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Fans des FC Barcelona huldigen Lionel Messi. Die Ambitionen großer Klubs wie eben dem FC Barcelona könnte für kleine Vereine zum Problem werden.
© picture alliance / dpa

Konkurrenzwettbewerb zur Champions League?: Die Angst vor der Superliga geht um

Ein Gespenst geht um in Europas Fußball: Die reichsten Klubs wollen eine eigene Liga gründen – und noch reicher werden. Die Idee wird immer konkreter.

Von Johannes Nedo

An seinem ersten Arbeitstag als neuer Uefa-Präsident hatte Aleksander Ceferin gleich einen traumhaften Ausblick. Das Exekutivkomitee des europäischen Fußball-Verbands kam am Donnerstag im luxuriösen Astir Palace Hotel südlich von Athen zusammen. Und vom Konferenzraum blickten der Slowene und seine Uefa-Kollegen direkt auf die dunkelblauen, in der Sonne glitzernden Wellen des Saronischen Golfes und den hellblauen, wolkenlosen Himmel.

In dieser angenehmen Atmosphäre bot sich Ceferin die Gelegenheit, einem Gast der Sitzung spezielle Aufmerksamkeit zu schenken: Andrea Agnelli. Der Präsident von Juventus Turin gehört als Vorstandsmitglied der European Club Association (ECA) an, der Vereinigung der führenden europäischen Vereine. Und er ist Mitglied im Uefa-Exekutivkomitee. Agnelli und die anderen Chefs der großen Klubs werden derzeit von der Uefa besonders umgarnt.

Sprach man rund um den Kongress mit hohen Verbandsfunktionären, so ging es schnell immer wieder um ein Thema: Die Uefa müsse unbedingt die guten Beziehungen mit den namhaften Vereinen aufrechterhalten, sagten sie. Das sei die wichtigste Aufgabe für den neuen Präsidenten, der am vergangenen Mittwoch gewählt wurde.

Denn es geht ein Gespenst um im europäischen Fußball: Es heißt Superliga. Eine Liga, in der sich die größten Vereine des Kontinents zusammentun und nur noch gegeneinander spielen. Eine Liga, die weltweit grandios vermarktet werden könnte. Eine Liga, die den Klubs astronomische Einnahmen bescheren würde – und die die Champions League kolossal abwerten würde. Die Superliga würde der Champions League jede Bedeutung entreißen. Das Interesse an dem Premiumwettbewerb der Uefa würde zusammenbrechen, wenn Vereine wie Real Madrid, der FC Barcelona, Manchester City und Bayern München dort nicht mehr antreten, weil sie in einer eigenen, noch einträglicheren Liga spielen, für die sie sich außerdem nicht jedes Jahr aufs Neue qualifizieren müssten.

"Es gibt eine wirkliche Bedrohung einer Superliga"

Die Idee einer Superliga kam in den vergangenen Jahren bereits häufig auf, wirklich konkret war sie jedoch nie. Damit ist es nun vorbei. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass eine Superliga in naher Zukunft immer wahrscheinlicher wird. Das zeigt sich vor allem an der Angst vieler Uefa-Funktionäre, ihre lukrativsten Gewinnbringer zu verlieren, nämlich die großen Vereine. Nicht umsonst wählten sie zuletzt drastische Worte. Als „Krieg gegen die Uefa“, bezeichnete Ceferin eine mögliche Superliga. Und der unterlegene Präsidentschaftskandidat Michael van Praag sagte: „Es gab eine wirkliche Bedrohung einer Superliga.“

Laut van Praag hatten besonders spanische und italienische Topklubs immensen Druck aufgebaut. Die Spanier drohten, weil selbst Klubs wie Real Madrid und der FC Barcelona fürchten, von den englischen Vereinen und ihren gigantischen TV-Einnahmen abgehängt zu werden und sich künftig Stars wie Neymar oder Cristiano Ronaldo nicht mehr leisten zu können. Die Italiener drohten, weil sie trotz ihrer großen, traditionsreichen Namen von zahlreichen europäischen Klubs sportlich abgehängt werden. Der AC Mailand, Inter Mailand und Lazio Rom waren zuletzt kaum oder nur noch sehr selten in der Champions League dabei. Sie haben aber in Asien und den USA noch so viel Reputation, dass sie ihren Namen leicht in einer internationalen Superliga versilbern können.

