3:2-Sieg bei KAA Gent in der Champions League: Der VfL Wolfsburg kann für das Viertelfinale planen
Lange Zeit beherrscht der VfL Wolfsburg den heimischen KAA in Gent deutlich, nur am Ende macht es der Bundesligist unnötig spannend.
Sein Weg ins Glück war herrlich anzusehen. Den letzten nervenden Verteidiger getunnelt, danach den Torhüter zum vorentscheidenden 2:0 überlupft: Was Julian Draxler an diesem besonderen Abend zu zeigen hatte, war eine sehenswerte Rechtfertigung. Zu brav, zu lethargisch, zu verhalten: Es kommt immer wieder vor, dass der Hoffnungsträger des VfL Wolfsburg wegen seines großen Talents besonders kritisch betrachtet wird.
Seine beiden Treffer (44. und 54. Minute), die den Weg zu einem 3:2 (1:0)-Erfolg bei KAA Gent geebnet haben, kamen wie wichtige Kronzeugen zu Draxlers Entlastung daher. Der Nationalspieler hat Vizemeister Wolfsburg das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League veredelt. Als Max Kruse in der 60. Minute Treffer Nummer drei beigesteuert hatte, sah alles nach einem Spaziergang aus. Aber Gent verkürzte am Ende noch durch Sven Kums (80.) und Kalifa Coulibaly (89.) und gefährdete das Wolfsburger Glück.
"Wir wissen, dass wir eine überragende Ausgangslage noch verspielt haben", sagte Draxler nach dem Spiel und lieferte die Erklärung dafür gleich mit. "Wir haben einen Gang zurück geschaltet. Das war der Fehler". Geschäftsführer Klaus Allofs meinte leicht gereizt: "Man muss das bis zum Ende durchbringen, konzentriert durchbringen".
Harte Gangart, kollektives Rennen plus volle Pulle Teamgeist: Fast alles von dem, was vorab dem einsatzfreudigen Team von KAA Gent zugeschrieben worden war, traf am Mittwochabend auf den VfL Wolfsburg zu. Die Lethargie der vergangenen Wochen, die in der Bundesliga zu einem unschönen Absturz in der Tabelle geführt hat, ließ sich beim Vizemeister nicht mehr nachweisen.
Mit dem meist sehr frech und robust auftrumpfenden Maximilian Arnold hatte VfL-Trainer Dieter Hecking überraschend einen Youngster als vordersten Mittelfeldspieler eingesetzt. Das damit verbundene Signal war klar. Die Wolfsburger behaupteten sich im mit 19.999 Zuschauern ausverkauften Stadion in Gent, indem sie die Zweikämpfe nicht scheuten, sondern bewusst suchten. Bis zu 80. Minute klappte das zumindest, ehe die Führung um ein Haar noch verspielt worden wäre.
Julian Draxler gelingen zwei wunderschöne Tore
Der berechtigte Traum der Wolfsburger vom Einzug in das Viertelfinale der Champions League bleibt neben Draxler zwei Umständen zu verdanken: Sie sind im Hinspiel mit einer guten Leistung ihrer Favoritenrolle gerecht geworden. Und sie haben sich von der besonderen Atmosphäre in Flandern nur in den letzten zehn Spielminuten irritieren lassen.
Die Profis von KAA Gent sind in ihrer Stadt umjubelte Helden, weil sie aus heimischer Sicht Unmögliches vollbringen. Als Budget-Zwerg mit einem Etat von gerade einmal 60 Millionen Euro gehört man eigentlich nicht zu den besten Mannschaften in Europa. In der Vorrunde hatte KAA Gent noch etablierte Klubs wie Olympique Lyon und den FC Valencia niedergerungen. Im Duell mit Wolfsburg stieß der der Belgische Meister jedoch an seine Grenzen. Vor allem der gefürchtete Stürmer Laurent Depoitre kam gar nicht zur Entfaltung. Er war bei Robin Knoche und Dante, die angesichts einer Sperre von Routinier Naldo erstmals die Innenverteidigung des VfL bilden durften, in den allerbesten Händen.
Der Ruhm guter Taten in der Champions League bleibt für die Mehrheit der Wolfsburger Profis offenbar die größte Triebfeder. Auf der großen Bühne des Fußballs werden die wichtigen Bewerbungen für Einsätze in der jeweiligen Nationalmannschaft abgegeben. Es drängt sich der Verdacht auf, dass international erfahrene Könner wie Luiz Gustavo und André Schürrle mit der Champions League deutlich mehr als mit dem Ligaalltag anfangen können. Wie sagte es der Brasilianer Dante so schön? „In der Champions League wird das Herz ein bisschen wärmer.“
Das werden sich auch die rund 2000 aus Wolfsburg mitgereisten Fans gedacht haben. Sie kamen gehörig ins Staunen, dass die auswärtsschwächste Mannschaft der Bundesliga diesmal zu gleich drei Toren kam. Dass die Schlussphase aus Wolfsburger Sicht eher zum Vergessen war, lässt sich wohl verschmerzen. Mit Draxler konnte sich der VfL an diesem Abend auf jenen Profi verlassen, der den qualitativen Unterschied ausmachte. Die Belgier hatten sich offenbar nicht so recht getraut, den 22 Jahre alten Ballkünstler zu ärgern – und im Notfall zu treten. Am Ende war ihnen Draxler mit seinen Finten und Toren gehörig auf der Nase herumgetanzt.