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Überzeugend. Valentino Lazaro bereitete das 2:0 vor.
© AFP

Nach 2:0-Sieg gegen Bayern München: Die Helden von Hertha BSC

Nach dem Sieg gegen die Bayern im ausverkauften Olympiastadion gibt es für Hertha BSC Lob von allen Seiten. Viele trauen der Mannschaft Großes zu.

Als Pal Dardai am Samstagmorgen auf sein Mobiltelefon blickte, bekam er fast einen Schreck. Herthas Trainer bekamen ungefähr 30 Prozent mehr Nachrichten als sonst, wie er schätzte. Es hätten sich beim 42-Jährigen selbst Menschen gemeldet, die für ihn lange als verschollen galten. „Das hat mich schon sehr gefreut“, sagte der Ungar am Tag nach dem heldenhaften 2:0-Sieg von Berlins Bundesligisten über den Deutschen Meister. Was so ein Sieg über den FC Bayern doch alles auslösen kann. Beinahe zehn Jahre ist es her, als dieses Kunststück Hertha zuletzt gelungen war.

Pal Dardai stand im Februar 2009 noch als Spieler auf dem Platz. Wie übrigens Franck Ribery auf Seiten der Bayern. „Damals haben wir spontan eine Mannschaftsparty organisiert, inklusive Trainer“, erzählte Dardai. Die Zeiten haben sich verändert, Siege über den FC Bayern sind inzwischen weit schwerer zu erringen, was den famosen Auftritt von Hertha BSC am Freitagabend im Olympiastadion so bedeutungsvoll machte. Zu einer großen Sause durch die Nacht war den wenigsten Spielern zumute. Sie waren zwar glückselig, aber auch kaputt und fertig.

Hertha ist drauf und dran, etwas Besonderes zu schaffen

Auf die Frage, wie der Sieg über die Bayern sich anfühlt, antwortete der großartige Valentino Lazaro – „müde“. Seine Augen aber leuchteten dabei, „als Mannschaftleistung war das heute überragend“. Der aktuelle Jahrgang Herthas ist drauf und dran, etwas Besonderes zu schaffen. „Dreizehn Punkte aus sechs Spielen – das ist ein Topwert“, sagte Manager Michael Preetz. „Wir haben etwas geschafft, woran sich viele Spieler und Fans lange erinnern werden.“ Gerade die vielen jungen Spieler im Team „werden getragen auf der Welle“. Wie weit die Welle tragen wird, muss sich erst noch zeigen, weil junge Spieler Schwankungen unterliegen.

„Aber es war kein glücklicher Sieg“, sagte Preetz, „das wird der Mannschaft weiter Selbstvertrauen verleihen.“ Selbst Berlins Regierender Bürgermeister twitterte seine Glückwünsche an die Mannschaft noch in der Nacht. Pal Dardai genehmigte sich daheim eine schöne Flasche Rotwein, am Samstagvormittag um 10 Uhr bestellte er seine Helden dann zum Auslaufen und zur gemeinsamen Gymnastik ein. Anschließend sollten sie das Wochenende genießen und sich dabei gern auch mal all das Lob anhören, was ihnen so auf der Straße oder in einem Restaurant so entgegen gebracht wird. Dafür hat Dardai den Trainingsplan geändert.

Die Spieler jubeln nach dem Sieg gegen Bayern mit den Fans.
Die Spieler jubeln nach dem Sieg gegen Bayern mit den Fans.
© dpa

Er hat die für den Donnerstag geplante Einheit „Ausgleichssport“ auf Sonntag und Montag vorgezogen. „Sie machen jetzt selbst Ausgleichssport“, sagte Dardai und feixte diebisch in sich hinein. „Es kommt nicht so oft vor, dass du die Bayern schlägst“, sagte Vedad Ibisevic. Herthas 34 Jahre alter Kapitän, der 15 Profijahre in den Knochen hat und das Führungstor erzielte, hatte sich noch auf dem Spielfeld so ziemlich jeden seiner Mitspieler geschnappt und ihn umarmt. „Gegen Gladbach haben wir besser gespielt, aber heute war der Gegner ein großer“, sagte der Bosnier. „Alle haben heute alles gegeben – momentan klappt Vieles.“ Es war ein stolze Nacht für Hertha. „Die erste Halbzeit war fast perfekt“, sagte Dardai, „in der zweiten waren wir kämpferisch voll da.“

Es müsse viel zusammenkommen, damit es gegen einen Gegner wie die Bayern reicht, und es ist viel zusammengekommen. „Ich habe immer gesagt, dass wir das Potenzial für die internationalen Plätze haben“, sagte Lazaro. Doch bis dahin ist es noch eine lange Nacht. „So ein Positivlauf wie jetzt kann auch mal in die andere Richtung gehen. Wir wollen und müssen aufpassen.“ Der erst 19 Jahre alte Arne Maier bekam das Grinsen am Freitag gar nicht mehr aus seinem Gesicht. „Für mich war es das erste Spiel überhaupt gegen die Bayern und dann gleich ein Sieg.“ Er hatte sein Trikot in den Zuschauerrang geworfen, in den Katakomben bebte sein Brustkorb noch nach. „Wir haben jeden Zweikampf angenommen und sind gelaufen, bis uns die Lunge rausgefallen ist.“

Prominenz im Olympiastadion reißt es von den Sitzen

Ganz ähnlich ging es Per Skjelbred, der neben Maier den zweiten Sechser gab. Der 31-jährige Norweger hatte es zu Beginn der Saison nicht mal mehr in den Spieltagskader geschafft, gegen die Bayern bekam er seine Chance und ersetzte er den verletzten Marko Grujic. 167 Bundesligaspiele hat der stets wackere Skjelbred für Hertha und den Hamburger SV bestritten, mit dem er sogar ein mal neun Stück von den Bayern eingeschenkt bekam. Skjelbred frohlockte: „Jetzt kann ich endlich sagen: Ich habe Bayern München geschlagen.“

Es war ein großer Abend für Hertha und für Berlins Fußball. Das Olympiastadion war ausverkauft und allerhand Prominenz war vor Ort. „Das ist für unser Image gut“, sagte Dardai und klang dabei sehr bescheiden. Schließlich wurde Bayerns Trainer Niko Kovac, 46, ein Berliner mit Hertha-Vergangenheit, gefragt, was er seinem ehemaligen Verein noch zutraue in dieser Spielzeit. Pal Dardai, der auf dem Podium zwei Plätze weiter saß, lehnte sich zurück, um mit Kovac Kontakt aufzunehmen. Seinem ehemaligen Mitspieler flüsterte er etwas zu, bevor dieser antwortete. Kovac hatte kapiert. Er solle den Ball mal flach halten. „Wenn sie weiter so spielen, werden sie sehr erfolgreich sein“, sagte Kovac dann nur. Dardai quittierte das mit einem Nicken.

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