich habe auch viele japanische Freunde, die ihm geholfen haben, sich in der Stadt zu integrieren. In Berlin kann er sich ja eh alles kaufen und sich genau gleich ernähren wie in seiner Heimat.

Die Fans an der Alten Försterei hoffen auf möglichst viele Mitstreiter in den nächsten Spielen.
Die Fans an der Alten Försterei hoffen auf möglichst viele Mitstreiter in den nächsten Spielen.
© imago images/Bernd König

Ticken jüngere Spieler generell anders?
Ja. Mit meiner Generation sind sie nicht zu vergleichen. Die jetzige Generation hat schon mit 14 oder 15 einen Berater, der ihnen ständig was reinredet. Deswegen ist die Kabine umso wichtiger. Als Kapitän versuche ich da, jede Situation ruhig und sachlich zu meistern. Das ist mir bis jetzt wirklich sehr gut gelungen.

[Eine Stadt, zwei Bundesligisten: Alle Entwicklungen rund um den1. FC Union undHertha BSC finden Sie bei uns in jeweils eigenen

War das Jahr 2020 mit der Pandemie das schwierigste in Ihrer Karriere bisher?
Ich glaube schon, weil es einfach Dinge zu klären waren, mit denen wir uns als Fußballspieler vorher nicht so beschäftigt haben. Man sitzt auf einmal in Meetings mit dem Präsidium und geht Szenarien durch, was alles passieren kann, wie es um den Verein steht. Ich glaube jeder hat sich ein bisschen weiterentwickelt, weil wirklich jeder involviert war. Da konnte sich keiner herausnehmen.

Haben Sie jemals gedacht: es ist doch absurd, dass wir überhaupt spielen?
Zu Beginn dachte man schon: warum müssen gerade wir jetzt starten? Aber wir haben dann ziemlich schnell gemerkt, dass wir eine ganz besondere Rolle einnehmen. Nicht nur für den Fußball, sondern für die Veranstaltungsbranche können wir ein positives Vorbild sein. Am Ende war das auch so. Es haben sich viele Länder nach uns gerichtet. Und da muss ich auch unseren Präsidenten ansprechen…

...Dirk Zingler, dessen Pläne für volle Stadion durchaus polarisiert haben.
Er ist eben vorangegangen. Ich glaube, dass viele Menschen das schon gerne sehen, weil eben damit ein bisschen der Bock umgestoßen wurde. Nur so funktioniert es auch. Wenn man nur abwartet, bis wirklich jeder Mensch gesund ist, dann wird man lange warten.

Mussten Sie sich erst einmal wieder daran gewöhnen, vor Zuschauern zu spielen?
Das Schlimmste für mich ohne Fans war eigentlich immer das Aufwärmen, weil das ein bisschen so ein Testspiel-Charakter hatte. Jetzt ist es schon ein bisschen besser: du kommst auf den Platz, die Fans jubeln. Es ist schon anders.

Sie sind jetzt 33 Jahre alt. Denken Sie langsam an das Karriereende?
Überhaupt nicht. Ich bin sehr spät Profi geworden, bin jetzt in meinem zehnten Profi-Jahr, und fühle mich super. Ich habe aber auch seit eineinhalb Jahren mein Gewerbe als Tätowierer. Das werde ich auf jeden Fall danach weiterführen.

Lässt sich das gerade vereinbaren?
Ich tätowiere meistens montags oder dienstags, wo ich normalerweise einen freien Tag habe und es ein bisschen ruhiger ist. Aber eigentlich ist es das Malen und Zeichnen, das bei mir die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Mein Traum ist es, irgendwann eine Ausstellung zu machen.

Haben Sie dafür schon eine Galerie?
Ich kenne mittlerweile ein paar Künstler in Berlin, aber es dauert noch ein bisschen. Ich will keine Ausstellung machen mit zwei Bildern, sondern da sollten mindestens zehn drin hängen.

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