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Die Nationalspieler Bastian Schweinsteiger (l.) und Lukas Podolski sitzen bei der Weltpremiere des. Films "Die Mannschaft" im Kino Cinestar im Sony Center am Potsdamer Platz.
© dpa

WM-Film "Die Mannschaft": Der Traumfänger

Der WM-Film „Die Mannschaft“ ist kein Meisterwerk, aber näher dran am Team als das „Sommermärchen“. Und auch ohne Regisseur ist ein Werk mit Charme entstanden.

Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass Thomas Müller im aktuellen WM-Film „Die Mannschaft“ in einem Dirndl zu sehen ist. Drollig, das zarte Rosé eng geschnürt am Leib des drahtigen Fußballers, der so kickt wie er Wettschulden einlöst – unorthodox. Müller kredenzt seinen Mitspielern im Trainingslager vor der WM im Kleidchen das Essen, was den einen oder anderen zu launigen Kommentaren verleiten lässt. Müller bleibt auch in dieser Szene Müller – er zieht das Ding durch. Oder wie es Teampsychologe Hermann einmal sagte: Dieser Müller ist für die Nationalmannschaft ein Geschenk des Himmels.

Sonst ist der Streifen über 90 Minuten erdiger, und das ist auch gut so. Die Dramaturgie ist vorgegeben, jeder kennt das Ende von Rio. Götze, Tor, Titel. Der Film kommt daran nicht vorbei, kommt aber ohne übertriebenes Pathos aus, obgleich er eine Eigenproduktion ist.

Ein Meisterwerk muss er gar nicht sein. Der Film sieht sich leicht weg, ist aber anders als der Film der Heim-WM vor acht Jahren. „Deutschland. Ein Sommermärchen“ war ein Werk über Deutschland, über ein zu sich kommendes Land und eine zu sich kommende Mannschaft. Der aktuelle Film hat keinen echten Regisseur, aber die Filmer, oft auch Betreuer, kommen deutlich näher an die Spieler und an das Wesen der Mannschaft. Das schafft Emotionalität, die durchaus Charme hat.

Der Streifen nimmt einen mit auf eine achtwöchige Reise, vom Auto-Crash im regennassen Hang der Südtiroler Berglandschaft nach Brasilien ins Campo Bahia, das Basiscamp. Für Bundestrainer Joachim Löw ein Paradies, eine Oase inmitten der Herzlichkeit und Wärme der Menschen Bahias. Die Reise führt hin zur Wasserschlacht von Recife, dem hakeligen Spiel gegen Algerien, das erst in der Verlängerung gewonnen wird, weiter über Belo Horizonte, den Ort des Halbfinals, eine wahrlich historische Nacht des Weltfußballs, dieses sagenhafte 7:1. Eine Tragödie für den Gastgeber. Aber auch die Demut der Sieger, wie sie die gebeutelten Helden in die Arme schließen und so die geschlagene Nation für sich gewinnen.

Löw signalisiert Götze: Du bist besser als Messi

Der Film lebt weniger von Worten. Es sind die Bilder, die den Film tragen und prägen. Szenen, die das Innenleben dieser Gruppe zeigen, die von einer Bindung erzählen, wie sie in einer Familie herrscht, wie es Oliver Bierhoff, der Manager, nach dem Titelgewinn sagt. Er, das Hirn hinter dem Team, der Erfinder des Campo Bahia, hat der Mannschaft mal kein Thema für das Turnier verordnet. Das Motto, sagt er, sei ein weißes Blatt Papier gewesen, das die Akteure selbst zu füllen hatten.

Da gibt es etwa die Szene, wie Christoph Kramer als Neuling dem Einstandsritual nachkommt und der Mannschaft ein Ständchen singt. Er tut es nach dem 4:0-Auftakt gegen Portugal, nachts auf der Fährüberfahrt zum Quartier, unter dem Sternenhimmel der Entdeckerküste Brasiliens. Und wie dann nach ein paar gesungenen Zeilen die Mitspieler mit einstimmen. Oder das „Wat woll’n se“-Interview mit Per Mertesacker, der sich für drei Tage in die Eistonne legen will. Und klar, die Bilder von Rio! Dem Finale, wie Kramer schwer k. o. geht und das Blut von Schlachtross Bastian Schweinsteiger den Rasen des berühmten Maracana tränkt. Der Film zeigt, wie Löw dem späteren Torhelden Mario Götze vor seiner Einwechslung ans Kinn greift: Zeig der Welt, dass du besser bist als Messi.

Er zeigt es. Und der Film zeigt es auch. Wie auch die torkeligen Tänze der Spieler nach dem Titelgewinn, wie Mertesacker und Shkodran Mustafi, die Medaillenbänder zu Stirnbändern angelegt, angeschickert in der Hotellobby tanzen.

Aber wie so oft sind es die kleinen, fast übersehbaren Bilder, die die große Geschichte erzählen, die von Traumfängern im Campo oder die von Löws Augen nach dem Abpfiff des Algerienspiels, wie er paralysiert durch die Gegend schaut und nach Halt sucht. Und dann landet der Film in Berlin und der Triumphfahrt von Tegel zum Brandenburger Tor. Vorbei an Millionen, die die Straßen und Brücken säumen. Es sind Momente, in denen die Stadt inne-, ja zusammenhält. Und oben winken die Insassen der JVA Moabit durch die Gitter ihrer Fenster. Sie werden den Kinofilm bald im Fernsehen sehen.

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