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Schalkes Abwehrspieler Timo Becker traf der Abstieg seines Vereins besonders hart.
© Friso Gentsch/dpa
Update

Nach dem Abstieg von Schalke 04: Der Niedergang ist verdient - und tut doch weh

Fünf Spieltage vor Schluss steigt Schalke ab. Ein Anhänger versucht sich die Situation schön zu reden – und scheitert.

Der Abstieg des FC Schalke 04 war lange ein offenes Geheimnis. Alle wussten, dass es passiert. In den vergangenen Monaten gab es bei jedem Fan ein verlorenes Spiel, nach dem die allerletzte Hoffnung begraben werden musste (und trotzdem weiter gebangt wurde). Deshalb ist es gut, dass der Abstieg schon jetzt offiziell ist – vier Spieltage vor Saisonende. So hat das unnütze Hoffen, Rechnen und Zittern früh ein Ende. War schließlich alles nur eine Frage der Zeit.

In der Praxis ist der Kloß im Fanhals trotz der wochenlangen mentalen Vorbereitung auf das Unvermeidliche dick. Das lange Warten auf die Gewissheit ließ uns Anhänger verschiedene Schutzmechanismen ausprobieren: sich über Wochen distanzieren, nur noch zynisch auf die Spiele blicken oder schon jetzt laut für die Zweite Liga planen.

Als Gerald Asamoah nach dem 0:1 in Bielefeld am Mikrofon mit Tränen in den Augen nach Worten ringt, ist es dann aber vorbei mit der Contenance. Plötzlich tut es doch weh, in diesem Moment alleine vor dem Fernseher und nicht im Stadion mit anderen Leidensgenossen zu sitzen. Ein Abstieg lässt keinen Fan kalt, egal wie sehr man sich das auch einredet.

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Keine Frage, der Niedergang ist mehr als verdient. Schon lange war keine Bundesligamannschaft mehr so chancenlos. Punkte, Tore, Gegentore – überall ist Schalke abgeschlagen. Auf und neben dem Platz war es eine Saison zum Vergessen. Und trotzdem schmerzt die Gewissheit. Zumindest die Fans.

Denn immerhin geht es hier um den FC Schalke, über Jahre hinweg ein Spitzenteam der Bundesliga. 2018 noch Vizemeister, Dauergast im Europapokal über zwei Jahrzehnte und immer eine Herzensangelegenheit. Wer diesen Abstieg nicht auch ein bisschen traurig findet, hat kein Herz für den Fußball.

Und wer die Schalker Fans auf dem Weg vom Stadion zur Straßenbahn nie singen gehört hat, dichtgedrängt und vielstimmig wie ein Chor, der kann sich auch nicht vorstellen, was es für die Anhänger bedeutet, dem verhassten Rivalen Borussia Dortmund nun nicht wenigstens theoretisch ein Bein stellen zu können, wenn der um die Meisterschaft oder in Europa spielt.

Zurück zu den Wurzeln

Nein, Schalke ist mehr als die Summe seiner Profis, die in dieser Saison so krachend gescheitert sind und denen der Abstieg wohl mehrheitlich nicht wirklich nahe gehen dürfte. Anders ist kaum zu erklären, wie eine immer noch ordentlich besetzte Mannschaft in den vergangenen fast 18 Monaten nicht mehr konkurrenzfähig war und zeitweise mit Tasmania Berlin verglichen wurde – einem Team, das seinerzeit tatsächlich von vornherein chancenlos war.

Aber Schalke ist ein Mythos und deshalb wird Schalke auch zurückkommen. Mit einer neuen hungrigen Mannschaft, mit Spielern die wissen, was es bedeutet, das königsblaue Trikot zu tragen. So wie Jugendspieler Timo Becker, der am Dienstagabend allein auf der Gästebank trauerte und Tränen vergoss, als seine erfahrenen Kollegen schon lange in der Kabine verschwunden waren.

Becker kommt aus Gelsenkirchen. Mit sechs Jahren trug er zum ersten Mal das blau-weiße Trikot. Er weiß, was der Verein für die Stadt bedeutet. Wohl keine andere in Deutschland wird so stark über ihren Sportverein wahrgenommen. Schalke hat 160.000 Mitglieder – sogar Papst Johannes Paul II. gehörte einst dazu. In Deutschland hat nur der FC Bayern mehr eingetragene Anhänger.

Sie alle leiden nun, aber sie alle eint auch die Hoffnung, dass es ab jetzt nur wieder aufwärts gehen kann. Denn Schalke ist ein Malocherklub, sich genau darauf zu besinnen, ist vielleicht nicht die schlechteste Idee. Denn auch wenn der Abstieg schmerzt, heißt es doch im Vereinslied so schön: „Tausend Freunde, die zusammensteh’n. Dann wird der FC Schalke niemals untergehn.“

Luca Füllgraf

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