Dazu passen Gerüchte, der chinesische Unterhaltungskonzern Wanda, der mittlerweile auch ein großer Fifa-Sponsor ist, wolle einen Konkurrenzwettbewerb zur Champions League starten, der den Vereinen mehr Geld versprechen würde als die Uefa. Außerdem sollen sich Vertreter englischer Klubs mit dem Milliardär Stephen Ross getroffen haben, um über eine Superliga zu diskutieren. Ross gehört die Firma „Relevant Sports“, die seit 2013 während der Sommerpause den „International Champions Cup“ veranstaltet. Das ist bereits eine Testspiel-Superliga, an der nahezu alle europäischen Topklubs teilnehmen, auch der FC Bayern und Borussia Dortmund. Ausgetragen wird sie in den USA, in China und Australien. In jenen Märkten also, die noch mehr Wachstum für die Vereine versprechen. So wäre es nur konsequent, dieses Sommerturnier in eine feste Superliga umzuwandeln.

Kernfrage: Wie können wir noch mehr Geld verdienen?

Aus Uefa-Kreisen ist zu hören, dass einige englische Klubs eine solche Liga als Ersatz für die Champions League sehr begrüßen würden.

Den großen Vereinen geht es dabei nur um eines: Sie schauen, wo sie am meisten verdienen können. Und dort spielen sie dann auch. Die heimischen Fans sind für globale Fußballmarken wie Manchester United, den FC Barcelona und Paris Saint-Germain vor diesem Hintergrund offensichtlich gar nicht mehr so wichtig.

Bei den meisten Fans sorgt diese Entwicklung naturgemäß für Unbehagen. Die Quintessenz der Uefa-Pläne, schrieb das BVB-Fanzine „Schwatzgelb“ kürzlich kritisch, könne „auf ein einfaches ,Der Teufel scheißt auf den größten Haufen’ reduziert werden“. Doch wen in den Chefetagen der Klubs stören ein paar verärgerte, traditionsliebende Fans, wenn sich in Asien und den USA problemlos Stadien füllen und hohe TV-Einnahmen erzielen lassen?

Solche Aussichten haben nun auch die Uefa zum Handeln gezwungen. Um einen möglichen Exodus der namhaften Vereine aus der Champions League zu verhindern, hat die Uefa eine verkappte Superliga auf den Weg gebracht. Ende August hat der europäische Verband heimlich, still und leise ein neues Format der Champions League von 2018 bis 2021 verkündet. Dann haben die vier besten Länder der Fünfjahreswertung jeweils vier Startplätze in der Champions League sicher. Spanien, Deutschland, England und Italien stellen künftig mit 16 Mannschaften also die Hälfte aller Champions-League-Teilnehmer. Und weil der Vorsprung der vier Nationen auf die dahinter Positionierten in der Rangliste so groß ist, müssen sie sich keine Gedanken darüber machen, Startplätze zu verlieren.

Bei der Uefa-Versammlung grummelte es im Hintergrund

Von dieser Reform profitieren also allein die großen Klubs der großen Ligen. Zwischen Uefa und der Klubvereinigung ECA wurde sogar über ein Wildcard-System diskutiert, das namhaften Vereinen einen festen Platz garantiert hätte. Einige ECA-Vertreter hatten außerdem angeregt, die Champions League doch einfach auf 24 Mannschaften zu reduzieren. Diese beiden Vorschläge blieben in der Schublade, allerdings machte die Uefa weitere Zugeständnisse an die Topklubs. Das Geld aus dem Champions-League-Topf wird künftig noch stärker zugunsten der Großen verteilt. Weil der sogenannte Teamkoeffizient, den Vereine wie Real Madrid und Bayern München anführen, beim Verteilungsschlüssel nun erstmals berücksichtigt wird.

Ausbaden müssen das neue Champions-League-Format die kleinen und mittelgroßen Klubs und Verbände. Von der Saison 2018/19 an erreichen nur noch sechs Vereine über die Qualifikation die Gruppenphase. Und die Meister der Schweiz oder Tschechiens, deren Länder derzeit Elfter und Zwölfter der Fünfjahreswertung sind, haben keinen festen Startplatz mehr.

Bei der Uefa-Versammlung in Athen grummelte es deshalb im Hintergrund. Die kleinen Nationalverbände äußerten ihren Unmut über die neue Champions League. Auch Ceferin übte im Namen Sloweniens deutliche Kritik daran. „Wir wurden nicht angemessen informiert“, sagte er. Der Lösungsansatz verspricht aber wenig Erfolg. Eine Arbeitsgruppe Champions League wurde eingerichtet, die vielleicht ein paar Details der Reform ändern kann, die Grundzüge bleiben jedoch bestehen: Die Großen werden bevorzugt. Daran will auch Ceferin nicht rütteln, denn er weiß – über allem schwebt die Gefahr einer Superliga.

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