Saison-Auftakt in Östersund: Deutsche Biathleten: Nicht gleich das ganze Pulver verschießen
Für die deutschen Biathleten beginnt an diesem Sonntag in Östersund die Saison - die Höhepunkte kommen aber erst im Januar und Februar.
Gerald Hönig ist derzeit in einer zwiespältigen Situation. Einerseits sieht der Bundestrainer, wie sich die deutschen Biathletinnen darauf freuen, dass die neue Saison an diesem Sonntag im schwedischen Östersund beginnt. Wie sie daraufhinfiebern, sich endlich wieder mit ihren Konkurrentinnen zu messen. Diese Energie und Vorfreude steckt Hönig natürlich an. Andererseits muss der 58-Jährige die gesamte Saison im Blick haben. Und so sehr er merkt, wie die Athletinnen die Wettkämpfe in Östersund herbeisehnen, so möchte er auch nicht, dass sie schon jetzt all ihr Pulver verschießen. Die echten Höhepunkte kommen ja erst im Januar mit den Weltcups in Deutschland und im Februar mit der Weltmeisterschaft in Hochfilzen.
Deshalb geht Hönig die ersten Wochen der Saison zurückhaltend an. „Man darf die Weltcups im Dezember nicht überbewerten. Die ersten Wettkämpfe sind für alle eine unbekannte Größe“, sagt er. Der Bundestrainer will seine Biathletinnen allerdings auch nicht bremsen. „Wir sehen die Rennen noch als Formaufbau und Gelegenheit, wieder komplett in den Wettkampfmodus zu schalten“, betont er.
Den Auftakt dafür bilden an diesem Sonntag in Östersund die Mixed-Staffel und die Single-Mixed-Staffel (ab 15.30 Uhr/ZDF und Eurosport). In den vergangenen Jahren nahmen daran eher nicht die Topathleten teil. Weil Hönig die Energie seiner Sportlerinnen aber nutzen und ebenfalls erfolgreich in die Saison starten will, hat er seine besten drei Biathletinnen für diese Wettkämpfe nominiert. Laura Dahlmeier und Franziska Hildebrand starten in der Mixed-Staffel gemeinsam mit Benedikt Doll und Arnd Peiffer. Und Franziska Preuß geht im Single Mixed mit Erik Lesser ins Rennen.
Für Hönig spiegelt diese Auswahl die Leistungsstaffelung im deutschen Team wider. Dahlmeier, Hildebrand und Preuß sind seine „drei Top-Frauen“, wie er sagt. Überaus zufrieden ist er, wie sich die drei in den vergangenen Jahren stetig gesteigert haben. „Denn unser großes Ziel ist es, alle Athletinnen weiterzuentwickeln, damit sie um die Topplatzierungen mitlaufen können und auch im Gesamtweltcup vorne dabei sind“, betont Hönig.
Allerdings sind da noch nicht alle so weit, wie er es sich vorstellt. „Ich wünsche mir mehr Druck aus der zweiten Reihe und dem IBU-Cup-Team. Gerade läuferisch sind einige da eher schwach“, sagt Hönig. Läuferisch kann Miriam Gössner immer gut mithalten. Doch ob sie nach vielen Höhen und Tiefen nun in dieser Saison wieder überzeugen kann, mag Hönig nicht voraussagen: „Ihre Leistungen im Training und im Wettkampf sind immer so unterschiedlich.“ Dabei lobt er ihren Fleiß und ihren Ehrgeiz. „Aber das Schießen wird bei ihr immer eine Zitterpartie bleiben. Bei Miri ist immer die große Frage: Wie bringt sie es unter Druck rüber? Denn wenn sie im Wettkampf eine Schwäche zeigt, bricht ihr Kartenhaus zusammen.“
Große Hoffnungen setzt Hönig in Denise Herrmann. Die 27-Jährige, die als Langläuferin 2014 in Sotschi Bronze mit der Staffel gewann, wechselte vor dieser Saison zum Biathlon. Und im zweitklassigen IBU-Cup hat sie sofort überzeugt. Am Freitag gewann sie das erste Rennen des Winters im norwegischen Beitostölen – trotz sechs Schießfehlern. Hönig ist überzeugt: „Denise wäre läuferisch sofort in der Lage, vorne dabei zu sein. Sie hat auch schon eine schnelle Entwicklung genommen, obwohl wir beim Schießen mit ihr wirklich beim Urschleim angefangen haben.“ Darum will Hönig sie nicht zu sehr unter Druck setzen und ihr Zeit geben.
Es gibt also auch in diesem Winter wieder viele Baustellen für Hönig. Am liebsten wäre es dem Bundestrainer sowieso, seine Biathletinnen würden jedes Rennen mit solcher Vorfreude angehen, wie er sie derzeit spürt.