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Wie beim ersten Mal? Chris Froomes eigene Überwältigung übertrug sich nicht auf die Zuschauer.Foto: AFP/Tribouillard
© AFP

Chris Froome gewinnt die Tour de France: Der schon wieder

Chris Froomes dritter Sieg bei der Tour de France löst vor allem Ernüchterung aus. Die letzte Etappe gewinnt der Deutsche André Greipel.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er den Zielstrich von Morzine überfuhr. „Es sind Gefühle wie beim ersten Mal“, sagte Chris Froome danach. Und der Brite meinte damit nicht den ersten Kuss. Seine Vergleichsgröße war 2013 sein erster Sieg bei der Tour de France. Drei Jahre später hat er den dritten. Dass es keine vier in einer Reihe wurden, verhinderte 2014 nur ein Sturz. Dieses Jahr konnte ihn kein Ungemach aufhalten, auch die Abschlussetappe in Paris, die der Deutsche André Greipel im Spurt gewann, überstand er ohne Zwischenfall.

Eine beeindruckende Performance. Sie bringt ihn auf eine Ebene mit den anderen dreimaligen Tour-Siegern Greg Lemond, Louison Bobet und Philippe Thys.

Diese historische Leistung war der französischen Sportzeitung „L’Equipe“ allerdings nicht einmal eine Titelseite wert. Da stand zwar als Überschrift „Auf einer Wolke“ – ein Spruch, der durchaus auch den Gemütszustand von Chris Froome" zutreffend beschrieb. Der Titel galt aber dem Tourzweiten Romain Bardet. Der hatte sich zwei Tage zuvor mit einer mutigen Aktion im Massiv des Mont Blanc auf den zweiten Rang der Gesamtwertung befördert und genoss damit beste Aussichten, Sonntagnacht gleich neben Froome auf dem Podium zu stehen. Bardet hatte sich erst den Abfahrtskünsten seines Teamkollegen Mikael Cherel anvertraut und war dann leichtfüßig den knapp zehn Kilometer langen Anstieg Le Bettex zur Skistation Saint-Gervais Mont Blanc hochgeklettert. Für den Ersten, für Froome, stellte er keine Gefahr dar. Und er attackierte ihn auch nicht bei der letzten Alpenetappe.

Dass „L’Equipe“ den Einmal-Attackierer Bardet dem mutmaßlich dreifachen Gesamtsieger Froome bei seiner Sonntagstitelseite vorzieht, ist ein starkes Stück und ein bezeichnendes Signal. Offensichtlich dachten sich die Macher des Hausblattes der Tour, dass im Kiosk-Verkauf das Gesicht eines französischen Rennfahrers mehr zieht als das Antlitz von Froome. Ausgesprochen spärlich war auch der Besuch der Abschlusspressekonferenz des Siegers. Wo sich in früheren Jahren Kameraleute um Positionen in die Haare gerieten, hätte man jetzt einen Picknickplatz einrichten können. Ein Sieg von Chris Froome bei der Tour ist völlig normal.

Dabei hat sich Chris Froome bei dieser Tour alle Mühe gegeben, sie abwechslungsreich zu gestalten. Er wurde zum Abfahrtskünstler, holte am Col de Peyresourde ein paar Sekunden auf seine Konkurrenten heraus und schlüpfte ins Gelbe Trikot. Er lernte, Windkanten auszunützen und fuhr, gemeinsam mit Weltmeister Peter Sagan, dem Peloton voraus. Das Gelbe und das Grüne Trikot gemeinsam in einer Fluchtgruppe – das hatte man seit Eddy Merckx’ Zeiten bei einer Tour wohl nicht mehr gesehen. Unfreiwillig produzierte Froome noch zwei andere historische Bilder. Auf einer Abfahrt im Massiv des Mont Blanc stürzte er – und löste dabei den Sturz Vincenzo Nibalis aus. Zwei Toursieger – Nibali gewann 2014, als Froome aussteigen musste – im freien Fall: auch so etwas sah man bisher selten.

Das Jahresrückblicksbild freilich lieferte Froome mit seiner Jogging-Einlage am Mont Ventoux. Er war gemeinsam mit seinen Fluchtgefährten Richie Porte und Bauke Mollema auf ein TV-Motorrad aufgefahren, das selbst wegen einer Zuschauermenge anhalten musste. Das Rad war kaputt, und Froome rannte so schnell, dass ihm sein Dienstherr bei Sky Dave Brailsford in Aussicht stellte, ihn beim nächsten Paris Marathon einzuschreiben.

All diese Spannungselemente in den ersten anderthalb Tourwochen reichten offenbar aber nicht aus, um der Ernüchterung standzuhalten, die ein dominentes Sky-Team und ein unbezwingbarer Leader in den letzten vier Alpentagen ausgelöst hatten.

Für den Sportler Chris Froome mochte sich dieser dritte Gesamtsieg wie beim ersten Mal angefühlt haben. Die Titelblattentscheidung der "L’Equipe“ deutet hingegen auf ein "bloß nicht schon wieder“ hin. Die Welt der Sportevent-Beobachter ist manchmal grausamer als eine Grand Tour.

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