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Cedric Enard ist seit 2018 Trainer der BR Volleys. Nun will er mit dem Team gegen Düren den Pokal holen.
© imago images/Andreas Gora

Trainer Enard vor dem Pokalfinale: „Die BR Volleys sind für mich einer der besten Klubs in Europa“

Die Volleys treffen im Endspiel auf Düren. Trainer Enard spricht über die Favoritenrolle, den amerikanischen Block im Team und Sergey Grankin.

Cedric Enard, 43, ist seit 2018 Trainer der BR Volleys, mit denen er gleich im ersten Jahr Deutscher Meister wurde. Am Sonntag (13.45 Uhr, live auf Sport1) trifft der Franzose mit seinem Team im Pokalfinale in Mannheim auf Düren.

Herr Enard, können Sie sich an den 5. Mai 2019 erinnern?
Das letzte Spiel im Play-off-Finale gegen Friedrichshafen?

Fast, das dritte Spiel. Es war das letzte Spiel, das Sie mit den BR Volleys in einem nationalen Wettbewerb verloren haben. Wie erklären Sie sich Dominanz seitdem?
Ich glaube, der wichtigste Punkt ist, dass wir nicht so viele Spieler gewechselt haben im Vergleich zur vergangenen Saison. Als ich 2018 herkam, hatte sich das Team stark verändert, war komplett neu und brauchte Zeit. Seit Mai 2019 ist das Team stabil, wir haben es sogar noch verstärkt. Die Mischung ist sehr interessant.

Also ist das Team besser als im vergangenen Jahr?
Ja, weil die Jungs schon lange zusammenspielen und die neuen Spieler Energie bringen. Dadurch haben wir die Möglichkeit, auf den Positionen öfter mal zu wechseln.

Ist der amerikanische Block mit fünf Spielern dabei ein Vorteil?
Ja. Ich weiß, dass amerikanische Spieler es mögen, nach Berlin zu kommen, weil es eine große Stadt ist. Das ist eine große Motivation für Spieler wie Kyle Ensing oder Jeffrey Jendryk, die die USA zum ersten Mal verlassen. Aber, ehrlich gesagt: Als wir über die Zusammensetzung des Kaders mit Manager Kaweh Niroomand gesprochen haben, war uns nicht wichtig, viele amerikanische Spieler zu haben. Der Markt hat es einfach hergegeben.

Also ist es einfacher, amerikanische Spieler zu finden als deutsche?
Immer, wenn wir mit Kaweh über das Team sprechen, schaue ich auf dem Markt zuerst nach deutschen Spielern, weil wir hier in Deutschland sind und gern mehr einheimische Spieler im Kader hätten. Es gibt aktuell keine Regel hier, die dir vorschreibt, wie viele deutsche Spieler du haben musst. Das würde uns auch stark beschränken, denn der Markt ist klein.

Das war in Frankreich anders?
Ja, da dürfen es in einem Team mit zwölf Spielern nur sechs Ausländer sein. Und auf dem Platz muss immer mindestens ein Franzose sein. Es ist keine große Regel wie in Italien oder Polen, doch so wird es wichtiger, dass die besten Spieler deines Landes nicht im Ausland spielen. Ein Ziel, das Frankreich und Deutschland verfolgen sollten.

Würde solch eine Regel deutsche Klubs international wettbewerbsfähiger machen?
Wir wünschen uns alle deutsche Spieler, aber gegenwärtig würde die Limitierung uns im internationalen Vergleich nicht helfen. Schauen wir auf uns. Um ambitioniert in der Champions League zu sein, und das muss nun mal das Ziel sein, musst du ein konkurrenzfähiges Team bilden. Und wenn du, wie wir, junge deutsche Spieler holst, helfen sie dir nicht sofort weiter. Dann musst du das Team mit ausländischen Spielern stark um sie herumbauen. Um den jetzigen Status zu verändern, braucht es umfangreiche Investitionen in den Nachwuchs, wie wir es vormachen und auch dem deutschen Verband vorgeschlagen haben. Gleichzeitig müssen die Budgets der Bundesligisten steigen. Erst dann macht eine solche Regel in großem Umfang Sinn. Italien und Polen sind hierbei gute Vorbilder.

