Angst um Trainer und Spieler: Der ukrainische Sport kommt zum Erliegen
Nach dem russischen Einmarsch ist nichts mehr wie vorher im ukrainischen Sport. Seine Protagonisten schaffen es teils nicht mal außer Landes.
Der Krieg zieht nicht spurlos am Sport vorbei. Wie könnte er auch. Roberto De Zerbi, Trainer des ukrainischen Fußball-Spitzenklubs Schachtjor Donezk, war erst Anfang der Woche mit seiner Mannschaft aus dem Trainingslager in der Türkei nach Kiew zurückgekehrt. Doch statt sich von den Reisestrapazen zu erholen wurde der Italiener in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wie Millionen andere von Bomben geweckt. 24 Stunden später sagte er der italienischen Zeitung „Gazzetta dello Sport“, dass er seit Stunden in seinem Zimmer sitze. „Es ist ein schrecklicher Tag.“
Fürwahr finstere Tage erleben die Menschen in Kiew und vielen anderen Städten und Orten in der Ukraine. Und viele von ihnen können wie De Zerbi und sein Team nicht einfach raus aus den Kriegswirren. Sie sitzen fest.
Schachtjors Mittelfeldspieler Marlon Santos bat in seiner Verzweiflung via Instagram die brasilianische Regierung um Unterstützung. „Wegen des Treibstoffmangels, der geschlossenen Grenze und des geschlossenen Luftraums können wir nicht ausreisen", sagte er. Ähnlich äußerte sich auch De Zerbi.
„Wir vertrauen darauf, dass uns die Botschaft und die Regierung bei der Heimreise helfen werden. Ich bin zuversichtlich“, sagte De Zerbi. Doch die Zuversicht könnte in den nächsten Tagen schwinden. Die ukrainischen Behörden und die Regierung selbst sind im Fokus der russischen Truppen. Außerdem gilt für die Bürger in Kiew längst die dringende Empfehlung, ihre Häuser nicht zu verlassen. Zumal die Fluchtwege mehreren Meldungen zufolge unpassierbar sind. Die Menschen in Kiew sitzen in der Falle. Sowohl die italienische wie auch die brasilianische Regierung wird im Moment kaum etwas für ihre Landsleute tun können.
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Am Freitag dann wollte sich De Zerbi nicht mehr zum Krieg in der Ukraine öffentlich äußern. Vermutlich hat der 42-Jährige Angst vor Repressionen, sollten die russischen Machthaber bald Kiew eingenommen haben. Laut der italienischen Botschaft hat er aber den Rat angenommen, Wasser- und Essensvorräte in seiner Wohnung in Kiew zu bunkern.
Der Sport in der Ukraine liegt durch die Kriegshandlungen Russlands freilich in Trümmern. Am Donnerstag setzte der ukrainische Fußballverband den Spielbetrieb der höchsten Liga aus. Weitere Ligen aus anderen Sportarten folgten und werden folgen. In Kriegszeiten bleibt kein Platz für Sport – sofern man direkt betroffen ist. Vielmehr herrscht große Sorge um das Wohl der Menschen.
So bangt Werder Bremen um zwei Spieler seines Schach-Bundesligateams. Die Ukrainer Alexander Areschenko und Zahar Efimenko würden sich wahrscheinlich in ihrer Heimat aufhalten, hätten aber keinen Kontakt mehr zum Verein. „Wir hoffen natürlich, dass es ihnen gut geht“, sagte Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald der „Deichstube“. Die Saison der Schach-Bundesliga beginnt am 5. März. „Wir haben die für unsere ukrainischen Spieler notwendige Einladung an sie geschickt und hoffen, dass sie Anfang März in Bremen sein werden“, sagte Hess-Grunewald.
Die Anteilnahme aus dem Sport mit den Ukrainern ist groß
Beim Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt hat Zeugwart Igor Simonov keine ruhige Minute. Der 63-Jährige stammt aus Donezk. „Ich spreche jeden Tag mit ihm. Er hat seine Familie noch dort. Er erzählt, dass seine Brüder zu Hause sitzen und befürchten, eingezogen zu werden und dann vielleicht an die Front zu müssen“, erzählte Frankfurts Trainer Oliver Glasner am Donnerstag.
Es sind dies nur wenige Beispiele. Sie zeigen, dass es hierzulande auch im Sport viele Verbindungen in die Ukraine gibt. Die Anteilnahme aus dem Sport an dem unter Beschuss geratenen Volk ist dabei groß. Es ist aber nicht nur Anteilnahme, sondern mitunter Verbitterung und Zorn, der sich in den Reaktionen niederschlägt.
Der ukrainische Nationalspieler Oleksandr Zinchenko etwa wünschte Russlands Präsident Wladimir Putin in einem Post auf Instagram den „schmerzhaftesten Tod“. Später löschte der Spieler von Manchester City den Eintrag und meldete sich wieder in einem moderaterem Ton: „Die ganze zivilisierte Welt ist besorgt über die Situation in meinem Land. Das Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin und dessen Farben ich in den internationalen Sportarenen verteidige. Das Land, das wir versuchen (...) zu entwickeln. Ein Land, dessen Grenzen intakt bleiben müssen.“ (mit dpa)
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