Tour de France: Deutsche Fahrer wollen hoch hinaus
Nur sechs von elf deutschen Fahrern erreichten bei der Tour de France das Ziel in Paris – trotzdem sind die Zukunfsaussichten vielversprechend.
Die größte Überraschung der 105. Tour de France war vielleicht gar nicht der Sieg des Briten Geraint Thomas, sondern wer hinter ihm auf Platz zwei gelandet ist. Nach 3351 Kilometern lag Tom Dumoulin aus den Niederlanden nur 1:51 Minuten hinter Thomas. Damit ließ Dumoulin sogar Chris Froome hinter sich, der in den vergangenen Jahren die Tour dominiert hatte. „Niemand hat erwartet, dass ich so gut fahre“, sagte der Niederländer. „Nicht einmal ich selbst.“ Vor allem war es auch ein Erfolg für das deutsche Radsportteam Sunweb, für das Dumoulin fährt.
„Wir sind diese Tour de France in einer Art Experimentiermodus gefahren. Wir wussten nicht genau, wie Tom den Giro verkraftet hat“, sagt Teamchef Iwan Spekenbrink. „Wir wollten mit ihm vor allem Informationen darüber sammeln, wie es ist, wenn man eine Tour de France mit dem Fokus Gesamtsieg fährt, was das für ihn und für die gesamte Mannschaft bedeutet“. Dass im Experimentiermodus Rang zwei heraussprang, macht Hoffnung bei Sunweb. Erst recht, wenn man bedenkt, dass mit Wilco Kelderman (erst durch einen Sturz unmittelbar vor der Tour aus dem Kader geflogen), Sam Oomen und auch dem Deutschen Lennard Kämna in Zukunft richtig kletterstarke Leute an Dumoulins Seite fahren könnten. Kämna gilt als eines der größten deutschen Rundfahrttalente neben Maximilian Schachmann (Quick Step) und Emanuel Buchmann (Bora).
In diesem Jahr lief es schlecht aus deutscher Sicht
Buchmann, der zugunsten der Vuelta auf die Tour verzichtete, ist von allen dreien am weitesten in seiner Entwicklung fortgeschritten. „Er wird bei der Vuelta als Kapitän eines ganz starken Teams an den Start gehen“, sagte TeammanageRalph Denk. „Und ich hoffe sehr, dass er mich dabei so überzeugt, dass ich ihn im nächsten Jahr in dieser Rolle in Frankreich sehen kann.“
In diesem Jahr ging die Tour für die Deutschen insgesamt aber noch eher bescheiden zu Ende. Bedingt durch das frühe Ausscheiden der Erfolgsgaranten Marcel Kittel (14 Etappensiege), André Greipel (11) und Tony Martin (5) hatten sie wenig Grund zur Freude. Am besten lief es noch für Simon Geschke, der am Sonntag auf Rang 25 nach Paris führ. Er war oft der letzte Begleiter eben jenes Tom Dumoulin in Alpen und Pyrenäen. Etwas Glanz vom des Niederländers fällt damit auch auf ihn. „Ich bin noch nie eine bessere Tour gefahren“, sagte der 32-jährige Berliner, der 2015 in Pra Loup eine Etappe gewann. In diesem Jahr wurde er immerhin Tagessechster, als er in einer Fluchtgruppe dem Feld entwischte.
Auch John Degenkolb strahlte auf der Champs Elysées. Noch nie sah man den Frankfurter so entspannt nach einem zweiten Platz bei einer Tour-Etappe. Die Freude war immer noch ungebrochen, weil Degenkolb zuvor, auf der Etappe über seine geliebten Roubaix-Pflastersteine, seinen persönlichen Tour-Fluch überwunden hatte. Er weiß jetzt, wie es geht mit den Etappensiegen in Frankreich. Neben Geschke und Degenkolb schafften es nur vier weitere von insgesamt elf deutschen Startern bis Paris – meistens als treue Kapitäns-Helfer wie Paul Martens bei Lotto NL, Nils Politt bei Katusha oder Routinier Marcus Burghardt an der Seite des von einem Sturz gezeichneten Sprintkönigs Peter Sagan bei Bora-hansgrohe. Vor allem Geschke, Degenkolb und Burghardt lassen für die Zukunft hoffen.
Die Hoffnungen ruhen unter anderem auf Marcel Kittel
Wie es bei Marcel Kittel und seinem Team Katusha Alpecin weitergeht, ist dagegen noch unklar. „Marcel ist wie ein Ferrari, ein absoluter Siegfahrer. Da müssen dann auch die kleinsten Details stimmen ringsum. Und daran müssen wir arbeiten“, sagte Teammanager José Azevedo in Paris. Anzeichen dafür, dass der Zusammenhalt im Team größer ist, als es nach außen den Anschein hat, ist die Tatsache, dass das auf vier Mann geschrumpfte Team Ilnur Zakarin noch unter die Top Ten brachte. André Greipel steht im nächsten Jahr vor genau dem Problem, das Kittel jetzt zu schaffen machte: Er wechselt das Team – wohin genau, wird man am 1. August erfahren. Im neuen Umfeld muss Greipel dann schnell die Bedingungen herstellen, die Höchstleistungen ermöglichen. Wie man es besser nicht macht, hat ihm das Beispiel Kittel-Katusha ja gezeigt.