Sie haben Ihren Vertrag vor ein paar Wochen verlängert. Bedeutet das, dass sie in Berlin zufrieden sind – oder ist Ihr Projekt hier einfach noch nicht vorbei?
Beides. Die BR Volleys sind für mich einer der besten Klubs in Europa, was die Arbeitsbedingungen angeht. Ich will hier etwas Großes aufbauen. Außerdem ist meine Familie - meine drei Töchter und meine Frau - in Berlin sehr glücklich. Ich hatte ein paar Angebote aus dem Ausland, doch auch meine Töchter haben gesagt: Nein, nein, wir bleiben hier. Mein Gespräch mit Kaweh hat fünf Minuten gedauert, dann waren wir uns einig über einen neuen Vertrag. Ich bin sehr glücklich und ambitioniert.

Und was sind Ihre Ziele bis 2022?
Das Ziel in Deutschland ist erst einmal, genau so weiterzumachen. Wobei wir uns auch immer vor Augen führen müssen: 18 Siege in 18 Spielen – das ist nicht normal. Unser Hauptziel ist aber natürlich, in der Champions League die nächsten Schritte zu machen. Wir wollen die bestmöglichen Außenseiter in Europa werden.

Was hat in dieser Saison gefehlt, um es mit den großen Klubs aufzunehmen? In der Gruppe mit den russischen Spitzenklubs Kusbass Kemerowo und Fakel Nowy Urengoi waren Sie nahezu chancenlos.

Man muss ganz ehrlich sagen, dass diese Klubs natürlich andere finanzielle Möglichkeiten haben. Das war das gleiche in Tours, wo ich bis 2018 Trainer war. Und diese Klubs haben national viel mehr Wettbewerb. Doch die deutsche Liga ist auf einem guten Weg, habe ich das Gefühl – der Wettbewerb wird immer stärker. Das ist wichtig: Denn du kannst nur dein bestes Level erreichen und in der Champions League bereit sein, wenn du in jeder Woche Top-Leistungen bringen musst.

Ein anderer Punkt ist sicher auch, dass Ihr wichtigster Angreifer, Benjamin Patch, zwei Spiele gegen die Russen verpasst hast, in denen Sie keine Chance hatten. Seit er wieder dabei ist, läuft es besser. Ist er unersetzlich?
Wenn er dabei gewesen wäre, könnte es jetzt auf jeden Fall anders aussehen – und das ist das, was mich in dieser Saison am meisten frustriert. Ben war vor der Verletzung unglaublich gut, vor allem, was das Zusammenspiel mit Sergey Grankin angeht. Ich war mir sicher, dass wir mit ihm mit den Russen mithalten können. Das ärgert mich sehr. Kyle Ensing hat einen tollen Job gemacht als sein Ersatz. Doch du kannst von einem Ersatzmann nicht erwarten, dass er wie Ben spielt. Er braucht Zeit, um sich zu entwickeln.

Ist die Frustration, von der Sie reden, ein Grund, weshalb Sie bleiben werden?
Es ist sicherlich einer der Gründe. Ich war mir sicher, dass wir nicht mit voller Kraft spielen konnten. Natürlich kommt das nicht nur von einer Person. Aber ich will einfach sehen, was möglich ist.

Nun sind Benjamin Patch, und auch Samuel Tuia, nach ihren Verletzungen auf einem guten Weg in den vergangenen Wochen. Glauben Sie, dass die beiden im Pokalfinale gegen Düren am Sonntag wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte sein werden?
Samuel ist okay, ich fordere ihn momentan sehr, weil er Rhythmus braucht. Er musste spielen, um Wiederholungen zu bekommen. Ben ist auch auf einem guten Weg. Er hatte nach dem Spiel in Lüneburg am Sonntag etwas gespürt, das ist aber nicht ungewöhnlich. Ich denke, das ganze Team ist in guter Form.

