Handball-WM: DHB-Team scheitert an Katar und fliegt raus
Die deutschen Handballer erleben bei der WM eine böse Überraschung und verlieren schon im Achtelfinale. Gegen Katar spielten vor allem die Nerven nicht mit.
Andreas Wolff stand an der Mittellinie und vergrub sein Gesicht in einem Handtuch, dann schlug er sich mehrfach mit der flachen Hand vor die Stirn. Aus Gründen des Selbstschutzes ließen seine Mitspieler vorsichtshalber einen gehörigen Sicherheitsabstand zum Torhüter der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Wer weiß, wie Wolff reagiert hätte beim Versuch einer Annäherung so kurz nach der Schlusssirene. Womöglich hätte er jeden aufgefressen, der es gewagt hätte.
Es war nur eine von zahlreichen symbolischen Szenen für den Schock, den der amtierende Europameister am Sonntag in Paris erlebt hat. Im Achtelfinale der Weltmeisterschaft unterlagen die Deutschen - wie schon bei der letzten WM vor zwei Jahren im Viertelfinale - gegen Katar, und das war diesmal nicht weniger als eine Sensation: Nach einer 20:21 (10:9)-Niederlage ist das Turnier für den Mitfavoriten vorzeitig beendet, bevor es überhaupt richtig losgehen konnte. „Wir haben unfassbar viele Fehler gemacht, mir fehlen die Worte“, sagte Paul Rückraumspieler Paul Drux. Seinem Kollegen Julius Kühn ging es genau so. „Glückwunsch an Katar“, brachte er bei der Pressekonferenz gerade noch so heraus. Ein Satz zum Spiel? „Kein Kommentar.“
Schon 2015 hatte Katar die Deutschen bei der WM im Viertelfinale besiegt
Dabei hatte es zunächst nach dem erwarteten und fest eingeplanten Sieg für das Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson ausgesehen. Schnell führten die Deutschen mit 5:2 (7.), der gefürchtete Mittelblock um Finn Lemke stand gut und sicher, Keeper Wolff kam ebenfalls ordentlich ins Spiel - soweit zur Defensive. Im Angriff hatte der Favorit dagegen große Probleme, phasenweise leisteten sich die Deutschen Pass- und Fangfehler, die jeden Trainer aus dem Amateurbereich zur Weißglut getrieben hätten. Am Ende vermerkte die Statistik 15 Ballverluste und 14 Fehlwürfe aus dem Rückraum - ein Wert, mit dem es praktisch unmöglich ist, ein Spiel auf diesem Niveau zu gewinnen. Erschwerend kam hinzu, dass Katars Schlussmann Danijel Saric einen starken Tag erwischte. Vor allem dank des eingebürgerten Bosniers lagen die Kataris zur Pause nur mit einem Tor hinten (10:9).
Nach dem Seitenwechsel schien es, als hätten die Deutschen ihre Nervosität allmählich abgelegt. Nach zwei Treffern durch Paul Drux und jeweils einen von Holger Glandorf und Steffen Fäth führten sie 17:13, selbst ein Platzverweis gegen Patrick Wiencek wegen dreier Zeitstrafen schien das Team nicht aus der Bahn zu werfen - bis es plötzlich komplett einbrach. Sigurdsson räumte später ein, in seinem nunmehr letzten Match als Bundestrainer vor dem anstehenden Wechsel nach Japan mit taktischen Entscheidungen daneben gelegen zu haben.
Unter anderem musste sich der Isländer den Vorwurf gefallen lassen, viel zu lange auf Steffen Fäth vertraut zu haben. Der Mann von den Füchsen Berlin leistete sich in der Schlussphase zwei womöglich spielentscheidende Fehler: Zunächst verbasselte er beim Stand von 20:20 leichtfertig den Ball und ermöglichte Rafael Capote damit ein einfaches Kontertor zum 21:20 - es war die erste und einzige Führung Katars im ganzen Spiel, aber sie genügte zum Weiterkommen. Wenig später nahm sich Fäth einen völlig unvorbereiteten letzten Wurf, der im Mittelblock des Gegners landete. Zuvor hatte Sigurdsson zur allgemeinen Überraschung darauf verzichtet, eine Auszeit zu nehmen und einen geordneten finalen Spielzug anzusagen.
Bei der Analyse des Erlebten waren später auch die litauischen Schiedsrichter Gegenstand diverser Nachfragen, die dem deutschen Team, im speziellen Paul Drux, in der entscheidenden Phase zwei eindeutige Siebenmeter verweigert hatten. "Es ist klar, dass etwas stattgefunden hat, das 2015 als einmalige Sache galt. Dass eine Mannschaft aus Asien von den Schiedsrichtern deutlich bevorteilt wurde. Allein das Siebenmeterverhältnis spricht Bände“, sagte Andreas Wolff. Es lautete: fünf zu null für Katar. Allerdings war Wolff der einzige aus der deutschen Delegation, der diese Dose öffnete. Alle anderen wussten und sagten, was offensichtlich war: Dass sich der Europameister diese Niederlage gegen eine guten, aber gewiss nicht herausragenden Gegner schon ganz von allein eingebrockt hatte.
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