Nach 0:8 beim FC Bayern: Der Schwarze Samstag des Hamburger SV
Zwischen Scham und Trotz: Der HSV sucht einen Weg, das historische 0:8 in München zu verarbeiten. Trainer Zinnbauer räumt Fehler ein, Vorstandschef Beiersdorfer warnt vor Selbstzerfleischung.
Zerknirscht und ratlos, sichtbar gepeinigt wirkten sie fast alle. Aber Joe Zinnbauer hatte das 0:8 bei Bayern München noch deutlich mehr mitgenommen als andere aus dem Hamburger Tross. Er fiebert während aller Partien mit großer Leidenschaft am Spielfeldrand mit, ihn stören Kleinigkeiten viel mehr als vor ihm andere Trainer des HSV. Zinnbauer will hier etwas bewegen. Es ist sein erster großer Trainerjob und er will zeigen, dass der Hamburger SV zwar schwer erziehbar, aber kein hoffnungsloser Fall ist. Er predigt die richtige Berufsauffassung. Zinnbauer will dem HSV das Laissez-faire austreiben.
Einem derart ehrgeizigen Mann, der die angemessene Einstellung täglich vorlebt, musste das Geschehen vom Samstagnachmittag wie ein böser Traum vorgekommen sein. Er war es dann auch hinterher, der zumindest verbal mehr Verantwortung für die höchste HSV-Niederlage in der Bundesligageschichte übernahm als alle anderen.
Und es klang gar nicht mal übertrieben zerknirscht oder unglaubwürdig, als Zinnbauer sagte: „Ich hatte am Ende Furcht, dass es zweistellig wird. Das ist für jeden Spieler für immer der schwärzeste Tag der Karriere. Ich werde dieses Spiel meinen Lebtag nicht vergessen. Ich habe den Jungs noch auf dem Feld gesagt, dass 6000 Fans mitgefahren sind – um dann das zu sehen. Wir können uns bei ihnen nur entschuldigen."
Das historische Ausmaß dieser Niederlage hatte Zinnbauer dabei jedoch leider mitverschuldet. Sehr naiv mutete seine allzu offensive Taktik mit zwei Stürmern und nur einem echten defensiven Mittelfeldspieler an. Das wurde früh bestraft. Und dann war es auch schon zu spät. Jeder blamiert sich so gut wie er kann, und dieser HSV tat es zwei Jahre nach dem 2:9 in München ein zweites Mal. Eindrucksvoll.
Nach zwei glücklichen Siegen in Paderborn und gegen Hannover war bei diesem Auftritt beim Meister wieder die aus der Historie gespeiste Hybris zu spüren, als HSV eben doch irgendwie etwas Besonderes zu sein. Niemals abgestiegen, in grauer Vorzeit mal Bayern-Dauerrivale, der Dino eben, und dann noch halbwegs erfolgreich in die Rückrunde gestartet – diese Melange genügte dem hochfliegenden HSV, sich beim FC Bayern Chancen auszurechnen. Mit einer Taktik, die allein auf Überraschung und einen schnellen, gezielten Stich setzte.
Als das Verhängnis seinen Lauf nahm, lag das mühsam aufgebaute Selbstvertrauen des HSV in Trümmern. Es wird nicht so leicht sein, es für die Partie gegen Mönchengladbach am Sonntag wieder aufzubauen. Eine ehrbare Niederlage, erkämpft auf der Basis einer defensiv-stabilen Grundordnung – das hätte ein halbwegs normaler Ertrag in München sein können. Nun geht es eine Woche darum, den Schaden irgendwie zu begrenzen. Bei den Gegnern Gladbach, Frankfurt und Dortmund muss sogar schon wieder die bekannte Abwärtsspirale befürchtet werden. Seit Samstag steckt der HSV jedenfalls wieder tief im Abstiegs-Schlamassel.
Immerhin bemühten sich die Hamburger noch in ersten Krisensitzungen am Flughafen darum, nicht den Kopf zu verlieren. Zinnbauer wird seinen Job behalten, er ist kein schlechter Trainer. Er war ja unter der Woche noch für die neue HSV-Stabilität gefeiert worden.
Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer warnte davor, zur Tagesordnung überzugehen – aber auch davor, sich nun zu zerfleischen. „In solchen Situation wird sich dann immer gegenseitig zerpflückt. Das wollen wir nicht tun“, sagte er. Es sei „emotional mehr als eine Niederlage“, aber „unsere Aufgabe ist es jetzt, die Nerven zu behalten“. Beiersdorfer tut dem HSV gut. Er warnte schon nach den beiden Siegen vor zu viel Zuversicht. Alle Verantwortlichen werden jetzt alle Hände voll zu tun haben, Häme und Spott vom Team fernzuhalten. Manche wirkten nach dem 0:8, als wünschten sie sich an einen fernen Ort. Sportchef Peter Knäbel etwa. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte der immer ruhige Verantwortliche. Der Hamburger SV hält selbst für erfahrene Kräfte böse Überraschungen bereit.