Die BR Volleys sind der große Favorit am Sonntag. Was müsste passieren, damit Sie sich den Titel nicht holen?
Ich mag es nicht, so an das Spiel heranzugehen. Ja, wir sind der Favorit, diese Rolle müssen wir annehmen. Wir sind ungeschlagen – okay. Aber ein Pokalfinale ist nur ein einziges Spiel und Düren hat viele erfahrene Spieler. Auch wenn sie nur Siebter in der Bundesliga sind, sie haben ein gutes Team. Deshalb sage ich meinem Team in der Vorbereitung: Schaut nicht auf die Bundesliga-Tabelle. Wir dürfen selbstbewusst sein, ganz klar. Aber wir dürfen den Gegner auf keinen Fall unterschätzen. Das hasse ich.

Sie wissen, wie sich ein Pokalfinale anfühlt, haben es in Frankreich 2013 mit Toulouse erreicht und knapp verloren. Können Sie die Erfahrung nutzen für Sonntag?
Es waren natürlich ganz andere Voraussetzungen. Ich war mit Toulouse Außenseiter gegen Tours – ähnlich wie Düren nun gegen uns. Doch klar, ich weiß, was es bedeutet, in einem Finale zu stehen. Ich weiß, worauf es ankommt, wenn du dieses eine Spiel vor dir hast. Du musst dich vorbereiten, als wenn der bestmögliche Gegner auf dich wartet – dann musst du nachher auch nichts bereuen.

Der Erfolg der vergangenen Monate ist neben Benjamin Patch auch ganz klar an einem zweiten Spieler festzumachen: Sergey Grankin. Haben Sie jemals zuvor einen Zuspieler wie ihn trainiert?
Nein! Er ist wie ein Monster. Sergey kann zwar faul sein im Training – er ist nun mal auch schon 35 Jahre alt und weiß, dass er der beste Zuspieler in Deutschland ist. Aber sobald das Spiel losgeht, ist er da. Sergey hat, seit er im Januar 2019 zu uns kam, das Gesicht des Teams verändert. Ich kann mich noch an das erste Training erinnern, als er Ben die erste Vorlage gab. Sie war perfekt – und als Ben aufkam, konnte er es gar nicht fassen. Sergey ist der ruhige Leader des Teams.

Ein anderer Leader ist Moritz Reichert. Sie haben Ihn im Oktober als Kapitän bestimmt, nachdem Sebastian Kühner seine Karriere beendet hatte. Sie kannten ihn schon aus Tours. Spielte das eine Rolle? Und was macht Moritz als Kapitän aus?
Dass ich ihn aus Tours kannte, war nicht der erste Grund. Ich habe ihn ausgewählt, weil er Deutscher ist. Er muss ja auch im Nationalteam immer mehr Verantwortung übernehmen und hat hohe Erwartungen. Moritz hat diesen realistischen Blick. Er ist kein lauter Kapitän, aber versteht alles, was rund um das Team passiert. Neben Moritz spielen auch Sergey, Georg Klein und Pierre Pujol eine sehr wichtige Rolle. Wenn es etwas gibt, spreche ich erst mit ihnen und dann mit dem ganzen Team.

Leader zu finden, wird auch bei einer anderen Aufgabe für Sie sehr wichtig sein. Sie sind seit Dezember Nationaltrainer Estlands und nicht mehr Co-Trainer der französischen Nationalmannschaft. Wie kam es dazu?
Der estnische Verband kam zu mir und hat sich sehr um mich bemüht. Sowas ist mir sehr wichtig – zu merken, dass Leute unbedingt mit dir arbeiten wollen. Estland hat auch ein gutes Team mit viel Potenzial. Der Verband ist sehr professionell geführt, der Präsident ist sehr ambitioniert – ähnlich wie Kaweh hier in Berlin. Er gab mir die Möglichkeit, Nationaltrainer zu werden, das ist der nächste Schritt in meiner Karriere.

Und was wird nach 2022 sein, wenn der Vertrag in Berlin endet – haben Sie schon Pläne, ob dann der nächste Schritt in Ihrer Karriere folgen soll?
Mein Traum ist es, irgendwann französischer Nationaltrainer zu werden. Auf Klubebene denke ich nur über Ziele mit Berlin nach. Was danach kommt und wo wir mit unserem Projekt stehen, werden wir 2022 sehen. Ich hatte Möglichkeiten, nach Italien, Polen oder die Türkei zu gehen, aber daran bin ich noch nicht interessiert. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass das auch in zwei Jahren so sein wird.

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